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Blick zurück – und nach vorne

In der Unübersichtlichkeit des Jahres 2012 vergessen wir leicht, wie ruhelos frühere Zeiten waren. Wie viel können wir von jenen lernen, die sich damals bemühten, die Dinge kritisch und klar zu sehen? Dieser Gedanke schoss mir immer wieder durch den Kopf, wenn ich mich mit der Geschichte der «Schweizer Monatshefte» bzw. des «Schweizer Monats» beschäftigt […]

In der Unübersichtlichkeit des Jahres 2012 vergessen wir leicht, wie ruhelos frühere Zeiten waren. Wie viel können wir von jenen lernen, die sich damals bemühten, die Dinge kritisch und klar zu sehen? Dieser Gedanke schoss mir immer wieder durch den Kopf, wenn ich mich mit der Geschichte der «Schweizer Monatshefte» bzw. des «Schweizer Monats» beschäftigt habe. Anlass dazu bot ein Manuskript von Thomas Sprecher, Anwalt, Germanist und Verwaltungsratspräsident der SMH Verlag AG. Seine umfangreiche Darstellung der bewegten Geschichte dieses Magazins erscheint im Januar 2013. Der Autorenfundus ist beachtlich und vielfältig, er reicht von Theodor W. Adorno bis Helmut Plessner, von Edgar Bonjour bis Herbert Lüthy, von Marion Gräfin Dönhoff bis Meta von Salis, von Ludwig Erhard bis Ludwig von Mises, von Raymond Aron bis Karl Popper, von Carl Burckhardt bis Carl Friedrich von Weizsäcker, von Emil Staiger bis Peter von Matt, von Hermann Burger bis Hermann Hesse. Wer sich in die Texte der modernen Klassiker vertieft, stösst auf Debatten bzw. Argumente, die damals so drängend bzw. gültig waren wie heute. Ist dies nun tröstlich oder deprimierend? Entscheiden Sie selbst!

Hermann Hesse, mit dem Nobelpreis für Literatur ausgestatteter Autor, schreibt 1951 in der fiktiven Form einer Erzählung:

«Wir Insassen von Alt- oder Urnormalien brauchen uns um die staatsbürgerlichen Pflichten nicht sehr viel zu kümmern, das heisst wir haben das Wahlrecht, aber keine Wahlpflicht, und die wichtigste staatsbürgerliche Tätigkeit, das Bezahlen der Steuern, besorgt die Anstaltsleitung für uns, wir brauchen uns darum nicht zu kümmern, die Beträge werden uns auf die Rechnung geschrieben, solange wir noch ein Guthaben stehen haben, und ist dieses erschöpft, nun so sendet uns der Staat, damit wir wieder zu Steuerquellen werden, in eine andre Gegend, in irgendeinen seiner Betriebe, selbstverständlich mit voller Wahrung des Prinzips der Freiwilligkeit und Selbstbestimmung. Vorläufig, soweit ich unterrichtet bin, reicht mein Guthaben noch für manche Quartalsrechnung und manche Steuerzahlung aus, es sei denn, es komme wieder einmal zu einer jener recht ernsten Krisen, bei welchen die Bevölkerung in einmütiger Empörung ihr gesamtes Vermögen auf die Steuerämter trägt und diese unter Bedrohung und eventueller
Anwendung von Gewalt zur Annahme zwingt, sehr zum Missvergnügen der Beamten, denn nach unsrer Verfassung wird jedesmal, wenn der Staat Alleinbesitzer allen Vermögens geworden ist, die gesamte Beamtenschaft entlassen, da nichts mehr zum Einziehen da ist.»

Ludwig Erhard, damals Wirtschaftsminister in Deutschland, später Bundeskanzler, schreibt im Jahre 1952, in der Phase des Wiederaufbaus:

«Um meinen Schreibtisch katastropht es vom Morgen bis zum Abend – und ich warte noch immer auf die Katastrophe! Scherzweise möchte ich sagen, dass sich die deutsche Wirtschaft in den letzten 3½ Jahren von Krise zu Krise ganz gut fortentwickelt hat. Das ist nun einmal so: Unsere Zeit ist so schnelllebig geworden, dass wir kaum mehr die innere Geduld finden, sich ein Ereignis organisch vollenden zu lassen. Kaum bedrückt uns eine Sorge, dann sind auch schon alle geneigt, besondere staatliche Massnahmen zu fordern.»

Herbert Lüthy, Professor für Allgemeine und Schweizer Geschichte an der ETH Zürich, schreibt 1960:

«Der Föderalismus ist die Staatsform der Zukunft. In der schleichenden Zersetzung der klassischen Staatssouveränitäten, die überall im Gange ist, bleibt zwischen tödlicher Balkanisierung und unmöglicher Universalmonarchie nirgends ein anderer Weg als der des Föderalismus, so schwer es auch fällt, ihn zu finden.»

Ludwig von Mises, Ökonom und Sozialphilosoph, der damals in den USA lebte, schreibt 1968:

«Entweder ist es dem Menschen freigestellt, nach eigenem Plan zu leben, oder er wird gezwungen, sich bedingungslos dem Plan des Götzen ‹Staat› unterzuordnen. Es ist nicht weiter von Belang, wenn sich die Sozialisten heute als ‹Linke› bezeichnen und die Verteidiger einer begrenzten Staatsgewalt und der Marktwirtschaft als ‹Rechte› abtun. Die Bezeichnungen ‹links› und ‹rechts› haben jede politische Bedeutung verloren. Der einzige bedeutsame Unterschied besteht zwischen den Verteidigern der Marktwirtschaft und einer entsprechend beschränkten Staatsgewalt einerseits und den Befürwortern des totalen Staates anderseits.»

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