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Ausverkauf der Philosophen II

ORT: im unplatonischen Ideenhimmel des Verfassers
ZEIT: am Tag vor St. Nimmerlein, also frühestens am Ende unseres Jahrhunderts

JESUS: Engländer vortreten: Euer Nationalphilosoph steht zum Verkauf!

DER ZWEITE INTERESSENT: Was weisst du denn alles?

LOCKE: Ich habe intuitive, demonstrative und sensitive Erkenntnisse…

DER ZWEITE INTERESSENT: Beeindruckend!

LOCKE: …und verfüge zudem über sehr viele Sätze, die wahrscheinlich richtig sind.

DER ZWEITE INTERESSENT: Toll! Du bist sicher auch in der Mathematik und in den Naturwissenschaften zu Hause?

LOCKE: Aber gewiss! (Ich weiss jedenfalls, wo ich nachschlagen muss.)

DER ZWEITE INTERESSENT: Wie soll sich denn der Mensch nach deiner Meinung verhalten?

LOCKE: Moralisch natürlich!

DER ZWEITE INTERESSENT: Und was ist moralisch?

LOCKE: Das Streben nach Freude und die Vermeidung von Schmerz.

DER ZWEITE INTERESSENT: Das soll zu moralischem Verhalten führen?

LOCKE: Bei vernünftigen Leuten schon: diese fürchten ja Gott, den Staat und die öffentliche Meinung.

DER ZWEITE INTERESSENT: Was hältst du davon, mir als Sklave dienen zu müssen?

LOCKE: Eigentlich habe ich allein das Eigentum an meiner Person, doch weil alle Anwesenden mit der Sklaverei einverstanden zu sein scheinen, wird sie wohl rechtens sein.

DER ZWEITE INTERESSENT: Den nehme ich!

JESUS: Als nächsten stelle ich euch einen ungemein klugen und angesehenen Mann vor.

DER DRITTE INTERESSENT: Kannst du mir das Leben verschönern?

LEIBNIZ: Wozu? Wir leben doch in der besten aller Welten!

DER DRITTE INTERESSENT: Wie bitte? Und was ist mit Atombomben und Konzentrationslagern?

LEIBNIZ: Dass es solches nur ausnahmsweise gibt, zeigt doch, wie gut und weise Gott die Welt eingerichtet hat. Nicht auszudenken, wenn das zu allen Zeiten und in allen Ländern möglich wäre!

DER DRITTE INTERESSENT: Ich weiss nicht recht, ob ich dich kaufen soll.

LEIBNIZ: Warte nur, ich werde dir das logisch zwingend darlegen. Deine angeborenen Ideen…

DER DRITTE INTERESSENT: Danke, aber ich glaube nicht, dass ich so lange Zeit habe!

LEIBNIZ: (Dummes, infinitesimal mickriges Monadenvieh, das diese vortreffliche Welt bevölkert!)

JESUS: Höret: Da ist einer, der gemerkt hat, dass man zuallererst sich selbst lieben muss, wenn man andere lieben will. – Komm, Rotschopf, stell dich anständig hin! Du willst doch gekauft werden, oder nicht?

DIE ZWEITE INTERESSENTIN: He, du, ich brauche einen Erzieher für meine schwierigen Kinder…

ROUSSEAU: Da bin ich der Richtige! Ich werde deine Naturburschen, solange es geht, vor Vernunft, Wissenschaft und Manierlichkeit bewahren. Die Rotzbuben müssen an den Dingen selbst lernen.

DIE ZWEITE INTERESSENTIN: Gut, aber mit dem elektrischen Strom zu spielen, werden wir ihnen wohl verbieten müssen!

ROUSSEAU: Elektrischer Strom? Ach ja, auf dieses Teufelszeug werden wir gleich ganz verzichten, da wir unbedingt im Einklang mit der Natur leben müssen.

DIE ZWEITE INTERESSENTIN: So, so! Angenommen, ich kaufe dich, wer bestimmt dann wohl: du oder ich?

ROUSSEAU: Weder du noch ich, sondern unser heiliger Gemeinwille, der unsere Freiheit und Gleichheit garantiert. Um diesem nachzukommen, musst du tun, was ich dir sage. Denn das ist Gesetz, also gerecht, und da niemand das Ungerechte wollen kann, dein Wille.

DIE ZWEITE INTERESSENTIN: Ich werde mich wohl nach einem anderen umsehen müssen…

ROUSSEAU: Hoffentlich kauft mich bald ein hübsches, naturblondes Dummchen, das in der Nähe eines Waisenhauses wohnt!

GOTT: Sehr schön! Der Aufstieg zur heiligen Drei ist abermals vollbracht, und obzwar wir nicht alle Sklaven verkauft haben, so doch immerhin denjenigen, welchen ich seines gottfern nüchternen Verstandes wegen am wenigsten liebe (ich sage: am wenigsten, denn ich liebe wahrlich alle Menschen, was man nur manchmal nicht erkennet).
Hör nur, Jesus, die Engelchöre fangen schon an, uns dafür zu loben! Herrlich!!

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