Bekomme auch ich bald Besuch von der Polizei?
Meinungsführer in Politik und Medien haben oft Mühe mit Widerspruch. Sie überziehen Andersdenkende gerne mit hanebüchenen Vorwürfen – oder verbieten ihnen gleich den Mund.
Es ist Mittwochmorgen. Ich lese auf meinem Handy die Schlagzeile auf Nius.de und traue meinen Augen nicht: «Weil er Habeck ‹Schwachkopf› nannte: Hausdurchsuchung im Morgengrauen wegen Volksverhetzung» – Bitte was?
Ein deutscher Rentner hatte ein Meme mit dem Porträt von Vizekanzler Robert Habeck und dem Schriftzug «Schwachkopf Professional» gepostet, im Stil der Haarkosmetikmarke «Schwarzkopf». Dafür bekam er Besuch von der Polizei. Später stellte sich heraus, dass Agenturen im Auftrag von Habeck das Netz nach Beleidigungen durchforsten und der Vizekanzler die Anzeige selbst unterschrieben hatte.
«Ein deutscher Rentner hatte ein Meme mit dem Portrait von Vizekanzler Robert Habeck und dem Schriftzug ‹Schwachkopf Professional› gepostet. Dafür bekam er Besuch von der Polizei.»
Die Nius.de-Journalistin besuchte den Rentner persönlich. Auf mich wirkte er so putzig, dass ich auf X schrieb, wenn wegen ihm die Demokratie in Gefahr sei, dann lebten wir wahrlich auf einem Ponyhof.
Herrschende Klasse oder Untertanin?
Die Demokratie ist in Gefahr! Seit der erneuten Wahl von Donald Trump ist das der Grundtenor der etablierten Medien, auch in der Schweiz. Doch wer genau bestimmt, wie böse Trump, Musk und deutsche Rentner sind? Während des US-Wahlkampfs geriet ich in Online-Diskussionen mit ein paar Journalisten und Meinungsmachern. Was dabei herauskam, war ziemlich erhellend.
Die Gefahr für die Demokratie wird ziemlich grossgeschrieben. Wenn es nach dem Journalisten Matthias Schüssler vom «Tages-Anzeiger» geht, bin ich auch eine Gefährderin. In einer Diskussion auf X zur Frage, weshalb Themen wie Twitter-Files, RKI-Files oder der Laptop von Joe Bidens Sohn Hunter in gewissen Medien kaum zur Sprache kämen, verlinkte Schüssler unter meinem Post einen Artikel, in dem Elon Musk als frauenfeindlich dargestellt wird.
Der Trigger-Satz, den Musk weiterverbreitet hatte und der im Artikel zitiert wurde, lautete: «Menschen, die sich nicht physisch verteidigen können (Frauen und Männer mit niedrigem Testosteron), analysieren Informationen durch einen Konsensfilter, um sich zu schützen.»
Ich antwortete, dass diese Sichtweise mit meiner 24-jährigen Berufserfahrung übereinstimme. Und dass ich nicht glaube, dass Musk frauenfeindlich sei, denn Linda Yaccarino, die er zum CEO von X ernannt hat, sieht, soweit ich das beurteilen kann, wie eine erwachsene weibliche Person aus, was noch vor wenigen Jahren unumstritten als Frau galt.
Schüssler meinte darauf, dass ich mit dieser Ansicht «die Gleichberechtigung und Demokratie ablehne» und «eine autoritäre Staatsform wünsche». Und fragte mich, ob ich «dann zur herrschenden Klasse oder zu den Untertanen gehören würde».
Läck Bobby, das musste ich erst einmal sacken lassen. Warum glaubt Schüssler, dass sich jemand wie ich nun entscheiden muss, zu den Untertanen oder zu den Herrschern zu gehören?
Männer mit dünner Haut
Am Tag vor den Wahlen in den USA blockierte mich der stellvertretende Chefredaktor des «Blicks», Fabian Eberhard, auf LinkedIn, bevor es überhaupt zu einer Diskussion kam. Ich konterte dort einen Post, in dem er Trump für unwählbar erklärte, weil dieser an einer Kundgebung über «Schüsse auf Journalisten» witzelte.
Das von Eberhard geteilte Video untermauerte seine Aussage allerdings nicht. Stattdessen war deutlich zu hören, wie Trump sagte: «Hier ist dieses Glas … Wenn man mich hier erschiessen will, dann muss man das über die Fake-News-Medien machen. Das würde mich wenig stören.» Daraus machte der stellvertretende Chefredaktor: «Er witzelte über Schüsse auf Journalisten und Journalistinnen.»
Kann man machen, meinte ich, aber dazu muss man ausblenden, dass a) tatsächlich auf Trump geschossen wurde, b) die Medien die Schüsse damals heruntergespielt haben und c) dass Trump sich hier verbal revanchierte. Doch dieser Einwand war schon zu viel für Eberhard.
Ob Habeck, Schüssler oder Eberhard: Sie haben eine ziemlich dünne Haut, wenn es um andere Meinungen geht, oder sehen die anderen Meinungen tatsächlich als Gefahr. Anders kann man die Reaktionen kaum einordnen.
Solange diese Meinungsführer in Politik und Medien so ein enges Meinungsspektrum zulassen wollen, gibt es für Andersdenkende wenig Möglichkeiten, sich Gehör zu verschaffen. Humor und Provokation sind oft der letzte Ausweg, um nicht ganz still zu resignieren.