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Bitcoin passt zur Schweiz
Ronnie Grob, fotografiert von Daniel Jung.

Bitcoin passt zur Schweiz

Die freiheitlich, neutral und dezentral ausgerichtete Schweiz sollte sich für Bitcoin interessieren. Denn die Kryptowährung ist freiheitliches, neutrales und dezentrales Geld.

Artikel 2 der Bundesverfassung von 1848 lautete: «Der Bund hat zum Zweck: Behauptung der Unabhängigkeit des Vaterlandes gegen aussen, Handhabung von Ruhe und Ordnung im Innern, Schutz der Freiheit und der Rechte der Eidgenossen und Beförderung ihrer gemeinsamen Wohlfahrt.» Auf diesem Fundament wurde ein einst mausarmes und rückständiges Land zu einem der reichsten Länder der Welt. Seither hat die technische Entwicklung vieles geändert, und der damit einhergehende Fortschritt dreht immer schneller. Die Welt von heute ist viel vernetzter und internationaler als vor 175 Jahren und durch das Aufkommen des Internets auch weniger territorialgebunden. Gesetze gelten zwar nach wie vor lokal, doch Arbeit, Produktion und Kommunikation finden im Informationszeitalter zunehmend
global statt, und die Geschäftsmodelle sind internationalisiert.

Dieses neue Zeitalter hat in der Finanzkrise 2008/09 auch eine neue Art von Geld geboren: Bitcoin. Es hat keinen klaren Schöpfer, es wird von keiner zentralen Instanz herausgegeben. Es ist offen (und damit für alle zugänglich), transparent (und damit für alle überprüfbar), zensurresistent (und damit für alle frei nutzbar) sowie mengenbegrenzt und dezentral organisiert (und damit kaum zu manipulieren, weder von Staaten noch von multinationalen Unternehmen).

All diese Eigenschaften treffen zwar mehr oder weniger auch auf Gold zu, wie auch auf andere Edelmetalle. Doch Bitcoin ist praktischer als Gold und wie gemacht fürs Informationszeitalter: Zum einen eignet sich die kryptografisch gesicherte Währung auf kleinstem Raum zur Wertaufbewahrung von grössten Summen. Zum anderen eignet sich die unendlich teilbare Währung dazu, Kleinstbeträge zu überweisen, über das Lightning Network sekundenschnell wie bei Twint. Die beiden Grundansprüche, die im Alltag an Geld gestellt werden – der Nutzen als Wertbewahrungs- und Zahlungsmittel –, sind damit erfüllt.

Bitcoin passt aber auch zu den Werten, die mit der traditionell liberalen Schweiz verbunden werden:

1. Freiwilligkeit

Während für Banknoten und Münzen in Schweizer Franken hierzulande für jedermann eine gesetzliche Annahmepflicht besteht (vgl. S. 20), ist Bitcoin mit keinerlei Zwang verbunden. Die Nutzung bleibt freiwillig und somit auch friedlich: Wie ein aus freien Stücken eingegangener Vertrag kommt sie nur zustande, wenn sich beide Seiten einverstanden erklären. Bitcoin bietet sich lediglich an, zur monetären Infrastruktur für eine Welt zu werden, die ausschliesslich auf freiem Austausch und freier Zusammen­arbeit beruht. Und stattet den einzelnen mit den notwendigen Werkzeugen aus, so dass er frei von staatlicher Kon­trolle agieren kann. Wie Produkte und Unternehmen in ­einem freien Markt bleibt Bitcoin ein Angebot. Auch die Eidgenossenschaft ist eine Opt-in-Gesellschaft, in die man durch Heirat oder Einbürgerung eintreten kann.

2. Neutralität

Wie die Professoren Andrew Bailey und Craig Warmke in ihrem Paper «Neutral Money: Why Bitcoin Stands Apart» festhalten, ist Bitcoin neutral geboren, neutral in der laufenden Geldpolitik, neutral in der Übertragung. Bitcoin ist also wahrlich neutral und drängt sich niemandem auf. So wie die Schweiz, die lediglich ihre guten Dienste anbietet, um in internationalen Konflikten zu vermitteln. Womit sie das von US-Ökonom Murray Rothbard beschriebene Nicht­aggressionsprinzip verkörpert, gemäss dem keine Aggression, ob von einem Staat oder einem einzelnen ausgehend, eine moralische Rechtfertigung haben kann. Wie jeder ­Liberale will auch die Schweiz, dass ihre Unternehmen und Einwohner frei mit der ganzen Welt Handel treiben können und ansonsten in Ruhe gelassen werden.

