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Bares ist Wahres

Besuch bei der Schweizerischen Nationalbank. Ökonom Thomas Moser kennt sich gut aus mit Kryptowährungen und sagt: Die meisten ihrer Vorteile gegenüber Fiatwährungen halten einer genaueren Überprüfung nicht stand. Einen 100jährigen Vertrauensvorsprung mache man nicht so leicht wett.

Bares ist Wahres
Thomas Moser, zvg.

Herr Moser, was bedeutet Ihnen Geld?
Geld gibt uns Wahlmöglichkeit, Unabhängigkeit und insofern Freiheit. Es ist ein Mittel, mit dem wir uns beschaffen können, was wir brauchen oder haben möchten.

Was ist Geld?
Geld ist – genauso wie zum Beispiel Kunst – eine soziale Konvention: Geld ist, was allgemein als Geld akzeptiert wird. Heute sind das die Münzen und Banknoten in Ihrer Brieftasche und die Sichtguthaben auf Ihrem Bank- oder Postkonto. Mit diesen drei «Dingen» können Sie bezahlen. Geld erfüllt drei Funktionen: es dient als Tauschmittel, als Rechnungseinheit und als Wertaufbewahrungsmittel. In der Praxis kann die Funktion der Rechnungseinheit aber auch von den anderen zwei Funktionen getrennt sein, vor allem wenn Preisstabilität fehlt. Das war historisch verschiedentlich der Fall, im Altertum und Mittelalter, in Hochinflationsländern der 1970er und 1980er Jahre wie zum Beispiel Chile, und aktuell ist das auch bei Kryptowährungen wie Bitcoin so: Es kann zwar mit Bitcoin an verschiedenen Orten bezahlt werden, die Preise werden aber nicht in Bitcoin, sondern in Franken, Euro oder Dollar angegeben, und die Umrechnung in Bitcoin erfolgt im
Zeitpunkt der Bezahlung zum gerade geltenden Wechselkurs.

Apropos Hochinflation: Halten Sie es für möglich, dass sich Krypto­währungen in Ländern ohne zuverlässige Geldpolitik durchsetzen?
Wenn das Vertrauen in die Zentralbank und in den Staat genügend erschüttert ist, durchaus. Die erste Reaktion ist in der Regel allerdings das Ausweichen auf eine andere Landeswährung, üblicherweise auf den US-Dollar. Das ist etwa in Ecuador in den 1990ern passiert. Wenn der Staat den Erwerb ausländischer Währungen mit Devisenkontrollen erschwert, wie derzeit in Venezuela, oder wenn die Gefahr besteht, dass der Staat Bankguthaben konfisziert, dann können Kryptowährungen eine attraktive Alternative sein. Wäre ich in Venezuela, würde ich mein Vermögen wahrscheinlich auch in Bitcoin umwandeln. Selbst Kryptowährungen, die sich nicht wie Tether 1:1 an den USD binden, sondern einer einfachen technologiebasierten Regel folgen, sind im Vergleich zur venezolanischen Inflation von 6000 Prozent wertbeständig.

Welcher Gedanke steht hinter Kryptowährungen?
Kryptowährungen haben ihren Ursprung in der Idee, ein Geld­system ohne staatliche Behörden, Zentralbanken und Banken zu schaffen. So kommt die erste Kryptowährung, Bitcoin, auch aus Anarchistenkreisen. Die Idee ist diese: der Staat, das staatliche Rechtssystem und die Zentralbank werden durch eine allen zugängige Software ersetzt, welche die Regeln festlegt, auch wie viel Geld geschaffen wird und wie es in Umlauf kommt.

Sind Kryptowährungen also vertrauenswürdiger als von Zentralbanken beeinflusste Fiatwährungen?
Kryptowährungen werden oft als «Non-Trust-Based»-System bezeichnet. Doch das stimmt natürlich nicht: Ich muss, erstens, Vertrauen in die Technologie haben. Sie ist nicht in Stein gemeisselt, sondern muss dauernd angepasst und verbessert werden. Das braucht in der Praxis aber sehr viel technisches Wissen und Zeit; deshalb hat sich für jede Kryptowährung ein Team von wenigen Kernentwicklern gebildet. Insofern brauche ich also, zweitens, Vertrauen in diese Kernentwickler. Sie könnten die Software umschreiben, die Regeln für das Geldmengenwachstum können geändert werden. Für die meisten von uns, die technisch nicht versiert genug sind, um den Quelltext der Software und die Arbeit der Entwickler zu beurteilen, spielt letztlich der Leistungsausweis und damit die Erfahrung, die man mit diesen Währungen macht, eine Rolle. Die Schweiz und die Nationalbank haben über mehr als 100 Jahre hinweg bewiesen, dass sie den Wert des Frankens stabil halten können. Kryptowährungen sind neu und haben noch keinen solchen Leistungsausweis. Zudem gilt das von der Nationalbank geschaffene Geld als gesetzliches Zahlungsmittel, was garantiert, dass man damit zumindest immer die Schulden gegenüber dem Staat, wie zum Beispiel die Steuerschulden, begleichen kann. Bei Kryptowährungen fehlt eine solche Garantie. Es könnte passieren, dass eine Kryptowährung plötzlich von niemandem mehr akzeptiert wird, wodurch sie völlig wertlos würde. Es geht also immer noch um Vertrauen. Die Frage ist simpel: vertraut man lieber dem Rechtsstaat und den Zentralbanken oder der Krypto-Community und der Technologie?

