Bessere Vorsorge dank weniger Vorschriften
Die übervorsichtige Regulierung der zweiten Säule führt zu Renteneinbussen. Es braucht flexiblere Regeln für die Anlage und Verzinsung der Sparkapitalien.
Sollen die Anlageregeln für Pensionskassen gelockert werden?
Lesen Sie den Contra-Text von Hanspeter Konrad hier.
In der zweiten Säule soll jede Person ohne Umverteilung für sich sparen und vorsorgen. Dies im Gegensatz und in Ergänzung zur AHV-Umverteilungsmaschine. Die Daseinsberechtigung der zweiten Säule wird technisch und politisch jedoch unterwandert. Mit immer mehr Umverteilungsmechanismen wird die zweite Säule der ersten Säule ähnlicher. Ein Grund ist der willkürlich tiefe technische Zinssatz. Die Pensionskassenexperten, die jährlich den technischen Zinssatz vorgeben, greifen dabei auf «Voodoo-Formeln» zurück (Zitat eines ehemaligen Präsidenten der Schweizerischen Kammer der Pensionskassenexperten); konkret wird die gleitende Durchschnittsrendite 10jähriger eidgenössischer Staatsanleihen zuzüglich eines Zuschlags von 2,5 Prozent verwendet.
Der technische Zinssatz wurde seit 2002 von 4 auf 1,75 Prozent gesenkt. Dies hat die Pensionskassen rund 22 Prozent Deckungsgrad gekostet. Damit führt der niedrige Satz zu grosser, im System nicht vorgesehener Umverteilung von jung zu alt und zu sinkenden Umwandlungssätzen. Daraus resultieren Renteneinbussen von mehr als 30 Prozent, wovon nur die Hälfte durch die höhere Lebenserwartung gerechtfertigt ist. Auch motiviert der Bundesrat mit der Vorgabe des Mindestzinses für die Sparkapitalien die Pensionskassen zu niedrigen Zinsgutschriften. Der Mindestzins wurde von 2002 bis 2017 von 4 auf 1 Prozent gesenkt. Die niedrigere Verzinsung reduziert das Sparkapital nach 40 Jahren um rund 44 Prozent.
Weiterentwicklung der Anlagestrategien
Die Anlagestrategie als dritter Beitragszahler sollte die Hälfte des Kapitals beisteuern, das dem Versicherten bei Eintritt ins Rentenalter zur Verfügung steht. Dazu muss das Alterssparkapital jährlich mit 4 Prozent verzinst werden. Seit 2002 erwirtschafteten die Pensionskassen gemäss dem CS-Pensionskassenindex eine jährliche Rendite von 4,25 Prozent. Natürlich schafften sie das nicht mit Obligationen. Die Anlagestrategien müssen angesichts von Negativzinsen und negativen Obligationenrenditen laufend weiterentwickelt werden, um bei angemessenen Anlagerisiken eine ausreichende Rendite zu erzielen. Ein Hindernis für dieses Ziel ist die BVV2-Verordnung, welche die Anteile bestimmter Anlagekategorien, die Pensionskassen halten können, begrenzt. Überschreitet eine Kasse die Begrenzungen, muss sie dies im Anhang der Jahresrechnung schlüssig darlegen. Diese Vorschrift suggeriert bei einigen Stiftungsräten fälschlicherweise ein unkorrektes Vorgehen, wenn Begrenzungen überschritten werden. In der Praxis sind vor allem Immobilien, alternative Anlagen und Aktien betroffen. Eine Reduktion der Einschränkungen würde eine bessere Verzinsung ermöglichen und wäre damit im Sinne der Versicherten.
Der Zinseszinseffekt wird oft verkannt. Eine jährliche Mehrrendite von 1 Prozent führt zu einem rund 25 Prozent höheren Alterskapital bei der Pensionierung. Der Preis einer ertragsstärkeren Anlagestrategie ist der Aufbau einer höheren Zielschwankungsreserve. Die Verzinsungspolitik könnte vorsehen, dass die Sparkapitalien bei Unterdeckung nicht verzinst und bis zum Erreichen der Zielreserve mit der halben Anlagerendite, mindestens aber mit 1 Prozent verzinst werden. Nach Erreichen der Zielreserve kann die erzielte Rendite verzinst werden.
Eine Flexibilisierung der Vorschriften ist auch beim technischen Zinssatz angezeigt. Als versicherungsmathematische Grösse zur Verzinsung der Rentenkapitalien sollte er langfristig möglichst stabil gehalten werden, weil eine Senkung unmittelbar zu einer Umverteilung von Aktiven zu Rentnern führt und die Rentensicherheit zerstört. Eine Lösung wäre, den technischen Zinssatz für jede Kasse anhand der langfristigen Renditeerwartung ihrer Anlagestrategie festzulegen. Damit würde die Anlagestrategie als wichtigster Erfolgsfaktor konsequent ins System eingebunden. Mehrheitlich würde der Zinssatz zum Wohl der Versicherten steigen.
Flexiblere Vorschriften würden es Pensionskassen ermöglichen, für ihre Versicherten ein höheres Alterskapital aufzubauen, ohne die Rentensicherheit zu gefährden. Damit würde auch die systemwidrige Umverteilung in der zweiten Säule gebremst.