Auf dem Jahrmarkt der Illusionen
Literatur
Die Wahrscheinlichkeit, dass die folgende Rezension mehr über den Rezensenten aussagt als über den Schöpfer des besprochenen Werks – in diesem Fall den Aargauer Schriftsteller Hermann Burger (1942 – 1989) –, ist geradezu gigantisch. Sei’s drum – allons-y!
Ich machte mich mit zugegebenermassen gespaltener Begeisterung an die Lektüre der von Simon Zumsteg herausgegebenen Anthologie, die 35 Burger-Porträts von Isolde Ohlbaum zieren, und erwartete mangels Interesses an der Thematik – Trickspielerei, Magie – vom Inhalt wenig, von Burgers Sprache alles. Und noch während ich auf den ersten Seiten mit der Behäbigkeit meiner nüchternen Bernerseele glaubte, das Wesentliche von Autor und Werk zu erfassen, wurde ich aufs schönste von einem geschickt aufgebauten Hütchenspiel begaunert. «Angewandte Psychologie, Verehrteste!» – «Lenke jederzeit die Aufmerksamkeit auf das, was unerheblich ist.» Touché! Ab da liess ich mich vollkommen freiwillig dazu zwingen, beherzt in den «Kreislauf der Konkursverschleppung» einzutreten, um als solcherart Geneppter all jene zu ködern, die der Autor nach mir noch zu neppen vorhat. Treten Sie ein! Es ist grossartig.
Was ich als Lehrstück über Zauberei zu lesen begann, wurde mir zur exklusiven Lektion eines professionellen Desillusionisten. Denn funktioniert nicht genauso das, was man bislang «Politik» nannte, so: Sich von allen Seiten in die Karten blicken zu lassen, aber nur in die unwichtigen? Menschen die Illusion vermitteln, ihnen sei eine freie Wahl belassen, während «das Auszählen nur noch eine numerische Verhöhnung ihrer Scheinfreiheit ist», wie der viel zu früh verstorbene Schriftsteller schrieb?
Burger ist meiner Meinung nach nicht der Wortmetz, als den er beschrieben wird. «Lichtmetz» trifft es besser. Ein PKZ-Knickerbockertrauma, das ihm das Zeichnen vergällte, ist ihm in der «Dunkelkammer seines Genies» und von sich selbst unbemerkt (vielleicht auch nicht) zur Berufung geworden – der Mann war ein Zeichner, ein Maler. Schattenschicht um Schattenschicht hinter sich lassend, betritt man als Leser weniger Stories als Bilder und verlässt sie wieder, ohne mit Sicherheit sagen zu können, ob man wirklich da war. Oder jetzt wieder hier ist.