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Auch Pessimisten können sich täuschen

Marc Faber gehört zu den Skeptikern seiner Zunft. Er denkt antizyklisch. Und er spielt gerne den Apokalyptiker. Ein Gespräch über erfolgversprechende Investitionsstrategien in ungewissen Zeiten, über eine Welt ohne Notenbanken und den Unsinn von Anlegerkonferenzen.

Auch Pessimisten können sich täuschen

Ihr Spitzname ist Dr. Doom. Die Leute wollen apokalyptische Prognosen von Doktor Untergang hören. Können Sie für uns ausnahmsweise den Optimisten spielen?

Das kann ich schon. Zuerst aber eine Gegenfrage: wie definieren Sie einen Pessimisten? Was ist eine apokalyptische Sicht der Dinge?

Apokalyptisch ist Ihre These, dass die Weltwirtschaft auf einen grossen Crash zusteuere.
2001 habe ich mein Buch «Tomorrow’s Gold: Asia’s Age of Discovery» publiziert. Der Titel ist Programm: ich habe darin gezeigt, wie man sein Geld unter den Vorzeichen sich wandelnder geopolitischer Gewichte gewinnbringend anlegen kann. Aber ja, es stimmt, ich bin insgesamt ziemlich pessimistisch. Ich hege Zweifel an der Zukunftsträchtigkeit unseres inflationsgetriebenen Geldsystems und der überschuldeten westlichen Staaten, die sich bloss noch durch das Drucken von Geld über Wasser halten. Der Kollaps des Finanzsystems ist ein reelles Szenario. Viele meiner Anlageempfehlungen beruhen auf der Berücksichtigung dieses Szenarios…

…das Sie als unausweichlich darstellen. Insofern sind Sie eben doch ein Apokalyptiker.
Ich bin kein Determinist. Aber wir sollten auf alles gefasst sein. Die Superpessimisten sind die Hyperdeflationisten. Sie prophezeien, dass wir einen gewaltigen Kollaps an den Kreditmärkten haben werden und der Dow Jones extrem, also auf ein Tief zwischen 400 und 600 Punkten, fallen wird. Diese Leute sagen, dass man das Geld nur in Bargeld und in amerikanische Staatsanleihen investieren sollte. Von diesen Ansichten weiche ich sehr stark ab. Wie legt man sein Geld an, wenn man einen Kollaps des gesamten Finanzsystems in Betracht zieht – und wenn man zugleich weiss, dass sich Pessimisten und Hyperpessimisten stets täuschen können und die Weltwirtschaft womöglich noch viele Jahre weiterwächst?

Ja, wie?
Aktien solider Unternehmen sind besser als amerikanische Staatsanleihen oder Bargeld. Immobilien sind natürlich auch immer interessant. Rohstoffe sind weiterhin eine gute Investition. In einem Horrorszenario werden sich aber vor allem die Edelmetalle gut halten. Ein Teil des Geldes sollte man deshalb stets in Gold anlegen – das ist einem guten Schlaf zuträglich.

Der Pessimist macht es sich einfach. Wenn es am Ende gut kommt, hat er Grund zur Freude darüber, dass er sich getäuscht hat. Wenn es schlecht kommt, hat er es schon immer gewusst.
Relativ gesehen stimmt das. Wenn alle Werte um 80 Prozent zusammenbrechen und sich Ihr Vermögen nur um 30 Prozent verringert, dann sind Sie relativ gut dran. Bei einem Kollaps werden aber absolut gesehen alle verlieren.

Eine wirklich gute Strategie wäre eine, die Optimisten und Pessimisten gleichermassen befriedigt.
Die gibt es. Wenn jemand sehr optimistisch ist, nimmt er an, dass sich die Wirtschaft weiter erholt und die Industrieländer mehr Öl nachfragen. Gleichzeitig besteht in den boomenden Volkswirtschaften der Schwellenländer ein ungebremstes Nachfragewachstum für Öl. Dadurch wird der Ölpreis nach oben gedrückt. Im ultrapessimistischen Szenario muss man davon ausgehen, dass in den ölfördernden Staaten kriegsähnliche Zustände eintreten oder Öllieferungen durch Konflikte im Mittleren Osten unterbrochen werden. Dann steigt der Preis ebenfalls. Sowohl im optimistischen als auch im hyperpessimistischen Szenario ist Öl interessant.

Sie haben Gold erwähnt. Es übt gegenwärtig auf viele eine grosse Faszination aus. Aber längerfristig zeigt sich: Gold ist keine gute Investition.
Es gibt in einer Zeitspanne von sagen wir 100 Jahren zweifellos bessere Anlagen als ein Sack voller Goldvreneli – zum Beispiel Aktien amerikanischer Unternehmen. Solche Aktien haben sich auch besser gehalten als Bargeld oder Obligationen. Es gibt jedoch kleinere Zeitabschnitte, in denen Obligationen interessanter sind als Aktien. Nehmen Sie die Zeitspanne von 1981 bis heute, da waren langfristige Obligationen eine gute Anlage. Gold war 1980 bis 1999 verglichen mit dem Standard & Poor’s-500-Aktienindex eine schlechte Anlage. Dafür war es nach 1999 verglichen mit demselben Index eine gute Investition. Der Anleger muss von Zeit zu Zeit seine Pferde wechseln und die Anlagestrategie neu überdenken. Das absolut Gute gibt es nicht.

Konservative Anleger vertreten oft die Ansicht, dass sich in einem langfristigen Anlagehorizont Aktien immer lohnen.
Ich bin mit Jeremy Siegel befreundet, der Professor für Finanzökonomie an der Wharton School ist. Er hat die Entwicklung der Aktien bis ins Jahr 1800 zurückverfolgt. Aus einem Dollar, der im Jahr 1800 in Ak¬tien angelegt wurde, bildete sich in den folgenden 100 Jahren ein Wert von 1000 Dollar. Wer im Jahr 1900 einen Dollar in Aktien angelegt hat, verzeichnete 100 Jahre später ebenfalls einen Gegenwert von 1000 Dollar. Die mathematisch korrekte Folgerung: mit Aktien liess sich also über alle Wirtschaftskrisen und Kriege hinweg in den letzten 200 Jahren im Durchschnitt eine jährliche Wertsteigerung von 7,2 Prozent erzielen. Wow! Leider hat Jeremy zu erwähnen vergessen, dass beispielsweise 1841 alle Kanal¬gesellschaften und Banken in den USA pleitegingen. 1895 waren 95 Prozent der amerikanischen Eisenbahnen entweder konkurs oder mussten restrukturiert werden. Wenn Sie 1929 Aktien der 30 oder 50 grössten Gesellschaften in Amerika gekauft hätten, hätten Sie auch ziemlich viel Geld verloren. Ausserhalb der USA präsentiert sich die Situation nicht besser – im Gegenteil. In China wurde 1949 alles wertlos. 1918 wurde in Russland alles wertlos. In Osteuropa wurde nach 1947 und in Ägypten nach 1954 alles enteignet. Darum: abstrakte Statistik ist das eine, die Realität das andere.

Vielen Investoren fehlt heute das, was Friedrich Nietzsche den «historischen Sinn» nannte.
Das kurzfristige Denken, das Verhaftetsein in der Gegenwart ist ein allgemeines Phänomen. Die durchschnittliche Lebenserwartung einer börsenkotierten Firma beträgt 30 Jahre. Die Gesellschaften, die mehr als 100 Jahre Bestand haben, sind Ausnahmeerscheinungen. