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Bewusst unbewusst

Aktive Mitglieder der Leistungsgesellschaft streben danach, produktiv zu sein. Die Leute verbringen ihre Zeit in unerträglichen Sitzungen, nur um etwas – nein immer mehr und mehr – für sich herauszuschlagen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich selbst verstehe mich als eine Königin dieser Disziplin. Wenn ich bis zum Ende des Tages meine to-do-Liste nicht abgearbeitet […]

Aktive Mitglieder der Leistungsgesellschaft streben danach, produktiv zu sein. Die Leute verbringen ihre Zeit in unerträglichen Sitzungen, nur um etwas – nein immer mehr und mehr – für sich herauszuschlagen. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich selbst verstehe mich als eine Königin dieser Disziplin. Wenn ich bis zum Ende des Tages meine to-do-Liste nicht abgearbeitet habe, fühlt sich das an, als hätte ich eine Schlacht verloren. Wer keinen Nutzen generiert, vergeudet sein Leben – so oder doch zumindest ähnlich lautet die Devise vieler Zeitgenossen, und mehr noch: Wer mehr Nutzen generiert, so die Hoffnung, kann sich auch mehr leisten. Sprich: luxuriöser leben. Einverstanden. Aber was ist eigentlich der ultimative Luxus? Besteht er aus materiellem Überfluss – oder aus immaterieller Freiheit?

Vielleicht bedeutet Luxus, einfach wieder mal spazieren zu gehen, ohne eine tickende Uhr im Kopf, ohne Ziel und ohne direkten Nutzen. Diese Haltung jedenfalls pflegt ein befreundeter Künstler. Er hat als Maler kein klares Ziel vor Augen, wenn er sein Werk erschafft. Es entwickle sich, sagt er. Je weniger er sich vom potentiellen Nutzen oder einer ausgefeilten Strategie leiten lässt, desto grösser ist seine geistige Freiheit im Erschaffen. Und ich glaube, er hat recht: Je weniger er an den kommerziellen Wert und den Nutzen denkt, desto höher ist auch die Wahrscheinlichkeit, dass sein Bild tatsächlich ein Kunstwerk wird – und nicht nur ein Produkt.

Auch als Nichtkünstler brauchen wir uns keineswegs in einen Produktivitätskerker einzuschliessen. Ein Grossteil unseres kreativen Leistungsvermögens liegt, so die Wissenschaft, im Unterbewussten. Und es liegt brach. Ich glaube, die Fähigkeit loszulassen, ab und zu unser Unterbewusstsein das Ruder übernehmen zu lassen (und geistigen Urlaub von unseren selbst auferlegten Verpflichtungen zu nehmen), kann ganz unerwartete, aber willkommene produktive Blüten treiben. Produktivität als Dogma taugt dagegen nichts. Ohne Musse ist sie nicht mehr als grauer Aktionismus.

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