Barbla und Rudi Bindella im Gespräch
Ein Familienunternehmen in dritter Generation, das Lebensfreude, Menschlichkeit und Liebe zum Führungsprinzip erklärt. Wie das funktioniert? Suzann-Viola Renninger hat mit Barbla und Rudi Bindella in ihrem Zürcher Hauptsitz der Bindella-Unternehmungen darüber gesprochen.
Rudi Bindella: Haben Sie etwas dagegen, wenn meine Frau Barbla bei unserem Gespräch dabeisein wird?
Nein, sicher nicht. Doch warum führen wir das Gespräch dann nicht gleich zu dritt?
RB: Sehr gern. Das macht Sinn. Meine Frau ist mittlerweile mein wichtigster Gesprächspartner für alle Belange, auf allen Ebenen. Das macht sie so einzigartig.
Frau Bindella, das Familienunternehmen Bindella ist über 100 Jahre alt. Der Grundstein wurde vom Grossvater Ihres Mannes gelegt. Ihr Mann ist schon sehr lange dabei…
RB: …ich bin an der Seite meines Vaters in der Unternehmung aufgewachsen. Ich habe nie etwas anderes gekannt.
Ihre Frau hingegen ist erst vor drei Jahren hinzugestossen. Wie war es, Frau Bindella, in den Kosmos eines Familienunternehmens aufgenommen zu werden?
Barbla Bindella: Ich habe viel Offenheit erfahren, konnte und kann daher viele Ideen einbringen und verwirklichen. Wir haben eine Unternehmenskultur, die sehr menschen orientiert ist.
RB: Ich bin glücklich und dankbar, dass mich meine Frau begleitet und ihre Talente in die Unternehmung einbringt. Davon werde ich geistig, seelisch und beruflich aufgewertet.
Es begann mit einem Pferdewagen, mit dem Grossvater Bindella Chianti aus der Toskana in die Schweiz importierte. Inzwischen besitzen Sie 34 Gastbetriebe an 12 Standorten in der Schweiz. Vor wenigen Wochen haben Sie ein weiteres Restaurant in Bern übernommen. Was kommt als nächstes?
RB: Es ist schwer abzustecken, wie gross eine Unternehmung werden darf. Es gibt wahrscheinlich keine objektiven Kriterien, wie etwa Bilanzsumme oder Anzahl Beschäftigter. Doch die Unternehmung darf nicht so gross werden, dass wir sie nicht mehr auf die Art und Weise führen könnten wie jetzt, also personenbezogen und patronal. Sonst würde die ganze Firmenkultur wanken. Daher wollen wir in der Fläche nicht mehr ausweiten. Wir gehen in die Tiefe.
Wie ist das zu verstehen?
RB: Das, was wir machen, möchten wir in Zukunft immer noch bewusster und besser machen. Die Lebensfreude und die Menschen stehen für mich im Mittelpunkt. Dass andere bereit sind, uns ihre Arbeit zu schenken, empfinde ich als ein ausserordentliches Privileg. Die Begriffe «Arbeitgeber» und «Arbeitnehmer» werden doch eigentlich falsch eingesetzt. Denn die, die für uns arbeiten, uns etwas geben, sind Arbeit-Geber und wir, die das entgegennehmen und damit eine unternehmerische Idee entwickeln können, wir sind die Arbeit-Nehmer. Daher versuche ich meinen Leuten so zu begegnen, dass sie sich respektiert fühlen und wissen, dass sie einen wichtigen Nutzen für die Firma und für sich stiften. Für mich ist immer die Menschlichkeit entscheidend.
BB: Es gibt keinen Führungsstil, der dazu besser passen würde, als das Vor- und Mitleben. Das versuchen wir in die Tat umzusetzen – jeden Tag.
Ist es Bescheidenheit oder Taktik, wenn Sie, statt von möglichen Expansionsplänen, von Tiefe, Lebensfreude und Menschlichkeit sprechen?
RB: Ich habe bisher kein Argument gefunden, weshalb ich bei dem Anspruch an das Wachstum meiner Unternehmung nicht bescheiden sein sollte. Schon als ich noch sehr jung war, ist mir aufgefallen, dass Verantwortung und Geistesgrösse oft mit Einfachheit zusammenfallen. Hier war mein Vater mein Vorbild. Er hat mich zu Bescheidenheit und Demut angehalten.
