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Blogs, Rede & Widerrede

Von einem Leser und einem Blogger

Dieter Stark, Arlesheim

Leserbrief zu Ch. P. Hoffmann «Sozialer Abstieg – dank Sozialstaat» (Ausgabe Nr. 972) und P. Gross «Für einen Liberalismus mit Herzensschwäche» (Sonderthema Nr. 6)

Oktober 2009

Die Marktgesellschaft: so freiheitlich wie Peter Gross sie sieht, ist sie nicht. Und so freiheitlich wie Christian P. Hoffmann sie gerne hätte, darf sie nicht sein. Etwas simplifizierend ausgedrückt, ist die Hoffmannsche Marktwirtschaft das arithmetische Mittel aus Thomas von Aquin und Adam Smith:

• die marktwirtschaftliche Ordnung kommt durch freiwillige Interaktion der Individuen zustande; so Hoffmann;

• der Markt ist der Ort, wo Anbieter und Nachfrager sich «einig» werden. Objektive Massstäbe gibt es nicht. Das gute Geschäft und der gerechte Preis (justum pretium) stellen beide zufrieden, und jeder glaubt, ein gutes Geschäft gemacht zu haben; so Thomas von Aquin im 13. Jahrhundert;

• wie von einer invisible hand gesteuert, führt die Verfolgung des Selbstinteresses zum gemeinen Wohl; so Adam Smith im 18. Jahrhundert. Eine solche Marktwirschaft kann man frei und friedlich nennen. Der nüchterne Alltag sieht anders aus.

Der germanische Terminus Friede (von germanisch frijon = versöhnen, lieben) bezeichnet einen in sich ruhenden Zustand. Der lateinische Terminus pax (lateinisch pactus = vereinbart) hingegen stellt das Ergebnis einer Ausmarchung von Machtpositionen dar. Und Macht ist seit Jahrtausenden das perennierende Agens jeglicher gesellschaftlicher Veränderung, auf dem Schlachtfeld wie auf dem Markt.

Diese Machtentfaltung hat sich in den beiden letzten Jahren wieder deutlich manifestiert. Geld ist pervers, liessen sich einige Kritiker des jüngsten Sündenfalls unserer Banker vernehmen. Nein, nicht das Geld ist pervers, sondern die Geldwirtschaft. Diese Banker haben das «grosse Rad des Umlaufs» zum Eigenwert verselbständigt und es der Realwirtschaft entzogen. Insofern war dieses Verhalten ein systemimmanenter Fehler des Kapitalismus. Die Banker haben Aristoteles Lügen gestraft, der glaubte nummus nummum non parit (Geld kann kein Geld erzeugen). Das Geld hat also doch Junge geworfen!

Ein etwas weltfremder Sozialeudämonismus hat uns glauben gemacht, die freie Marktwirtschaft wird’s schon richten. Sie hat viele zugrunde gerichtet, allerdings. So verlangt nun mancher Geschädigte, dass man nun die Marktwirtschaft «richtet», was verständlich ist.

Die so vielgepriesene soziale Marktwirtschaft soll Extreme vermeiden. Das kann sie nicht. Solche Extreme, wie wir sie jüngst erlebt haben, werden immer wieder vorkommen. Es wird auch fürderhin eine Art bellum omnium contra omnes geben, wie es Thomas Hobbes im 17. Jahrhundert formulierte. Der homo sapiens ist dank seiner phylogenetischen Prägung darauf angelegt, für sich selbst zu sorgen, nicht für seine Mitmenschen. Daraus entstehende Auswüchse zu mildern, wenn sie sie schon nicht verhindern kann, ist die Ordnungsfunktion einer sozialen Marktwirtschaft. Deren Kunst besteht nun darin, das gedeihliche Mittelmass zwischen förderndem Ordnen und verhinderndem Regulieren zu finden.

christianhannover, Freunde der offenen Gesellschaft, http://fdog.wordpress.com/

Der Vertrag von Lissabon ist ein schlechter Witz

29. Oktober 2009

«Das Dokument ist noch gar nicht von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert, da wird bereits ersichtlich, was in Brüssel unter ‹Transparenz› verstanden wird. Das hinter verschlossenen Türen stattfindende Geschacher um den Posten des EU-(Rats-)Präsidenten offenbart, was aus der eigentlich begrüssenswerten europäischen Einigung geworden ist: ein Tummelplatz für politische Selbstdarsteller und eine vortreffliche Möglichkeit für Politopas aller Couleur, an prestigeträchtige Posten zu kommen, die bequemerweise nicht einmal ein Wählervotum benötigen. Was bisher vom grossen Treffen der Staats- und Regierungschefs in Brüssel durchsickert, wirkt wie eine Zusammenkunft des Politbüros, auf der die verschiedenen Fraktionen der Staatspartei sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu einigen haben, um diese ‹Wahl› dann als grossen Erfolg verkaufen zu können. Die Rechten bekommen den Posten des Präsidenten, die Linken den sogenannten Aussenminister, der Souverän darf sich dann freuen und sich Vorträge über das durch den Lissabon-Vertrag angeblich so geförderte Zusammenwachsen Europas (sprich EU) anhören. Die in Lissabon-Vertrag umbenannte EU-Verfassung wirkt jetzt schon wie ein schlechter Witz.»

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