«Kryptowährungen sind ein Phänomen der Spekulation», sagte SNB-Chef Thomas Jordan kürzlich gegenüber SRF. Sehen Sie das auch so?
Ja. Kryptowährungen sind heute klar ein Spekulationsobjekt. Für die Nischengruppe, die ein Geldsystem ohne Staat und Banken will, erfüllen Kryptowährungen ihren Zweck als Geld. Mit dem starken Preisanstieg von Bitcoin ist aber ein Spekulationsfieber ausgebrochen, und die meisten Käufer von Kryptowährungen in den letzten zwei Jahren haben diese wohl eindeutig in der Hoffnung auf Spekulationsgewinn erworben. Die Preisentwicklung von Bitcoin und die extreme Volatilität gegenüber Fiatwährung widerspiegeln das ebenfalls.

Geringere Transaktionskosten, sofortige Überweisungen, Globalität, kein zentraler Intermediär, Kontrolle der Überweisungen auf der Blockchain für alle. Ist Kryptogeld dem Fiatgeld nicht in diversen Belangen überlegen?
Abgesehen davon, dass Kryptowährungen als cool gelten, sind die potenziellen Vorteile gegenüber den bereits bestehenden Möglichkeiten gering, vor allem in bezug auf den inländischen Zahlungsverkehr, wo die Transaktionskosten tief und die Zahlungsabwicklung während der Betriebszeiten eher schneller sind. Grössere Vorteile ergeben sich im grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr, bei dem das Bankensystem tatsächlich relativ teuer und langsam ist. Einige Fintech-Firmen arbeiten aber an diesem Problem und bringen somit Verbesserungen für Zahlungen mit Fiatgeld. Die dezentrale Buchführung über die Blockchain hat den Vorteil, dass es keine zentrale Intermediäre braucht, wodurch das System extrem ausfallresistent ist. Diese hohe Resistenz wird aber durch sehr hohe Redundanz erreicht, die das System wiederum ineffizient macht: Wenn ich mit Bitcoin einen Kaffee kaufe, müssen alle Bitcoin-Teilnehmer auf der ganzen Welt ihr Kontobuch aktualisieren.

Das müssen Sie mir etwas genauer erklären.
Die Bitcoin-Kontobücher, die sogenannten Ledger, werden vollkommen dezentral verwaltet. Jede Transaktion, also auch mein Kaffeekauf, muss in jedem einzelnen Ledger abgebildet werden. Wenn Sie die Bitcoin-Idee wirklich ernst nehmen, dann müssen Sie zudem die gesamte Transaktionsgeschichte von der ersten Transaktion 2008 bis heute herunterladen. Das ist vom Speicher- und Rechenbedarf her sehr aufwendig und ineffizient und deshalb praktisch nicht skalierbar.1 Natürlich gibt es dafür Lösungen: man kann nur noch einen Teil des Ledgers herunterladen, Transaktionen ausserhalb der Blockchain abwickeln oder auf Dienstleister zurückgreifen. Das widerspricht dann allerdings der Idee des Bitcoins. Man wollte ja eben genau nicht noch irgendeinen Intermediär dazwischen haben, und man wollte, dass alle Teilnehmer sämtliche Transaktionen nachverfolgen können. In Wirklichkeit passiert das, was in einer Wirtschaft nun mal passiert: Intermediäre bieten Dienstleistungen an und es gibt Zentralisierungstendenzen. Das gilt auch fürs Mining: der ganze Prozess wird von etwa einem halben Dutzend Mining-Pools beherrscht. Von der ursprünglichen Idee der dezentralisierten, basisdemokratischen Geldschaffung ist man also weit entfernt.