Nicht unbedingt die Tugenden, die für gewöhnlich ehrgeizige und erfolgreiche junge Männer auszeichnen. Der Vater Alexanders des Grossen soll gesagt haben: Geh, mein Sohn, such dir ein eigenes Königreich. Makedonien ist nicht gross genug für dich.
RB: Mich jedoch hat die Formel geprägt, mit der Winckelmann die Klassik beschrieben hat: «Edle Einfalt, stille Grösse». Als ich diesen Satz in der Schule hörte, hat er mich wahnsinnig fasziniert, mehr als alles aus den kaufmännischen Fächern. Diese Formel habe ich immer mit mir getragen, und ich versuche, danach zu leben. Ein weiteres, sehr wichtiges Leitmotiv stammt aus «Wilhelm Tell», dem ich zum erstenmal mit 16 begegnet bin: «Der brave Mann denkt an sich selbst zuletzt.» Ich möchte mich damit nicht brüsten. Aber ich versuche, in diesem Sinn zu leben. Einem Unternehmer geht es gut, wenn es den andern gut geht.
BB: Eine Haltung, die in der heutigen Zeit besonders aktuell ist. Wichtig erscheint mir in diesem Zusammenhang, dass wir beide hart arbeiten mussten, um das zu erreichen, was wir jetzt haben. Du bist ja sehr streng erzogen worden und hast eigentlich nichts einfach so geschenkt bekommen. Auch ich musste mir alles erarbeiten, so etwa meine Unternehmung The Gate Communication. Wenn man weiss, woher etwas kommt und was es braucht, damit etwas entstehen kann, dann schätzt und würdigt man es ganz anders, als wenn es einem einfach zufällt.
Herr Bindella, Ihre Frau erwähnte die strenge Erziehung Ihres Vaters.
RB: Mein Vater war von seiner Mutter nach dem Grundsatz «Bete und arbeite» erzogen worden. Er war sehr, sehr streng und sehr, sehr diszipliniert. Das hat mich beeindruckt. Heutzutage sagen die Jungen: Ich will Ingenieur oder Arzt werden, diesen oder jenen Beruf ergreifen. Ich habe immer nur gesagt: Ich möchte so werden wie mein Vater. Er hätte also auch etwas ganz anderes machen können, und dann wäre ich garantiert genau das geworden.
War es für Ihren Vater klar, dass Sie das Unternehmen weiterführen würden?
RB: Ja, sicher. Doch nach aussen verkündete er demonstrativ das Gegenteil. Wenn etwa jemand bemerkte, ich fokussiere mich völlig auf das Geschäft und es sei doch schön, dass er in mir einen Nachfolger hätte, dann sagte er: «Vielleicht, vielleicht auch nicht.» Das hat mich erst recht angestachelt.
BB: In den Geschäftsleitungssitzungen hat er dich ziemlich hart drangenommen, oder?
RB: Er war ein Tyrann. Ein guter Tyrann. Ein Tyrann, den man gernhaben musste. Als ich mit sechzehn an einem schwierigen Punkt war, hat er für mich gegen die Wünsche meiner Mutter die strengste Schule der Schweiz gesucht: die Kantonsschule Saint-Michel in Freiburg. Dort wohnte ich im Internat. Ein reglementierter Betrieb. Jede halbe Stunde von morgens 6 bis abends 22 Uhr war eingeplant. Auch samstags und sonntags. Nur einmal im Trimester durften wir nach Hause. Und das – Sie werden es mir kaum glauben –,
das hat mir gefallen, ich habe mich dort sehr, sehr wohlgefühlt. Ich wusste, wohin ich gehörte.
Da Sie Ihren Vater so bewundern und als Vorbild betrachten, geben Sie mir die Steilvorlage zur Frage, ob Sie Ihr Unternehmen ebenfalls als Tyrann führen und Ihre Mitarbeiter mit derselben Strenge behandeln.
RB: Ich glaube nicht. Das wäre auch nicht mehr zeitgemäss. Damals waren die Nachkriegsjahre, der take-off der Gesellschaft. Mit der Sättigung, die in den 80er Jahren begonnen hat, fand dann auch ein Wertewandel statt. Heutzutage muss man die Leute mit ausgesprochener Menschlichkeit, auch Liebenswürdigkeit und Herzlichkeit begleiten. Aber da müssten Sie meine Mitarbeitenden fragen…
BB: Dass du eine starke Führungspersönlichkeit bist, das würde ich bejahen. Aber kein Tyrann. Nein, das nicht. Und es zeichnet dich aus, dass du einen herzlichen Umgang mit deinen Mitarbeitenden pflegst.
