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Bekenntnis zur Provinzialität

Bekenntnis zur Provinzialität

Gerhard Schwarz: Die Schweiz hat Zukunft. Von der positiven Kraft der Eigenart.

 

Nach dem Scheitern des Rahmenvertrags mit der EU hat Selbstzweifel in der Schweiz wieder einmal Hochkonjunktur. Erfrischend wirkt da die Perspektive von Gerhard Schwarz in «Die Schweiz hat Zukunft». Der gebürtige Vorarlberger, der 1969 zum Studium in die Schweiz kam und später als Paris-Korrespondent tätig war sowie die NZZ-Wirtschaftsredaktion leitete, verbindet die Innensicht auf die helvetischen Institutionen mit dem Blick fürs grosse Ganze. Und der macht deutlich, dass es in der Europapolitik eben nicht nur um 6-Tage-Regeln oder ­Sozialhilfe für EU-Bürger geht, sondern dass zwischen Bern und Brüssel zwei unterschiedliche Staatsverständnisse aufeinandertreffen. Das Schweizer System basiert auf einer genossenschaftlichen Idee: Demnach gestalten die Bürger den Staat von ­unten nach dem Prinzip der Subsidiarität. Dem steht das Top-down-Denken in der EU diametral entgegen.

Schwarz beschränkt sich indes nicht auf die Beschreibung institutioneller Eigenarten der Schweiz (wie Föderalismus, Milizsystem oder Konkordanz), sondern macht konkrete Vorschläge für deren Weiterentwicklung. Wer seine früheren Publikationen kennt, dem wird vieles davon bekannt vorkommen. Nicht alle Vorschläge überzeugen gleichermassen. So fragt man sich, warum ein Verfechter der direkten Demokratie für eine Erhöhung der Unterschriftenhürde bei Volksinitiativen eintritt, die das Gewicht organisierter Interessengruppen ausweiten würde. Auch ist fraglich, ob der Vorschlag eines staatlich vorgeschriebenen «Bürgerdienstes» aus liberaler Sicht sinnvoll ist, um das Milizsystem zu retten.

Andere Ideen sind durchaus innovativ. So schlägt Schwarz vor, im Sozialsystem Objekt- durch Subjekthilfe zu ersetzen und für die Einführung neuer Steuern ein qualifiziertes Mehr zu verlangen. Im Kern geht es ihm darum, sich als Land zum Fortschritt zu bekennen, ohne seine Eigenart aufzugeben. Oder anders gesagt: Die Schweiz soll «zwar zu ihrer Provinzialität stehen, aber sich zugleich jeglichem Provinzialismus ver­sagen». Vielleicht nicht der schlechteste Leitgedanke im Hinblick auf die künftigen Beziehungen zur EU.


Gerhard Schwarz: Die Schweiz hat ­Zukunft. Von der positiven Kraft der Eigenart. Zürich: NZZ Libro, 2021.

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