Gibt es weitere Nachteile?
Die hohe Transparenz der Blockchain kann in Zeiten von Big Data problematisch sein: Unternehmen könnten die Daten auswerten und zur gezielten Preisdiskriminierung oder Beeinflussung von Kunden verwenden. Dazu müssen sie nicht einmal unbedingt die wahre Identität des Kunden kennen. Als Beispiel: wenn Firma X sieht, dass auf ein elektronisches Wallet Y ein hoher Lohn bezahlt wird, werden sie versucht sein, von Wallet Y einen höheren Preis für ihre Produkte zu verlangen, weil sie wissen, dass Wallet Y sich mehr leisten kann. Firma X kann auch das ganze Konsumverhalten und Investitionsverhalten von Wallet Y analysieren, wenn alles frei einsehbar auf der Blockchain ist.

Eines der wichtigsten Argumente für Zentralbanken ist die Stabilität der Preise, die sie mit ihren Eingriffen garantieren. Wird das ein dezentrales Netzwerk wie der Bitcoin jemals können?
Es gibt tatsächlich auch Ökonomen, die fragen: Ist eine aktive Geldpolitik («Managed Currency») überhaupt wünschenswert? Oder wäre ein konstantes (oder gar kein) Geldmengenwachstum besser? Wer das glaubt, wird die starren geldpolitischen Regeln von Kryptowährungen für die bessere Lösung halten. Beim Bitcoin zum Beispiel nimmt die Geldmenge alle 10 Minuten um einen bestimmten Betrag zu, wobei dieser Betrag etwa alle vier Jahre halbiert wird, bis irgendwann im Jahr 2140 eine fixe Obergrenze erreicht und kein zusätzliches Geld mehr geschaffen wird. Die Mehrheit der Ökonomen vertritt jedoch die Ansicht, eine gute aktive Geldpolitik wirke stabilisierend auf Preise und Konjunktur. Es ist zwar theoretisch denkbar, eine Kryptowährung mit einer besseren geldpolitischen Regel zu programmieren, die analog zur Geldpolitik einer Zentralbank Preisstabilität und Konjunkturglättung bringt. Dazu müssten alle Informationen verwendet werden, die auch eine Zentralbank bei ihren Entscheiden nutzt. In der Praxis dürfte es aber auf absehbare Zeit kaum möglich sein, eine Regel zu definieren, die auf alle Eventualitäten, also auf alle strukturellen Veränderungen und unvorhergesehenen Ereignisse, besser reagiert als eine Gruppe informierter Menschen. Ich muss allerdings zugeben: Dasselbe wurde noch vor wenigen Jahren über selbstfahrende Autos gesagt. Auch dort ist man zwar noch nicht am Ziel, die Fortschritte jedoch sind beachtlich. Insofern: Never say never.

Wenn privat herausgegebene Kryptowährungen unsicher und volatil bleiben: wäre es vorstellbar, dass die SNB dereinst selbst eine digitale Form eines gesetzlichen Zahlungsmittels emittiert, also einen E-Franken?
Vorstellbar schon. Wie andere Zentralbanken befasst sich auch die Nationalbank mit dieser Frage. Unter Beteiligung zahlreicher Zentralbanken, auch der SNB, hat die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich (BIZ) kürzlich einen Bericht zu dieser Thematik verfasst und publiziert. Die Schlussfolgerungen führen Chancen und Risiken auf, raten aber insgesamt zu einem vorsichtigen vorgehen. Wir teilen diese Meinung: die Vorteile gegenüber dem heute bestehenden System wären gering, die potenziellen Nachteile und Risiken jedoch substanziell.

Die da wären?
Der Bankensektor wäre stark betroffen, seine Rolle im Zahlungsverkehr müsste neu definiert werden. In Krisenzeiten wäre die Gefahr von Bankruns viel grösser. In normalen Zeiten würde man verzinste Sicht- oder Termineinlagen bei Geschäftsbanken einem unverzinsten E-Franken vorziehen. In Krisenzeiten würden diese Einlagen aber in E-Franken bei der SNB umgelagert werden. Diese Alternative ist deutlich attraktiver als das bisherige Vorgehen, nämlich das Abheben und Aufbewahren von Bargeld. Die erhöhte Volatilität wäre ein grosses Problem für die Geschäftsbanken. Ein anderer für die Schweiz relevanter Punkt: die sogenannten Safe-Haven-Flows würden auch viel einfacher mit dem E-Franken. Könnte jeder weltweit E-Franken besitzen, so hätten globale Verschiebungen in E-Franken drastische Wechselkurswirkungen zur Folge. Ein weiteres Problem ist die Sicherheit. Vor zwei Jahren gab es einen Hackerangriff auf die Bank Bangladesch, das Swift-System wurde kompromittiert. Was würde passieren, wenn nicht nur das Swift-System, sondern der E-Franken selbst kompromittiert wird?