RB: Als «starke Führungspersönlichkeit» würde ich selbst mich nicht bezeichnen.
Weder Tyrann noch starke Führungspersönlichkeit… Wo also liegt das Geheimnis, dass Sie es schaffen, ein Unternehmen mit rund 1’000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 200 Millionen Franken zu führen?
RB: Ich glaube, die Leute akzeptieren mich als Unternehmer, weil ich ein grosses Engagement vor- und mitlebe. Ich verkörpere die Unternehmung, bin morgens mehr oder weniger der erste und abends der letzte. Die Leute wissen, dass ich sehr viel arbeite und für die Unternehmung und für sie da bin. Es gibt auch keine Arbeit, die für mich nicht gut genug wäre. Ich helfe aufräumen, ich helfe umziehen. Ich nehme Staubsauger oder Werkzeuge in die Hand, hänge Bilder auf, stelle Tische um.
BB: Ich denke, du hast als Unternehmer bei den Mitarbeitenden Erfolg, weil du die Risiken trägst und auch im Misserfolg zu ihnen stehst. Du bist nicht ein Manager, der einen Job in einer Unternehmung übernimmt und sie verlässt, wenn es nicht mehr so gut läuft. Wir leben, was wir erzählen.
Geben Sie Fehlentscheidungen vor Ihren Mitarbeitern zu?
RB: Ja, natürlich.
Keine Sorge, dass dadurch Ihre Autorität bröckelt?
BB: Im Gegenteil, nur so sind wir authentisch.
Sie taktieren nie?
RB: Es hat ein, zwei Phasen gegeben, die wirklich schwierig waren. Die haben wir gut überstanden, weil ich unsere Leute immer sehr direkt orientiert und niemals angelogen habe. Ihr Vertrauen wurde nicht missbraucht. Sie haben immer alles zuerst von mir und nicht aus den Medien erfahren. So sind sie mit mir durch dick und dünn gegangen.
BB: Du gibst den Leuten sogar Informationen, die sie nicht haben müssten. Manchmal hast du vielleicht auch den
einen oder anderen überfordert. Interessant ist: Je mehr
Informationen du preisgibst, desto vertrauenswürdiger wird damit umgegangen, desto stärker wird die Verbindung.
RB: In meinem Büro habe ich das Schloss von der Türe entfernen lassen. Die Schubladen sind nicht abgeschlossen. Meine Mutter sagte immer: «Der Horcher an der Wand hört seine eigne Schand’.» Wenn Sie bei mir etwas suchen, das Sie nichts angeht, dann ist das Ihr Problem und nicht meines. Von tausendmal werde ich vielleicht einmal enttäuscht.
Wohl in jedem Betrieb, ob klein oder gross, gibt es Spannungen als Folge von Karrieredenken, Eitelkeiten, Missgunst, Intrigen. Bei Ihnen scheint hingegen nichts als reine Harmonie zu herrschen. Wie kann ich das glauben?
BB: Ich denke, es liegt an der inhaltlichen Hierarchie, der inhaltlichen Führung. Daran, dass wir den Betrieb selbst prägen. Das kann nur die Unternehmerin oder der Unternehmer im eigenen Betrieb.
gn: justify; line-height: 13.0px; font: 11.0px Helvetica;\\\»>RB: In den 70er Jahren sagte mein Vater einmal zu mir, ihm gefalle das Betriebsklima nicht. In unserem Hauptsitz gab es damals viel mehr Wände als jetzt; der Empfang wurde von einem Marmorkorpus dominiert. Alles war abgeschlossen. Ich antwortete ihm, ich würde alles rausreissen und jede Tür, die es nicht brauche, entfernen. Denn Reibereien entstehen durch Abgrenzungen, vertikal und horizontal. Sie entstehen durch Hierarchien. Und sie entstehen durch Wettbewerb. Wettbewerb ermöglicht viel Gutes, doch er schafft auch viel Leid.
Leid, das Sie durch Ihren Führungsstil zu minimieren versuchen?
RB: Ich glaube, der wichtigste Grund für meinen Erfolg ist, dass ich den Leuten mit Liebe begegne. Es zumindest versuche. Früher haben mich vor allem die Branchen interessiert. Inzwischen sind es die Menschen. Wenn Sie den Wettbewerbsgedanken weitgehend entschärfen können, dann sind die Reibereien zu einem grossen Teil verschwunden.
