Blattkritik:
René Lüchinger über die November-Ausgabe des «Schweizer Monats»
Die Ausgaben des «Schweizer Monats» werden jeweils von einem eingeladenen Gast beurteilt. Diesmal von René Lüchinger.
Zu «Schweizer Monat» Ausgabe 1061, November 2018
- Titelbild: Das schwarzweisse Foto gefällt mir eigentlich gut. Es sagt mir aber auch: diese Zeitschrift muss sich nicht verkaufen am Kiosk. Neue Leser sind so kaum zu finden.
- Bildlegenden: Da muss unbedingt besser auf Platzierung und Schriftfarbe (schwarz oder weiss) achtgegeben werden. Oft ist die – ohnehin eher zu kleine – Bildlegende (z.B. weiss auf hellgrau) kaum zu lesen.
- Schwerpunkt «Alles beim Alten»: Das Thema könnte der digitale Graben sein, aber es sind zu viele Themen in diesem einen Text, es geht auch um Parteien und anderes. Es wäre besser gewesen, sich auf ein Thema zu konzentrieren.
- Schwerpunkt «Ein Werkzeugkasten für die Migrationspolitik»: komplizierter Text. Spätestens bei «Internalisierung externer Effekte» (und der nicht weniger komplexen Erklärung, was das sein soll) steigt der Leser aus. Die Komplexität der Wortwahl ist dann richtig, wenn der «normale Leser» es gerade noch versteht und der Wissenschafter aber schon jammert, das sei jetzt zu ungenau.
- Leads: Viele der Leads machen mich leicht depressiv: «verschärfen den Konflikt», «hemmt die Reformfähigkeit», «Das dürfte sich rächen», «muss sich neu erfinden» etc. Um eine solche Häufung zu verhindern, sollte man, nachdem die Leads gesetzt sind, alle nebeneinanderstellen, um sich einen Gesamteindruck zu verschaffen. Diesem Heft hätte dort und da eine positive Botschaft gutgetan.
- Texte: Um nicht Textwüste entstehen zu lassen, könnten die Texte gut mit Schlagworten aufgelockert werden.
- Kolumnen: sowohl die Kolumne von Christian P. Hoffmann als auch die Kolumne von Nadine Jürgensen drehen sich um die Frauenfrage. Im Text von Jürgensen hätte mich statt dem wenig überraschenden Ruf nach mehr Frauen eher interessiert, was denn die bisherigen Frauen im Bundesrat alles durchgebracht haben, was sie erreicht haben.
- Boxen «In Kürze»: sind oft zu wenig selbsterklärend.
- Rubrik «Ein Glas Wein mit»: Ist das eine Werbung oder eine Rubrik? Mir fehlt hier etwas das Persönliche: die Eigenschaften, die Eigenheiten, das Verhalten der Person sollten besser porträtiert werden. Zudem sollte man die Titelgestaltung überdenken: «Ein Glas Wein mit» steht immer gross und darunter klein und nüchtern die Info, mit wem es getrunken wird: Das ist unlogisch, denn «Ein Glas Wein mit» bleibt ja immer gleich. Das sollte daher als Rubrik kleiner oben angeschrieben werden – und als Titel stattdessen etwas Spannendes, nicht nur einfach Name und Funktion der Person.
- Fotoreportage aus Nordkorea (Alex Kühni): Auch der Text der Bildredaktion wirkt etwas deplatziert. Die Redaktorin erzählt hier, was eigentlich der Fotograf erzählen müsste. Es wäre daher besser, wenn wirklich gleich der Fotograf diesen Text schriebe. Oder: Falls das Editorial aus der Redaktion kommen muss, dann wäre ein Text auf Metaebene besser – wo die Redaktorin z.B. vom Treffen mit Alex Kühni erzählt.
- Dossier:
- Im Inhaltsverzeichnis (S. 4) wird das Dossier unterverkauft. Es wirkt dort mehr wie eine Anzeige als wie ein Teil des Inhalts.
- Auch die Titel kann man inhaltlich spannender setzen. Sie sind zu nüchtern. «Weisse Haie und schwarze Schwäne» ist gut, die anderen würde ich anders setzen. Man muss nicht lügen und auch nicht marktschreierisch sein, aber man darf auch einen komplexen, nüchternen Text gerne in einen schönen, attraktiven Titel packen.
- Auch sonst kann das Dossier nach innen und nach aussen besser verkauft werden: Die Artikel sind zu gleichförmig aufbereitet – es wäre besser, man würde mehr mit den verschiedenen journalistischen Formen spielen und versuchen, das Thema kreativer aufzubereiten.
- Die Zeile bezüglich Finanzierung des Dossiers würde ich anders formulieren, zum Beispiel so: «Dieses Dossier wurde von der Swiss RE finanziert. Die redaktionelle Hoheit liegt beim ‹Schweizer Monat›.»
- Fazit: Textmarketing verbessern, Fachartikel verständlichen, journalistische Formen variieren (mehr Leben, mehr Abwechslung, mehr Experimente).