Blackout bei den Liberalen
Manch wirtschaftsnaher Politiker lässt sich von den Bonbons der Energiestrategie verführen. Eine langfristig vernünftige Ordnungspolitik ist aber wichtiger als kurzfristige Gewinne aus Subventionen.
Wird das umfassend ausgebaute neue Energiegesetz angenommen, werden wir unser Verhalten beschränken, mehr Vorschriften befolgen und höhere Stromrechnungen bezahlen müssen. Die Folgen sind beim Pionier der «Energiewende» genannten Energie-Planwirtschaft zu besichtigen: In Deutschland fliessen 2017 insgesamt 24,2 Milliarden Euro – etwa mit diesem Betrag hat die Schweiz die NEAT gebaut – in Abgaben für erneuerbare Energien, und die Kosten für den Ausbau des Stromnetzes und für den Atomausstieg sind hierbei noch nicht mal eingerechnet. Weil über 2000 grosse Unternehmen von der Abgabe für erneuerbare Energien befreit wurden, werden die Bürger und die KMU per Stromrechnung zur Kasse gebeten. Der fixe, nicht beeinflussbare Anteil für Steuern, Abgaben und Netzbetreiber beläuft sich dort inzwischen auf 72 Prozent. Die 28 Prozent für Strombeschaffung und Stromvertrieb, also der flexible, beeinflussbare Anteil der Rechnung, werden künftig weiter sinken. Die «Wirtschaftswoche» warnte kürzlich in einer Titelgeschichte eindringlich davor, dem Beispiel Deutschlands zu folgen: «Bloss nicht nachmachen, möchte man der Welt zurufen, denn die ‹Energiewende› ist unbezahlbar, unwirtschaftlich und pseudogrün.»
Doch genau das will die Schweiz tun – mit beachtlicher Unterstützung auch von bürgerlicher Seite. Das neue Gesetz hält derart viele Bonbons bereit, dass selbst jene der Vorlage zustimmen, die gerne behaupten, für weniger Umverteilung einzustehen. Die FDP beispielsweise wetterte während Jahren gegen die Energiestrategie 2050. Doch als die SVP das Referendum ergriff und Mitstreiter suchte, wogen offenbar die wirtschaftlichen Interessen doch schwerer. Wer Wärmepumpen, Solartechnik oder Gebäudetechnik herstellt, plant oder damit handelt, wird vom neuen Energiegesetz profitieren. Wer solche Firmen beliefern oder beraten darf, wird indirekt profitieren.
Jene Befürworter der Energiestrategie, die nicht sowieso jedem Staatsausbau zustimmen, haben sich von den vom Gesetzgeber in Aussicht gestellten finanziellen Vorteilen kaufen lassen. Das analysieren die Gegner des Gesetzes korrekt. Doch nicht alle ihre Argumente sind zutreffend: «Bleiben wir auf dem Pfad einer weitgehend freiheitlichen Marktwirtschaft oder gehen wir in Richtung Planwirtschaft pur?», fragt etwa Nationalrat Bruno Pezzatti (FDP) auf der Webseite der Gegner. Von einer «weitgehend freiheitlichen Marktwirtschaft» kann im Energiebereich indessen keine Rede sein. Erstens sind die Produktion, die Übertragung und die Verteilung des Stroms mehrheitlich in staatlich-monopolistischer Hand. Zweitens haben Kleinkunden, die jährlich weniger als 100 000 kWh an Strom verbrauchen, keine freie Wahl des Stromversorgers (die vor einigen Jahren noch fest eingeplante Marktöffnung ist derzeit auf unbestimmte Zeit verschoben). Drittens werden nicht nur die diversen erneuerbaren Energien subventioniert, sondern auch die Kernkraft und die Wasserkraft.
Die Lösung ist es, den Energiemarkt vollständig zu liberalisieren. Geschieht das nicht, läuft das Energiewesen Gefahr, der Landwirtschaft zu folgen und bis ins Detail von der Regulierung gesteuert zu werden. Grosse Energieversorger wie Axpo und Alpiq drohen zu marktfernen Holdings in Staatshand zu werden, deren Verluste mit immer neuen Subventionen gedeckt werden müssen. Den mittelgrossen Energieversorgern wie BKW, IWB oder EKZ wird es leicht gemacht, den Strom billig einzukaufen und dem ihrem Monopol ausgelieferten Kleinkonsumenten teuer zu verkaufen. Nicht zuletzt ist ein Business, das nur aufgrund von Subventionen funktioniert, keine echte Stütze der Schweizer Wirtschaft.
Dass die FDP ihre ablehnende Haltung zur Energiestrategie 2050 in letzter Minute verworfen hat, wird sich rächen: wer kurzfristige persönliche Gewinne einer freiheitlichen und vernünftigen Ordnungspolitik vorzieht, wird auf lange Frist vom liberalen Wähler abgestraft. Auch hier lohnt sich der Blick nach Deutschland. Die FDP versucht dort mühsam, wieder Glaubwürdigkeit aufzubauen und nicht mehr nur als Klientelpartei angesehen zu werden.