Was ist denn vorstellbar?
Nach den ersten sorgfältigen Analysen ist der Enthusiasmus in der Zentralbankengemeinschaft für E-Währungen gesunken. Experimente finden allerdings statt, zum Beispiel bezüglich einer digitalen Währung nur für den Zahlungsverkehr zwischen den Banken statt für das breite Publikum. Kanada etwa experimentierte mit dem Aufbau eines Interbankensystems basierend auf einem kanadischen E-Dollar. Man kam allerdings zum Schluss, dass ein solches System nicht effizienter ist als das bestehende Zahlungssystem, solange keine ausgereiften Smart Contracts eingebaut werden können.

Sollten private Kryptowährungen künftig sehr viel weiterverbreitet sein: können sie den monetären Transmissionsmechanismus der Nationalbanken, also letztlich die Wirksamkeit ihrer Geldpolitik, schwächen?
Eine solche Situation wäre ähnlich wie jene in einem Land, das dollarisiert wird. Irgendwann führt dieses keine eigene Geldpolitik mehr, sondern nur noch eine Wechselkurspolitik. Damit zum Beispiel der Bitcoin solche Auswirkungen hätte, müsste er im Alltag massiv mehr verbreitet sein. Löhne etwa müssten in Krypto­währungen bezahlt werden. Solange die Nationalbank aber für Preisstabilität sorgt, gibt es wenig Anreiz, in grossem Stil auf andere Währungen umzusteigen – ob auf analoge wie den Euro oder digitale wie den Bitcoin.

Haben die Nationalbanken mit ihrer ultraexpansiven Geldpolitik den Aufstieg der Kryptowährungen selbst verschuldet?
Nein. Die expansive Geldpolitik der Zentralbanken war eine Reaktion auf die Finanzkrise, und sie hat geholfen, eine Wiederholung der Grossen Depression der 1930er Jahre zu verhindern. Wenn schon, dann ist es die Finanzkrise selbst, die zum Aufstieg der Kryptowährungen geführt hat. Allerdings haben anarchistische Kreise seit den Anfängen des Internets an Kryptowährungen gearbeitet, und es gab auch schon seit den 1980er Jahren verschiedene Prototypen. Mit Bitcoin ist 2008 jedoch tatsächlich ein technologischer Durchbruch gelungen. Erstmals wurde eine Kryptowährung geschaffen, die wirklich völlig dezentral funktioniert.

Die Nationalbankbilanz beträgt heute 840 Milliarden CHF. Können Sie mir erklären, warum dieses Geldmengenwachstum nicht zu Inflation führt?
Das Geld, das die Nationalbank im Zuge der Devisenmarktinterventionen geschaffen hat, wurde im Bankensektor weitgehend als Überschussreserve «gehortet» und kaum zur Geldschöpfung bzw. Kreditvergabe verwendet. Es ist somit nicht in Umlauf ­gekommen, was wir auch so erwartet hatten. Die Nationalbank hat ja nicht von sich aus beschlossen, die Notenbankgeldmenge zu erhöhen. Sie hat vielmehr auf die starke Nachfrage nach CHF reagiert. Investoren auf der ganzen Welt haben im Zuge der Krise einen Teil ihres Vermögens in CHF parkiert, und auch die Banken hatten angesichts der hohen Unsicherheit einen erhöhten Liquiditätsbedarf. Der CHF war primär als Wertaufbewahrungsmittel gefragt. Es war daher absehbar, dass dieses Geld nicht auf dem Gütermarkt eingesetzt, also nicht nachfragewirksam und somit nicht inflationstreibend wird. Was man nicht vergessen darf: im Unterschied zu anderen Ländern war die geldpolitische Intervention der SNB nicht als Konjunkturspritze gedacht, sondern sie wurde ergriffen, um eine übermässige Aufwertung des CHF zu verhindern.

Welcher Wechselkurs hätte für den CHF denn ohne Interventionen der SNB resultiert?
Der IWF war letzte Woche bei uns zu Besuch und hat eine Studie, die demnächst publiziert werden soll, vorgestellt. Gemäss seinen Berechnungen wäre der Euro ohne die Massnahmen der SNB noch 60 bis 70 Rappen wert gewesen. Die Schweizer Wirtschaft hätte also massiv Schaden genommen.