BB: Führen via Ziele und Qualitätsvorgaben ist uns wichtig. Wenn sich jemand danebenbenimmt, dann schreiten wir sofort ein. Wichtig ist auch das Resonanzgesetz. Das, was wir ausstrahlen, erhalten wir auch zurück.
Sie haben, Herr Bindella, Betriebswirtschaftslehre an der Hochschule St. Gallen studiert. Wenn ich mir vorstelle, dass Sie dort als Dozent aufträten und der zukünftigen Wirtschafts-elite sagten: Liebe, nicht Wettbewerb ist entscheidend – dann…
RB: …das ist nicht sicher. Ich glaube, es kommt darauf an, wie ich es sage. Ich sage ja nicht: Wir brauchen keinen Wettbewerb. Sondern ich sage: Wettbewerb kann nicht das einzige Kriterium für das Funktionieren einer Unternehmung oder einer Gesellschaft sein.
BB: Liebe muss in diesem Zusammenhang philosophisch verstanden werden. Es geht um Achtung, um Respekt, um Wertschätzung. Um die Freude im Umgang mit Menschen.
Noch bleibe ich skeptisch, ob das so einfach ist mit der Liebe als Führungscredo eines grossen Betriebs. Vielleicht ist das ja alles nur ein prima Marketingtrick, Teil der Unternehmenskommunikation. In Tat und Wahrheit greifen Sie dann doch etwas härter durch.
RB: Wenn Sie mich so verstehen, dann verstehen Sie mich falsch. Ich glaube, die Zeit ist bereit für einen Wertewandel, auf den eine grosse schweigende Mehrheit wartet.
Beschreiben Sie mir den Wertewandel?
RB: Wenn Sie vergleichen, wie in den letzten Jahrzehnten mit den Leuten in den Unternehmungen umgegangen worden ist, wie sie behandelt worden sind, dann werden Sie feststellen, dass sich das zu ändern beginnt. Die meisten Fusionen und Umstrukturierungen, etwa bei den Schweizer Banken, haben nicht aus Notwendigkeit stattgefunden. Da war Machtgier, Geldgier, Masslosigkeit am Werk und nicht der Wunsch nach einer guten Lösung, bei der auch an den Menschen gedacht wird.
Trotzdem geht es den Menschen in der Schweiz recht gut, der Wohlstand ist hoch, die Arbeitslosigkeit gering.
RB: Hätte man die Übertreibungen nicht zugelassen, dann würde es unserer Gesellschaft, davon bin ich überzeugt, nicht schlechter gehen. Den Menschen aber besser. Es kommt auf das richtige Mass an.
Gilt das auch für Ihr Leben?
BB: Ein wunder Punkt. Wir wenden uns zwar gegen die Masslosigkeit, arbeiten aber selbst in einem Mass, das wahrscheinlich nicht gesund ist. Wir sind wie die Fliege, die das Licht sucht und dabei verbrennt. Das dünkt mich der heikelste Widerspruch, den wir in unserem Leben haben.
Frau Bindella, was ist Ihre Aufgabe im Betrieb?
BB: Ich bin Mitglied der Geschäftsleitung und Stellvertreterin meines Mannes in der Unternehmungsleitung. Mit ihm kümmere ich mich um die Unternehmenspolitik und die Strategie. Daneben betreue ich die Kommunikation, die Medien, den Auftritt und bin stark involviert beim Weingut Vallocaia in Italien und bei unseren Eigenbauweinen.
RB: Im Verwaltungsrat bist du seit ein paar Monaten auch. Doch informell haben wir schon viel länger auf allen Ebenen zusammengearbeitet.
Gab es keine Missstimmung bei vermeintlichen Prinzen, die hofften, sie würden auf die Posten befördert werden, die nun Ihre Frau einnimmt, die ja erst seit vergleichsweise kurzer Zeit an Ihrer Seite ist?
RB: Nein, nein.
BB: Warum eigentlich nur Prinzen?
Sie geben mir das Stichwort.
RB: Wir haben nebst meiner Frau noch zwei weitere Frauen in der Geschäftsleitung.
BB: Drei von elf.
Uns Frauen wird oft nachgesagt, dass wir dank Frauenquote und weniger dank Qualifikation in Führungspositionen kommen. Ihnen, Frau Bindella, könnte man anhängen, dass Sie durch eine Art Liebesbonus dorthin gekommen sind.
