Auf zur Sisyphusarbeit!
Viele Politiker verstehen die Digitalisierung der Verwaltung als ein einmaliges Projekt. Doch sie ist ein nie endender Innovationsprozess.

Während der Covid-19-Pandemie wurde einem Grossteil der Bevölkerung klar: Die Digitalisierung ist bei gewissen Behörden mehr Schlagwort denn Praxis. Man hörte von Fax-Problemen, Datenbanken-Patzern, falsch veröffentlichten Daten und inkorrekt erhobenen Statistiken… Und das Versagen des Bundes, eine Softwarelösung zur Vergabe von Impfterminen zu erstellen, zeigte einmal mehr die Mühen mit grossen IT-Projekten.
Das Problem ist nicht neu, und es besteht auch keineswegs nur auf Bundesebene. Während beispielsweise Technologiefirmen wie Google oder Facebook von Zürich aus die Digitalisierung vorantreiben, muss am selben Ort eine Tagesparkbewilligung für die blaue Zone noch immer als PDF herunterladen und ausgedruckt werden. So manche Behörde scheint sich mit der Adaption neuer Technologien schwer zu tun. Das zeigt sich auch in internationalen Vergleichen, in denen die Schweiz regelmässig im Mittelfeld landet.
Natürlich sind solche Rankings mit Vorsicht zu geniessen. Die methodischen Probleme internationaler Vergleiche sind hinlänglich bekannt. Doch das Bild spiegelt sich auch in nationalen Umfragen. So kann etwa der «Nationalen E-Government-Studie 2019» entnommen werden: «Die Mehrheit der befragten Unternehmen, die eine Dienstleistung bisher nicht elektronisch abgewickelt haben, wünscht sich die Möglichkeit einer elektronischen Abwicklung bei fast allen Dienstleistungen.»
Es herrscht ein zunehmendes Unverständnis, wie die öffentliche Hand das Thema Digitalisierung anpackt. Dabei geht es keineswegs nur um subjektive Befindlichkeiten, wie das Zitat implizieren mag. Das Beharren auf analogen Prozessen hat volkswirtschaftliche Kosten. Wie Avenir Suisse beispielsweise in der Studie «Über den Lebenszyklus von Firmen» aufgezeigt hat, könnte mit einer konsequenten Digitalisierung allein bei den mit Gründungen und Schliessungen von Firmen verbundenen Amtshandlungen jedes Jahr ein hoher zweistelliger Millionenbetrag eingespart werden.
Prozesse grundlegend hinterfragen
Der Ruf nach raschen Digitalisierungsschritten bei den Schweizer Behörden ist also berechtigt. Eine simple technische Modernisierung der bestehenden Prozesse greift jedoch zu kurz. Vielmehr sollte überprüft werden, ob gewisse Prozesse und Anforderungen im digitalen Zeitalter überhaupt noch nötig sind – sind sie es nicht, können sie ersatzlos gestrichen werden (siehe Box).
Richtiges Digitalisieren ist somit immer ein Innovationsprozess. Es geht nicht um das digitale Abbilden von alten Prozessen. Vielmehr müssen Prozesse so gestaltet werden, dass sie sich nahtlos in die neue digitale Welt einfügen. Das kann die Digitalisierung von alten Prozessen beinhalten. Meist gilt es aber neue Prozesse zu definieren und gleichzeitig alte Prozesse abzuschaffen.
Dieses grundlegende Hinterfragen von Abläufen ist anstrengend. Insbesondere müssen sich bei Digitalisierungsprojekten die entsprechenden Stellen von alten Mustern lösen und sich gegen Partikularinteressen durchsetzen. Politik und Verwaltung müssen also nicht nur innovative Lösungen erarbeiten, sondern auch die mit dem Strukturwandel einhergehenden Widerstände überwinden.
Der Föderalismus wird…

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Dieser Artikel ist in Ausgabe 1094 - März 2022 erschienen. Er ist nur registrierten, zahlenden Nutzern zugänglich. Vollen Zugang erhalten Sie über unsere attraktiven Online- und Printangebote.
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