3. Dezentralität

Keine zentrale Stelle kann Bitcoin dominieren. Praktisch bedeutet dies, dass keine der beteiligten Parteien je über die Mehrheit der Stimmenanteile verfügen wird, die für grundlegende Änderungen erforderlich ist. So wie die föderal organisierte Schweiz ein ausgeklügeltes System der Machtverteilung zwischen Bund, Kantonen und Gemeinden erarbeitet hat, so ist die Macht bei Bitcoin zwischen Minern, Node-Betreibern und Coin-Besitzern verteilt. Was in dem einen Fall nach den Regeln der Bundesverfassung geschieht, folgt bei Bitcoin den Regeln des unveränderlich eingeschriebenen Codes.

«Bitcoin bietet sich an, zur monetären Infrastruktur für eine Welt zu werden, die ausschliesslich auf freiem Austausch und freier Zusammenarbeit beruht.»

4. Stabilität

Während die Inflation lautstark zurückgekehrt ist, bleibt der Franken bemerkenswert stabil. Auch wenn ein Zehnrappenstück von 1879 viel von seiner Kaufkraft verloren hat, kann man noch heute damit bezahlen. Durch Stabilität zeichnet sich auch die Bitcoin-Infrastruktur aus, deren Uhr mit Schweizer Präzision tickt: Durchschnittlich alle zehn Minuten finden Miner einen neuen Block, der dann der längsten Kette der Blockchain hinzugefügt wird. Seit 14 Jahren nonstop. Und ein Ende ist nicht in Sicht. Ob derzeit für einen Bitcoin 1000 Franken bezahlt werden oder 100 000 Franken, wird viel diskutiert und ist im Alltag auch wichtig. Diese am Fiatgeld gemessenen Preisschwankungen sind derzeit unabwendbares Schicksal einer jungen Währung, deren Fahrplan zur Geldmengenausweitung für alle transparent, unveränderlich und auf 21 Millionen Stück beschränkt bleibt. Anders als bei den inflationären Fiatwährungen herrscht bei Bitcoin das Konzept der absoluten Knappheit. So bleibt ein Bitcoin verlässlich ein Bitcoin – stabiler geht es nicht.

Wie eine Verbindung gelingen könnte

Die Preisdiskussionen lenken jedenfalls von der Frage ab, welche langfristige Strategie man einschlagen will. Die Idee, den Kanton Zug als «Crypto Valley» zu vermarkten, war ein guter Schachzug. Nun ziehen Städte wie Lugano nach (vgl. S. 17). Tatsächlich haben schon jetzt viele Schweizer Firmen rund um Bitcoin ein Geschäftsmodell gefunden, beschäftigen Mitarbeiter, zahlen Steuern. Gelingt es der Schweiz, auf diesem Weg voranzuschreiten, wird sie zu einer Vorreiterin für Dienstleistungen im Krypto­bereich. Viel Luft nach oben haben hier insbesondere die Grossbanken, welche die Geld­revolution bisher fast komplett verschlafen haben – ihr Verhalten erinnert geradezu fatal an dasjenige der Zeitungsverlage vor dem Durchbruch des Internets.

Über die Bücher gehen sollte auch die Schweizerische Nationalbank (SNB). Sie hat auf ihrem Devisenberg 2022 einen Verlust von 132 Milliarden Franken erlitten. Will sie ihre Verlustrisiken reduzieren, muss sie ihre Währungsreserven weiter diversifizieren: weg von Euro, US-Dollar und anderen traditionellen Reservewährungen, denn das sind Anlagen, die in den kommenden Jahren allein durch die hohe Inflation jährlich 5 bis 10 Prozent ihres Werts verlieren dürften. Zudem stehen Staaten hinter diesen Währungen, die diese für ihre eigenen politischen Interessen einsetzen können. Als Alternative bietet sich neben dem Klassiker Gold die Innovation Bitcoin an. Ein diesbezüglicher Antrag ist bei der SNB-Generalversammlung 2022 eingegangen.1 Die SNB antwortete, sie sei technisch bereits in der Lage, Bitcoin zu kaufen, verzichte aber vorerst aus geldpolitischen Überlegungen darauf.

Wem klassische Schweizer Werte wichtig sind, sollte seine skeptische Haltung gegenüber dem Projekt des freien, neutralen, dezentralen, zensurresistenten Geldes überdenken und Bitcoin mit seinen speziellen Eigenschaften unvoreingenommen prüfen.

  1. In: «Schweizer Monat», April 2022: Herr Jordan, die Schweiz braucht eine neutrale Währung! schweizermonat.ch/herr-jordan-die-schweiz-braucht-eine-neutrale-waehrung/

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