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Blattkritik über die März-Ausgabe
Manfred Rösch, zvg.

Blattkritik über die März-Ausgabe

Die März-Ausgabe des «Schweizer Monat» wird von Manfred Rösch beurteilt.

«Wer mir widerspricht, bereichert mich»: So zitierte das NZZ-Feuilleton neulich Michel de Montaigne. Insofern kann ich die Redaktion des «Schweizer Monats» nicht bereichern, weil ich mit euch, was meine Haltung betrifft, weitgehend übereinstimme. Als Zielgruppen-Zugehöriger, der bald mehr Zeit (wenngleich weniger Geld) haben wird, werde ich mir den Kauf eines Abonnements überlegen – oder mir eines von meinen Liebsten schenken lassen.

Ich habe die Ausgabe März 2023 quasi als erbauliche Predigt zu einem bereits Bekehrten gelesen. Früher erhielt die Redaktion von «Finanz und Wirtschaft» ein Gratisexemplar, das ich jeweils behändigte und mir auszugsweise zu Gemüte führte; als Fazit kann ich dazu aus Friedrich Torbergs «Tante Jolesch» die Lobesformel zitieren: «Mit Genuss und Belehrung gelesen.»

Vor ein paar Tagen sass ich mit einem alten Freund fast neben dem Redaktionssitz, in der «Helvti», und gestand ihm meine Anmassung, den «Schweizer Monat» einer Blattkritik unterziehen zu wollen. Er war begeistert und verwendete für eure Zeitschrift die Begriffe «intellektuell» und «elitär»: Auch das ein Lob, ganz ungeniert. Das ungehetzt Distanzierte, das der Titel bzw. die Erscheinungsweise signalisieren, ist per se wohltuend.

Auf der Makroebene, quasi, kann ich folgerichtig nur sagen: Heiter weiter so, ihr seid eine Bereicherung. Ihr habt es auch nicht nötig, eine fragwürdige Schlagseite zu entwickeln, euch simpel als den Gegenpol zu einem vermuteten Mainstream zu positionieren.

Also zur Mikroebene. Aus dem reichhaltigen Menü der vorliegenden Ausgabe hat mir ausgerechnet der prominenteste Beitrag am wenigsten geschmeckt: Die recht grell illustrierte «Kurzgeschichte» von Thomas Lötscher. Über Geschmack lässt sich zwar nicht streiten (und wie!), doch hier findet kein «coming out» eines belletristischen Talents statt, das Ganze ist etwas flach, jedenfalls wenig überraschend. Zwar bringt wohl mancher einen lesenswerten Essay zustande, doch der Sprung ins Literarische ist heikel. Hier ist er misslungen.

Die «Choreographie» des Blatts, dargestellt auf Seiten 4 und 5, leuchtet mir ein, die Verbindung von gesellschaftlichen, politischen, ökonomischen und kulturellen Themen gefällt mir.

Der Schwerpunkt «Gutes Geld» ist gut gewählt (und bildlich, mit den Rai-Steinen, gut aufgemacht). Die vier Beiträge dazu sind alle lesenswert: Der kreative Ansatz, die Charakteristika von Bitcoin mit denjenigen der Schweiz zu verbinden; das Plädoyer für das Bargeld; etwas weniger der Gastbeitrag zu Lugano. Das Highlight ist das Interview mit Saifedan Ammous: köstlicher Klartext. Das habe ich auch als Unsachverständiger sehr gerne gelesen.

Die kleinen «Entremets» folgen an richtiger Stelle. Dann folgen drei nahrhafte Debattentexte. Werder, zur sperrigen Gesundheitspolitik, schliesst mit Folgerungen, die politisch Sprengstoff sind: Grobfahrlässigkeit und Schluss mit dem Obligatorium. Durch El-Naghashis Artikel musste ich mich etwas quälen, weil mir diese Debatte auf den Geist geht und ich dementsprechend contre coeur lese, doch immerhin kommt sie zu bemerkenswerten Schlüssen: Umgekehrt aufgebaut, wäre der Text vielleicht anregender herausgekommen. Baudenbacher ist eine bekannte Grösse, und man hört ihn schier grollen. Dann wieder ein Zwischengang; Janssen fand ich am wertvollsten.

Das «Buch des Monats», zu Montaigne, werde ich mir kaufen; die drei anderen Tipps werden ohne Budgetfolgen sein, aber ich habe sie mit Interesse gelesen. «Geiz ist geil» ist kurz und knackig, Estis ist ein heller Typ. Ein «Apéro» ist immer gut, man kann es aber auch beim Nippen am Glas belassen.

Schiesslich das Dossier, dessen Zustandekommen mit Partnern mich interessieren würde – wie macht ihr das, wie sind die Abläufe? Zum Gastbeitrag Onfray: Ein Linker, aber kein Doofer, vor allem aber ein Franzose. Als Lesestoff für mich ein Amüsement, doch ohne bleibenden Wert, irgendwie bleiben alle Fragen offen. Esfeld ist sehr gut, manche Aussage muss man sich zitierbar memorieren. Die bequeme Stagnation: Ich bin mit allem einverstanden, doch habe ich alles schon irgendwo irgendwie gelesen – das Rad kann nicht immer neu erfunden werden. Das Interview Skenazy überrascht, ich wäre nicht auf die Idee gekommen. Als Vater a.D. staune ich, dass solche Selbstverständlichkeiten in den USA strittig sein sollen. Julie Bindel zum «virtue signalling» hätte ich auch umgekehrt aufgezogen, das Spannendste kommt am Schluss. Polleit wiederum hätte ebenso gut oder besser in den ersten Teil der Ausgabe gepasst, zum Guten Geld. Dekadenz ist natürlich ein elastischer Begriff. Mingardis Verdacht auf ein Überhandnehmen der Herrschsucht teile ich, das wäre vielleicht einmal eine tiefere Analyse wert. Die acht (statt bloss vier) Reiter der Apokalypse: Klar und wahr. Auf eine neue Margaret Thatcher hoffe ich auch, aber wir sind noch nicht soweit. Schliesslich Jordan Peterson zu den veralteten Sekundärtugenden: ein interessanter Konservativer in einer liberalen Publikation.

Hannes Binder als Dessert mundete vorzüglich. Ich musste sogleich seine grossartige Dürrenmatt-Illustration durchblättern: «Der Schachspieler», in Schwarzweiss.

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