Was würde passieren, wenn die SNB 200 Milliarden CHF drucken und direkt, sofort, in bar, an die Bevölkerung verteilen würde?
Ein Teil davon würde wohl ausgegeben und direkt nachfragewirksam werden, was bei ausgelasteten Kapazitäten Inflation verursachen würde. Ein anderer Teil dürfte gespart werden und dem Bankensektor zufliessen und nur nachfragewirksam werden, wenn es bei den Banken zu einer höheren Kreditvergabe führen würde. Solches «Helikoptergeld», das direkt an die Bevölkerung verteilt wird, wäre aber letztlich eine fiskalische Massnahme. Die Zentralbank ist für solche Übungen nicht autorisiert.

Warum glauben die wirtschaftlichen Akteure, dass die 800 Milliarden CHF, die die Nationalbank sozusagen aus dem Nichts geschaffen hat, 800 Milliarden CHF wert sind? Wie ist es möglich, aus dem Nichts Wert zu schaffen?
Auf einer fundamentalen Ebene hat das von uns geschaffene Geld Wert, weil die Leute Vertrauen in die Nationalbank und das schweizerische Rechtssystem haben. Sie glauben, dass das Geld seinen Wert behält. Die starke Nachfrage nach CHF im Zuge der Krise zeigt, wie gross dieses Vertrauen ist.

Wird 2040 noch Bargeld existieren?
Die aktuelle Entwicklung ist interessant: Zahlungen mit Bargeld nehmen ab, trotzdem sinkt in der Schweiz und in vielen anderen Ländern die Nachfrage nach Bargeld nicht. Offensichtlich dient Bargeld also nicht nur zu Zahlungszwecken, sondern zur Wertaufbewahrung und als Schutz der finanziellen Privatsphäre – eines der Hauptargumente der Cypherpunks für Kryptowährungen. ­Gegenüber Kryptogeld hat Bargeld den Vorteil, dass man etwas in der Hand hat. Dazu ein Beispiel: vor etwa drei oder vier Jahren wollte ich Bitcoin erwerben, um zu sehen, wie man damit bezahlt. Da mir die SNB-Compliance aber eine sechsmonatige Haltefrist vorschrieb, verzichtete ich auf den Kauf – ich wollte nicht so lange warten, bis ich damit bezahlen kann. Finanziell gesehen war das natürlich ein Fehlentscheid. Hätte ich damals aber Bitcoin gekauft, die seither so stark an Wert gewonnen haben, hätte mich die Situation nervös gemacht und ich hätte wohl nicht mehr ruhig schlafen können: schliesslich liegen irgendwo auf einem Gerät oder im Internet, in Bits und Bytes, bloss mit einem Passwort getrennt, Tausende von Franken. Wenn ich das Gerät oder das Passwort verliere oder wenn es jemand «hackt», dann ist es weg. Oder: beim Konkurs des früheren Marktführers unter den Bitcoin Exchanges, Mt. Gox, gingen z.B. 650 000 Bitcoins verloren. Auch heute gibt es Kryptogelddienstleister wie Coinbase, die für Kunden Konten unterhalten – virtuelle Banken, die nicht oder kaum reguliert sind. Wer seine Coins nicht auf einem USB-Stick (der sehr schnell verlorengehen kann) aufbewahren will, muss nun statt den klassischen Banken diesen virtuellen Banken vertrauen. Wenn ich dagegen weiss, dass mein Geld auf einer klassischen Bank liegt, die die Verantwortung für die Aufbewahrung übernimmt und dafür haftet, oder wenn ich es in bar unter meiner Kontrolle halte, fühle ich mich sicherer. Ohnehin müsste es auch bei Umstellung auf einen E-Franken als Back-up für Krisensituationen, wie zum Beispiel Stromausfälle, noch so etwas wie Papiernoten geben. Diese funktionieren nämlich auch dann, wenn elektronische Netzwerke zusammenbrechen.

Ein Ende des Bargelds ist also nicht in Sicht?
Genau. Ich glaube, dass Bargeld noch lange existieren wird. Auch wenn «digital» in allen Bereichen im Vormarsch ist, hat Bargeld seine Vorteile: Es ist unabhängig von technologischen Hilfs­mitteln einsetzbar, es funktioniert auch bei Stromausfall, die Zahlungsabwicklung erfolgt sofort und endgültig, es braucht kein Kontobuch, und es ist das einzige Zahlungsmittel, das die Privatsphäre vollumfänglich schützen kann.

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