(0) Bedrohung und Behauptung westlicher Werte
Einmal mehr hat der Verein für Zivilgesellschaft Exponenten aus Politik, Wirtschaft und Kultur nach Ermatingen am Bodensee eingeladen. In bewusster Abgeschiedenheit und strukturiert in sechs Arbeitsgruppen, wurde Ende Oktober die Frage diskutiert, ob die westlichen Werte durch die aktuellen Entwicklungen herausgefordert seien. Der nachstehenden Einführung durch den Gastgeber und Präsidenten des Vereins folgt auf den anschliessenden Seiten eine Übersicht der wichtigsten Wegmarken und Ergebnisse. (red)
Wenn man über Werte diskutiert, sind Strenge und Vorsicht geboten. Es ist zu einfach, den Wertediskurs aufgrund reiner Gewohnheiten und geläufiger Vorurteile zu führen und das Hergebrachte – die «gute alte Welt» – zu bevorzugen. Noch häufiger wird der Weg der Bagatellisierung und Banalisierung gewählt, der unvermeidlich zur Relativierung der Werte führt. Die Auffassung, dass letztlich alles gleichgültig sei, ist manchmal der Vorwand für die fehlende Bereitschaft, uns zugunsten der wirklich entscheidenden Werte anzustrengen oder gar Opfer für sie zu erbringen. Man vertuscht so mit einer vermeintlichen Überlegenheit eine offensichtliche Schwäche.
In diese zwei Fallen ist unsere Debatte nicht getappt. Begriffe wie Toleranz, Modernität und Universalität zogen sich wie ein roter Faden durch die Werte-Diskussionen. Toleranz, die keine Ausrede für Schwäche und Furcht sein darf, muss zur prägenden Überzeugung werden, die uns erlaubt, mit Überlegenheit, Standhaftigkeit, Ausgeglichenheit und fern von Rachegelüsten auf die Provokationen der Intoleranten zu reagieren. Man braucht den Popperschen Grundsatz nicht zu verlassen: Toleranz kann uns nicht zwingen, die Intoleranz der anderen zu dulden.
Modernität – auch dies ein Zentralbegriff eines der Referate – entwickelt sich parallel zum wissenschaftlichen Fortschritt und gegen die archaischen Widerstände, die uns den Hoffnungshorizont verstellen.
Universalität soll uns nicht vergessen lassen, was etwa in der Arbeitsgruppe «Amerika und Euro-pa» thematisiert wurde: dass gleiche Werte auch ungleiche Inhalte haben und über unterschiedliche Zugangswege erreicht werden können.
Wie bekannt, wollen unsere Kolloquien keine Beschlüsse fassen und keine allgemein gültigen Rezepte und Lösungen liefern. Vielmehr wollen sie anregen und informieren, darüber hinaus den Teilnehmern die Möglichkeit bieten, andere Auffassungen und Standpunkte zu hören und darüber zu debattieren. Insbesondere sollen sie uns weitere Argumente liefern, um unsere Verantwortung im Rahmen der Zivilgesellschaft besser wahrzunehmen. Dieser Verpflichtung sind wir auch diesmal nachgekommen.