Aus dem Erfahrungsschatz schlauer Hausfrauen
Bildungssuppen von Brigitt Lademann
Es ist schon passiert, dass die Überreste ihrer Installationen Ratten ins Haus lockten. Brigitt Lademann hatte Tonnen von Popcorn, die von ihrem langjährigen Projekt «Volumenveränderung» übrig geblieben waren, auf dem Dachboden gelagert. Nachdem ausser den Ratten niemand grossen Appetit zeigte und auch die Grünabfuhr der Stadt nicht an der Kompostierung interessiert war, ver-brannten sie schliesslich im Garten, würzig-süssen Duft verströmend.
Einen Hang zum Kunstwerk für die Ewigkeit hat Brigitt Lademann sicher nicht; auch ihr Talent, ihre Kunst zu verkaufen, sei nur gering ausgeprägt, erzählt sie vergnügt. «Ich habe nie wirklich Erfolg», fügt sie hinzu und ist noch immer guter Dinge. «Die Installationen zeigen, auch eine durchschnittliche Hausfrau macht tolle Sachen». Das sagt sie. Immerhin. Ihre anhaltende Vergnügtheit ist entspannend und steckt an.
Man stelle sich vor: italienische Espressomaschinen – die kleinen, nichtautomatischen –, Pizzableche, Spargeltöpfe, Campinggaskocher, Salatschüsseln und noch einigen anderen Kleinkram. Es ist 1995. Brigitt Lademann befindet sich für ein halbes Jahr mit einem Stipendium der Stadt Zürich in Genua. Die braven Handwerker der Altstadt stehen ihr zur Seite, bohren Löcher in die Bleche oder schweissen Stiele an die Böden der Campingkocher. Bald steht in der Galerie Leonardi eine Gruppe von rund einem Dutzend «Geysiren»: die runden Pizzableche sind auf die Espressomaschinen montiert, deren oberer Teil abgesägt ist. Das heisse Wasser sprudelt dampfend und zischend durch das zentrale Loch, in einem Rhythmus, den die Zeitschaltuhr bestimmt. Nebenan ragen die Campingkocher auf einer Art Zimmerlampenfuss selbstbewusst in die Höhe. Sie erhitzen das Wasser in den Spargel-töpfen, die darüber scheinbar schwebenden, umgedrehten Glasschüsseln lassen in ihrem Rund das Wasser zu Wolken kondensieren, die schliesslich um den Fuss herum abregnen. Diese «Wolken» gehören ebenso wie die «Geysire» zu ihrem Projekt «Biotope». Ärgern muss sich, wer nicht dabei sein konnte.
Die «professionelle Bastlerin», wie sie sich selbst gerne bezeichnet, hat serienweise Mutterboden, Lehm und Dreck gekocht und zum Abschluss ihres Studiengangs «Bildende Kunst» den Boden der Hochschule für Gestaltung in Zürich mit geschmolzenem Zucker karamelisiert. Sie hat den «Staubsaugerreigen» erfunden, der Räume aufbläst, um sie wieder einzusaugen. Einst stand im Foyer der ETH Zürich ein grosses Becken, in dem fünf allerliebst anzuschauende Mixer, versehen mit vier langen Beinen, Schaum schlugen. Seit einigen Jahren arbeitet sie mit Buchstabensuppen. Jeder, der sie als Kind vorgesetzt bekommen hat, wird wohl die Versuche kennen, mit den glitschigen Buchstaben seinen Namen auf dem Tellerrand zu legen, ohne Rücksicht darauf, dass die Suppe langsam kalt wird.
Brigitt Lademann hat mit den Suppen ihre Lese-biographie verarbeitet und sich wieder in die Brühe gebrockt, was sie seit ihrer frühen Kindheit gehört und gelesen hat (S.12 dieser Ausgabe). Die Bildungssuppe darf ausgelöffelt werden – Goethes «Prometheus» etwa, das «Vaterunser», oder schmeckt doch «Lirum, larum, Löffelstiel» am besten? (S.13 bis S.37). Längst schon Verdautes, in unseren Erfahrungsschatz Übergegangenes, kann nochmals vereinnahmt werden. Wir wünschen «Guten Appetit» (S.39).