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Bidens Abgang zum Trotz:
Die Welt braucht mehr alte Führungskräfte

Junge Politiker werden bejubelt. Doch echte Führungsstärke kommt oft erst mit den grauen Haaren. Ein Plädoyer für alte weise Männer.

Bidens Abgang zum Trotz:  Die Welt braucht mehr alte Führungskräfte
Frederik Willem de Klerk (links), der letzte Präsident Südafrikas zur Zeit der Apartheid, und sein Nachfolger Nelson Mandela in Philadelphia im Jahr 1993. Bild: Library of Congress, Prints & Photographs Division, Foto von Carol M. Highsmith [Reproduktionsnummer, LC-HS503- 5625].

Stellen Sie sich vor, Sie sässen in einem Flugzeug. Draussen braut sich ein Sturm zusammen. Wen möchten Sie lieber im Cockpit haben: einen jungen, frisch lizenzierten Piloten, dessen Enthusiasmus so strahlend ist wie die blinkenden Instrumente vor ihm? Oder einen erfahrenen Veteranen, der schon mehr Turbulenzen überstanden hat als die meisten von uns Flugmeilen gesammelt haben? Die Antwort liegt auf der Hand, und doch wählen wir in der Politik oft das jugendliche Versprechen und nicht die erfahrene Beständigkeit. Warum eigentlich?

Die Tatsache, dass sich ein 78-Jähriger und ein 81-Jähriger um die Präsidentschaft in den USA beworben haben, hat die Diskussion über Alterslimiten in der Politik neu entfacht. Auch die Schweiz setzt zunehmend auf die Jugend. Immer wieder wird versucht, das Wahlrechtsalter herabzusetzen, und die Stimmen, die behaupten, dass man in höherem Alter keine Politik mehr betreiben sollte, werden lauter.

Naive Selbstüberschätzung

Frisch und dynamisch, so stürmen junge Politiker auf die Bühne der Macht – voller Energie und mit Visionen, die sie ungestüm in die Welt tragen. Sie schnappen sich die Aufmerksamkeit und Begeisterung des Publikums, als wären sie die ersten, die jemals innovative Ideen hatten. Doch wie die Begeisterung bei einem One-Hit-Wonder in den Charts verfliegt, so verschwindet auch der Hype um diese jungen Wilden oft ebenso rasch, wie er gekommen ist.

«Wie die Begeisterung bei einem One-Hit-Wonder in den Charts verfliegt, so verschwindet auch der Hype um die jungen Wilden oft ebenso rasch, wie er gekommen ist.»

Warum? Weil junge Anführer, getrieben von überzogenen Erwartungen und einer oft naiven Selbstüberschätzung, auf den harten Boden der politischen Realitäten prallen. Unerfahrenheit, mangelnde Demut und die unvermeidliche Konfrontation mit der korrumpierenden Kraft der Macht lassen viele von ihnen straucheln und fallen. Junge Politiker wie Jacinda Ardern (wurde mit 37 Jahren Premierministerin), Justin Trudeau (44) und Emmanuel Macron (39) starteten als strahlende Hoffnungsträger. Ihr Stern ging schnell auf und sank ebenso rasch wieder.

Im scharfen Kontrast dazu stehen Persönlichkeiten wie Nelson Mandela (wurde mit 75 Jahren als Präsident gewählt und trat als 80-Jähriger ab), Winston Churchill (regierte ebenfalls bis 80), Golda Meir (75) oder Ronald Reagan (77). Diese älteren Staatslenker haben über Jahre hinweg gezeigt, dass echte Führungsstärke oft das Ergebnis von Lebenserfahrung ist – durch Rückschläge weiser geworden, durch Krisen gestählt und mit der Gelassenheit ausgestattet, die nur die Zeit bringen kann. Ihre Geschichten sind geprägt von Tiefe, Weisheit und stoischer Ruhe.

Diese erfahrenen Staatsmänner und -frauen unterschieden sich von den jüngeren Politikstars durch ihre Fähigkeit, grosse Krisen mit einer Mischung aus Klugheit, Geduld und einer Prise Demut zu meistern. Ihre Karrieren lehren uns, dass wahre Führungskraft nicht im jugendlichen Feuer, sondern in der Asche der Erfahrung geschmiedet wird. Während junge Politiker oft schnell aufsteigen und ebenso schnell fallen, hinterlassen diese Giganten der Geschichte dauerhafte Fussabdrücke im Sand der Zeit.

Ein reicher Schatz an Fehlern

Zugespitzt gesagt: Echte Führungsstärke kommt oft erst mit den grauen Haaren. Der korrumpierende Einfluss der Macht und die mangelnde Erfahrung junger Führer können zu politischen Fehlentscheidungen führen, die nicht nur ihre Karrieren, sondern auch das Wohl der von ihnen geführten Nationen beeinträchtigen können. Die Geschichte ist voll von jungen Hoffnungsträgern, deren Ambitionen und Idealismus von den rauen Winden der politischen Realität zerstreut wurden. Ähnliche Erkenntnisse zeigen sich übrigens auch in der Start-up-Szene. Studien belegen, dass ein 60-Jähriger, der ein neues Unternehmen gründet, mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich ist als ein 30-Jähriger.

«Studien belegen, dass ein 60-Jähriger, der ein neues Unternehmen

gründet, mit dreimal höherer Wahrscheinlichkeit erfolgreich ist als ein 30-Jähriger.»

Ein wesentlicher Unterschied zwischen jungen und älteren Anführern liegt darin, dass ältere Führer aufgrund ihrer längeren Lebenserfahrung in den verschiedensten Bereichen des Lebens mehr Fehler gemacht haben. Diese umfangreiche Erfahrung im Umgang mit Fehlern, die jungen Politikern oft fehlt, vermittelt nicht nur wertvolle Lektionen, sondern fördert auch eine notwendige Demut.

Wenn es um Altersgrenzen geht, sollte sich die Diskussion somit eher um ein Mindestalter drehen als um eine Obergrenze. Kognitive Leistungsfähigkeit spielt zweifellos eine Rolle, doch ist diese unabhängig vom Alter individuell unterschiedlich. Der vorherrschende Jugendwahn in der Politik muss hinterfragt werden.

Es ist höchste Zeit, unsere Perspektive zu ändern. Wir sollten die Jugend fördern und ermutigen, aber die Führung der Welt jenen überlassen, die durch Jahrzehnte der Lebens- und Berufserfahrung das notwendige Rüstzeug mitbringen. Nur so können wir sicherstellen, dass unsere Führungskräfte wirklich bereit sind, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern und unsere Gesellschaft verantwortungsvoll in die Zukunft zu führen. Ein Hochschulabschluss und ein dynamischer Auftritt allein reichen nicht aus, um ein umsichtiges Staatsoberhaupt zu sein.

Lassen wir uns nicht von der Illusion leiten, dass jünger immer besser bedeutet. Die Führung in jungen Händen ist historisch gesehen nicht besonders erfolgversprechend. Die Welt braucht mehr alte Füchse, die durch Weisheit, nicht durch blosse Energie führen.

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