Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos
Blaupause des Überwachungsstaates
Matthias Sander: China auf dem Weg zur digitalen Supermacht: Überwachung und Innovation. Mitteldeutscher Verlag, 2024. Bild: Mitteldeutscher Verlag.

Blaupause des Überwachungsstaates

So faszinierend Chinas technologische Entwicklung der letzten Jahre sein mag, so erschreckend sind seine Überwachungsmassnahmen. Wird das im Westen Schule machen?

«Wenn Sie ein Bild von der Zukunft haben wollen, so stellen Sie sich einen Stiefel vor, der unaufhörlich auf ein Gesicht tritt.» ­ – Mit diesen Worten warnte George Orwell vor einigen Jahrzehnten vor einer Zukunft, die im totalitären Überwachungsstaat münden könnte. China kommt der Verkörperung dieser Dystopie heutzutage wohl am nächsten.

Zu den technologischen Überwachungsmassnahmen in China hat Matthias Sander, langjähriger China-Korrespondent der NZZ, kürzlich das Buch «China auf dem Weg zur digitalen Supermacht» geschrieben. Es behandelt Chinas technologische Errungenschaften, seine Ziele und Herausforderungen.

In vielen chinesischen Metropolen sei die Digitalisierung des Alltags mittlerweile sehr stark ausgeprägt. Der Grund dafür sei die hervorragende technologische Infrastruktur, von der das eine oder andere Land eine Scheibe abschneiden könnte. Das gut ausgebaute Telekommunikationsnetz decke ungefähr 90 Prozente der Bevölkerung ab. Zum Vergleich: In Deutschland gebe es immer noch ländliche Regionen, die mit Funklöchern zu kämpfen hätten.

Aber die Digitalisierung in China habe auch ihre Schattenseiten. Das Internet sei inzwischen so sehr vom globalen Netz abgeschottet, dass man von einem «separaten chinesischen Netz» sprechen müsste. Die Zensurmassnahmen gälten als «so schnell und effektiv», die Regierungspropaganda als «so allgegenwärtig und ausgefeilt», dass man die Situation der chinesischen Bürger mit der des Protagonisten im Film «The Truman Show» vergleichen könnte.

Sander appelliert in seinem Fazit, dass Deutschland und der Westen der chinesischen Technologiedystopie ein eigenes positives Modell entgegensetzen sollten. Ob das von der westlichen Classe politique tatsächlich gewünscht wird, bleibt fraglich. Häufig zeigt sie mit dem moralischen Finger auf missliebige Staaten wie China, um dann später – wenn auch in abgemilderter Form – selbst autoritäre Massnahmen bei sich einzuführen. Als jüngstes Beispiel sei der «Digital Services Act» der EU zu erwähnen, welcher der Kommission die Möglichkeit gibt, nach Gutdünken legale Inhalte im Netz löschen zu lassen. (ms)

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!