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Auf keinen Fall Menschen

Nein, er will keinesfalls als Menschenphotograph gelten. Christian Riis Ruggaber photographiert lieber Gegenstände. Das gehört zu seinem Ruf als Photograph, und so soll es auch bleiben. Dabei sind in Zürich zur Zeit gerade seine Bilder von Menschen häufig zu sehen. Für den Katalog der Saisonvorschau 05/06 des Zürcher Schauspielhauses etwa hat er von jedem Mitglied […]

Auf keinen Fall Menschen

Nein, er will keinesfalls als Menschenphotograph gelten. Christian Riis Ruggaber photographiert lieber Gegenstände. Das gehört zu seinem Ruf als Photograph, und so soll es auch bleiben. Dabei sind in Zürich zur Zeit gerade seine Bilder von Menschen häufig zu sehen. Für den Katalog der Saisonvorschau 05/06 des Zürcher Schauspielhauses etwa hat er von jedem Mitglied des Ensembles Porträtaufnahmen gemacht. Als ob die Köpfe in Marmor gehauen wären. Einerseits. Denn die Gesichter heben sich im Halbprofil weiss vom schwarzen Hintergrund ab, ohne Blinzeln blicken die Augen in die Ferne, nirgendwohin, kein Muskel ist zum Mienenspiel in Bewegung, das Individuum tritt hinter den Typus zurück. Andererseits zeigen die Photos das Alltägliche, sehr Private: jedes Fältchen, jede Hautunreinheit ist zu erkennen, Bartstoppel, Leberflecken, dunkle Schatten unter den Augen. Es sind Aufnahmen des Moments, in dem die Schauspieler «zu sich gefunden haben und ihr wahres Gesicht zeigen», wie Christian Riis Ruggaber sagt. Bis es soweit war, konnte eine Stunde vergehen, in der die Frauen und Männer schweigend und mit hängenden Armen vor einer dunklen Leinwand standen und der Photograph kein Wort sprach, sondern wartete.

Auch die anderen Bilder in der Saisonvorschau zeigen keine «happy shining people»; diese Art von Photos, so sagt er bestimmt, könne er nicht machen, da es ihm unmöglich sei, Leute zum Lachen zu bringen. Auf den anderen Bildern sind Passanten zu sehen, die zufällig in der Nähe des Aufnahmestudios ihres Weges gingen. Ob allein oder zu mehreren, ob mit Kinderwagen oder Hund, ob mit Postpaket oder Klappstühlen unter dem Arm. Sie alle wurden auf die eigens dafür hergestellte, weiss gestrichene, leere Bühne gebeten. Auch sie lachen nicht, auch sie halten inne, auch sie stehen einfach bloss da und schauen. Sie sind für einen Moment nichts weiter als vorhanden, nicht anders, als wie etwa eine Vase oder eine Schale mit Früchten vorhanden ist, die auf einem Holztisch steht. Stilleben mit Menschen wäre daher wohl eine passende Beschreibung für die Photographien.

Als Künstler würde sich Christian Riis Ruggaber übrigens selbst nicht bezeichnen wollen; er sei vielmehr Graphiker und Photograph. Seine Karriere begann als Profi-Snowboarder; nach einem knappen Jahr wurde er gebeten, für eine Windsurfingfirma am Chiemsee Anzeigen zu gestalten; nur wenig später wurde er Graphiker bei Adidas in Franken; bald darauf war er head of design der ersten Niederlassung des Sportschuhherstellers in Tokio. Nach seiner Rückkehr in sein Heimatland Schweiz unterrichtete er als Dozent an der Hochschule für Gestaltung und Kunst Zürich. Inzwischen hat er sich als Graphiker und Photograph zusammen mit seiner dänischen Frau selbstständig gemacht; die beiden leben mit ihrer kleinen Tochter in Zürich.

Und wie sehen nun seine Photographien aus, wenn er keine Menschen vor der Linse hat? Auffällig in seinem Portfolio sind vor allem Aufnahmen von karg möblierten Räumen und von technischen Geräten. Bei einer Serie, die noch nicht abgeschlossen ist, reizt ihn das Auseinandernehmen von Maschinen. Beispielsweise eines Rasenmähers. Lange trug er dieses Projekt mit sich herum, bis er schliesslich nach reiflicher Überlegung – als Autodidakt ist er besonders stark auf Perfektion bedacht und beginnt erst mit einer Sache, wenn er sich ihrer sicher ist – bei einem Hersteller solcher Geräte anrief. Er erhielt tatsächlich einen nagelneuen Rasenmäher, mit der einzigen Auflage, ihn nach Gebrauch – und das heisst in diesem Fall in seinen Einzelteilen – wieder zurückzugeben. Das Zerlegen und Anordnen dauerte Tage, da der Photograph jedes Bestandteil so aufhängte und austarierte, dass die ursprünglichen Relationen zueinander erhalten blieben. Keine leichte Sache, denn ein unvorsichtiger Atemzug oder auch nur ein Wort in die Richtung des Mobiles, und die schweren Metallteile an ihren dünnen Fäden gerieten in Bewegung. Schliesslich war alles so arrangiert, dass der schwerelos schwebende Rasenmäher zu sagen schien: schaut mal her, so seh’ ich aus, wenn ich mich öffne. Warum reizt den Photographen dieses Auseinandernehmen? Weil die Maschinen dadurch Leben bekommen, sagt er.

Abbildungen der Photographien finden sich auf den Seiten 13, 14, 33 bis 37 sowie auf dem Umschlag. (contact@christian.riis.ruggaber.dk)

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