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Blattkritik über die Dezember-Ausgabe
Nicole Hasler, zvg.

Blattkritik über die Dezember-Ausgabe

Die Dezember-Ausgabe des «Schweizer Monat» wird von Nicole Hasler beurteilt.

In meinem Job bin ich es gewohnt, viele neue Informationen in unterschiedlichen Detaillierungsgraden zu verarbeiten. Ich muss mir einen Überblick verschaffen, Zusammenhänge und Muster erkennen, um diese auf der adäquaten Flughöhe und in der Sprache des Kunden wiederzugeben. Das beeinflusst nunmehr auch stark, wie ich journalistische Texte konsumiere. Ich bin ungeduldig.

In meinem «Konsum» unterscheide ich zwischen zwei Arten von journalistischen Texten: zum einen die täglichen News, den «Fast Food». Hier reicht mir auch schon mal eine Meldung aus den sozialen Medien oder eine Push-Nachricht von der NZZ, um à jour zu bleiben. Zum anderen konsumiere ich, und das viel bewusster, die wöchentlich oder monatlich erscheinenden Magazine wie «The Economist» oder eben den Schweizer Monat. Letzteren lese ich nicht von A bis Z, sondern picke mir gezielt Artikel heraus, die mich aufgrund des Titels, des Headers oder einer Illustration zu einem Thema ansprechen. Ich bewahre die Ausgaben immer auf, in einem offenen Regal im Wohnzimmer, und komme unter Umständen Wochen oder sogar Monate später darauf zurück. So à la: da war doch noch was…?

In der Dezember-Ausgabe des Schweizer Monats überfliege ich das Inhaltsverzeichnis. Ins Auge stechen mir der Schwerpunkt «Anders leben» und das gute Interview mit dem Wirtschaftshistoriker Barry Eichengreen.

Was ich in jedem Magazin gerne kurz überfliege, sind die Kolumnen – unter anderem jene der von mir geschätzten Ökonomin Alexandra Janssen, die Kolumne «Ein Glas Wein mit…» (in dieser Ausgabe mit Foodtech-Gründer Mark Zahran; ich schmunzle über die Brusthaare in der Karikatur – gut gelungen) und natürlich den Kulturteil. Auch den Kulturteil, frei von unterschwelligen, einseitig ideologischen Aussagen, schätze ich als Leserin sehr.

Doch in dieser Ausgabe lese ich die Titel beim Schwerpunkt «Anders leben». Mein Thema. Doch ich bin zuerst ernüchtert, weil ich nicht von den jeweiligen Titel auf den Inhalt der Texte schliessen kann. Stimmt die Reihenfolge der Artikel? Gehören diese zusammen? Ich blättere nach vorn und zurück. Wer ist Patri Friedman? Wie anfänglich geschrieben: ich bin ungeduldig. Und so zücke ich instinktiv das Handy und google, bevor ich den Artikel beginne, seinen Werdegang, seine Firmen. Dann lese ich das Interview. Aber die Aussage darüber, warum Privatstädte erfolgreich sein werden, erschliesst sich mir im Interview nicht. Ich lese den Artikel «Freier Leben», und nun beantworten sich viele meiner Fragen. Meine Ernüchterung schwindet. Doch der Text bleibt auf der Metaebene. Gerne hätte ich mehr erfahren, wie sich das Leben z.B. auf Próspera anfühlt.

Ich hätte mir Illustrationen gewünscht: eine Landkarte, wo sich die Privatstädte befinden, wie sie sich unterscheiden, was für Menschen dort leben und so weiter. Vielleicht auch mit QR-Codes, die mich zum Werdegang von Patri Friedman geführt hätten.

Der ganze Schwerpunkt belustigt mich etwas. Denn obwohl ich mich selber als Liberale bezeichne und ähnliche Fantasien habe, muss ich beim Lesen an die Arche Noah oder die Mayflower denken – wie wir irgendwo fernab von den Sozialisten, die die Welt ins Elend stürzen, Zuflucht suchen. Und das, weil wir eben nur einen kleinen Teil der Bevölkerung (10 Prozent, erfahre ich im Interview mit Friedman) mit Fakten überzeugen können. Ich glaube, wir Liberale müssen unsere Opferhaltung ablegen: innerhalb der Gesellschaft unseren Platz suchen. Und genau das bringt Gerhard Schwarz im letzten Artikel des Schwerpunktthemas auf den Punkt.

Und so bleibt mir zum Schluss nur noch eines hinzuzufügen: ich möchte mich bei der Redaktion für die tolle Arbeit in diesem schwierigen Business bedanken.

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