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Big Business und Big Government

Mit dem Staat gemeinsame Sache zu machen, ist durchaus profitabel – für einige wenige. Das tun auch solche, die sich selbst «Unternehmer» nennen. Wie der Korporatismus funktioniert, zeigt Kultautorin Naomi Klein in ihrem neuen Buch. Eine Entgegnung an Roland Baader.*

Die kanadische Globalisierungskritikerin Naomi Klein gehört zu den an wenigen Fingern abzuzählenden Menschen der Gattung erfolgreicher Sachbuchautorinnen. Wie schon ihr Bestseller «No Logo», trifft auch ihr neuestes Werk «Die Schock-Strategie. Der Aufstieg des Katastrophen-Kapitalismus» auf erhebliche öffentliche Resonanz. Der Ökonom Roland Baader warnte in der letzten Ausgabe der «Schweizer Monatshefte» vor antikapitalistischen Reflexen in Kleins Argumentation: «Wie bei allem, was als Kult daherkommt, ist auch beim neuen Buch von Naomi Klein Skepsis angebracht.» Doch möglicherweise lässt sich diese Weisheit auch umdrehen: Wie bei allen kulturellen Erzeugnissen, die auf breite Zustimmung stossen, enthält auch das neue Buch von Naomi Klein einen bedenkenswerten Kern. Denn anders als von Baader kritisiert, ist es nicht die Marktwirtschaft, die Klein so entschieden angeht, es ist vielmehr der Korporatismus. Oder wie die Autorin selbst in einem TV-Interview sagte: «This collusion between big government and big business, this trading of favours between the two. You could call it crony capitalism, you could call it corporatism, but it’s certainly not the free market.»

Naomi Klein diskutiert in ihrem Werk die Strategie, politische und ökonomische Krisen zu nutzen, um staatliche Beteiligungen und Aktivitäten zu privatisieren. Natürlich klingt «Privatisierung» in liberalen Ohren dabei erst einmal sympathisch. Doch Klein erwirbt sich das Verdienst, genauer hinzuschauen und diese Strategie der Privatisierung am Beispiel etwa der USA, Russlands und Chiles unter die Lupe zu nehmen.

Dabei stellt sie fest, dass es in der Regel eine kleine Gruppe staatsnaher Investoren ist, die von den «Privatisierungen» im Rahmen der «Schock-Strategie» profitieren. Ihre Verbündeten in Politik und Verwaltung nutzen im Krisenfall schlicht die Gunst der Stunde, um hinter dem Rücken einer abgelenkten Öffentlichkeit staatliche Beteiligungen, oft unter Wert, zu verschachern – ein ausgesprochen profitables Geschäft für die Beteiligten. Und ein ausgesprochen anstössiger Fall staatlicher Privilegienwirtschaft.

Das hässliche Gesicht eben dieses Korporatismus ist es auch, das Naomi Klein kritisiert, wenn sie beschreibt, wie die heutige US-Regierung den Betrieb des Irak-Krieges «privatisierte». Im Rahmen dieser Privatisierung wurde tatsächlich kein Cent der beträchtlichen Militärbudgets eingespart – neu fliessen sie jedoch in die Taschen «privater» Unternehmen, wie Halliburton und Blackwater. Nicht zufällig zwei Unternehmen, die der Regierung personell eng verbunden sind. Kann es verwundern, dass diese Art des Geschäftsgebarens auf öffentliche Kritik stösst? Ein anderes Beispiel solcher «Privatisierungen» stellt das Russland der Nachwendezeit dar. In kürzester Zeit wurden hier Staatsunternehmen – in der Regel noch im Rahmen monopolistischer Strukturen – in die Hände staatsnaher Privilegienträger gereicht. Viele der so zu Vermögen gelangten Oligarchen können nur mit viel Phantasie als «Unternehmer» im herkömmlichen Sinne bezeichnet werden. Und tatsächlich findet sich dasselbe korporatistische Muster der Scheinprivatisierung an unzähligen weiteren Stellen – nicht zuletzt auch im heutigen China.

Naomi Kleins Kritik an der «Schock-Strategie» ist zwar berechtigt, doch ist sie alles andere als neu. Es ist seit langem bekannt (und in der Literatur auch belegt), dass Staatsführer Krisensituationen ausnutzen, um hinter dem Rücken der Öffentlichkeit politisch unpopuläre Projekte durchzusetzen – meist mit dem Ziel einer Ausweitung staatlicher Macht und Privilegien. Schon 1918 schrieb der amerikanische Publizist Randolph Bourne: «War is the health of the state.» Wie auch Baader feststellt, sind es daher vor allem «Libertarians», die mit Entschiedenheit die dem Muster der «Schock-Strategie» folgenden Massnahmen der US-Regierung im Nachgang zu 9/11 kritisieren. Dies ist nur konsequent; denn das Anliegen des entschiedenen Liberalismus – der von staatlicher Manipulation befreite Markt – ist das mächtigste Instrument zur Abschaffung und Kontrolle einseitiger Privilegien. Die korrekte Antwort auf Korporatismus und Privilegienwirtschaft kann daher nur lauten: persönliche Freiheit und Markt.

Liberale sollten nicht den Fehler begehen, Korporatismus als eine Art Variante der Marktwirtschaft zu verniedlichen. Letztlich kann es «ein bisschen Markt» so wenig geben wie «ein bisschen schwanger». Wenn also Naomi Klein mit vielen weiteren hellsichtigen Beobachtern die real existierenden Auswüchse und Exzesse des allgegenwärtigen Korporatismus kritisiert, dann tun Freunde der Marktwirtschaft ihrerseits gut daran, «antisozialistische Reflexe» abzulegen und diese Kritik zu unterstützen.

*Roland Baader: «Sie geben falschen Alarm, Naomi Klein». Schweizer Monatshefte, Nr. 962, S. 6–7.

Christan P. Hoffmann, geboren 1978, ist promovierter Ökonom und Assistent an der Universität St. Gallen.

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