RB: Ich hoffe, mir wird angehängt, dass ich meine Frau geheiratet habe, weil sie intelligenter ist als ich. Meine Frau hat eine ausserordentlich liebenswürdige Art, auf Menschen zuzugehen. Sie hat keine Chefallüren. Und dann ist sie sehr, sehr kompetent. Man merkt sofort, sie ist eine Gesprächspartnerin, die man ernst nehmen muss.
BB: Ich habe meinen Mann mit 41 Jahren geheiratet, nachdem ich meinen eigenen Weg gegangen bin. Da ich mir bisher immer alles selbst erkämpft habe, habe ich mir natürlich überlegt, ob sich da jetzt die Türen für mich nicht allzu einfach öffnen. Ob ich das überhaupt annehmen darf.
RB: Aber dann hat ihre Kompetenz entschieden.
BB: Ich habe studiert. Ich war schon sehr jung in der Geschäftsleitung der beiden grössten Schweizer Agenturen. In diesem Alter musste ich die fehlende Erfahrung durch Einsatz kompensieren. Davon profitiere ich bis heute.
Wenn ich Ihren Auftritt betrachte, dann fehlen die Statussymbole: keine Perlohrringe, kein Siegelring, keine erkennbare Markenkleidung. Die Uhren, die Sie beide am Arm tragen, sind auch nicht grad beeindruckend. Es fehlt die Krawatte, das Hemd ist bunt kariert, und Ihre Socken, Herr Bindella, die da unter den Hosenbeinen rausschauen, demonstrieren Resistenz gegenüber Stilberatern.
RB: Das ist gut so.
BB: Das ist authentisch.
RB: Uns kommt es auf Inhalte an, nicht auf Äusserlichkeiten.
Sie wollen die menschlichen, zupackenden Unternehmer demonstrieren?
BB: Überhaupt nicht. Wir demonstrieren nichts. Wir sind wir.
RB: Ich habe das von zu Hause mitgebracht. Schon als kleiner Junge musste ich im Betrieb alle Arbeiten machen. In die Weinfässer steigen, auf der Baustelle und in der Garage zupacken, Flaschen waschen, auch wenn ich mir Hände dabei zerschnitt. So bin ich erzogen worden und darüber bin ich froh. Im Weinbau gibt es den Grundsatz, dass dem Boden nicht mehr abverlangt werden darf, als er aus eigener Kraft hergibt. Dieses Prinzip der Verhältnismässigkeit und des Masses gilt auch in der Unternehmung. Wir pressen nicht das Maximum heraus. Es kann doch nicht sein, dass wir alles immer nur für den Gewinn machen! Natürlich muss die Firma funktionieren und rentieren. Doch Ästhetik und Emotion dürfen nicht zu kurz kommen.
In allen Räumen Ihres Hauptsitzes, auch im Eingangsbereich, in den Fluren, in den Treppenhäusern, hängen an jeder nur möglichen Stelle Bilder zeitgenössischer Maler, häufig Aquarelle, weite, offene Landschaften im Sonnenlicht. Auf den Möbeln, auf den Fensterbrettern und in den Nischen stehen Statuen, oft Frauen in klassischer Pose. Ähnlich sieht es in Ihren Restaurants aus.
RB: Auf Italienisch heisst es: le cose belle. Wir haben gerne eine schöne Umgebung. Das ist Lebensfreude. Diese entstehen zu lassen, ist in der Gastronomie unsere Berufung.
BB: Wir haben in allen Restaurants Kerzen und eine Flasche Olivenöl auf dem Tisch. Das ist Teil unserer Gastherzlichkeit, wie wir es nennen. Wir würden zwar viel Geld sparen, wenn wir auf solche Dinge verzichteten. Doch ich bin überzeugt, viel ginge dann verloren.
RB: Selbstverständlich muss eine Unternehmung erfolgreich geführt werden. Selbstverständlich muss sie Gewinn erzielen. Doch sie darf sich auch Facetten leisten, die nicht primär auf den Gewinn ausgerichtet sind. Sie darf eine gewisse Grosszügigkeit walten lassen. Wenn wir das nicht machten, hätten wir vielleicht mehr Eigenkapital. Glücklicher wären wir sicher nicht.
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Das Gespräch führte Suzann-Viola Renninger, photographiert hat Giorgio von Arb.
Die Bindella-Unternehmungen sind ein Zürcher Familienunternehmen in der dritten Generation. Zu den vier Geschäftszweigen, mit insgesamt 1’000 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von 200 Millionen
Franken, gehören die Gastronomie, der Weinbau in der Toskana und der Weinhandel, die Immobilien sowie das Gipser- und Malergeschäft.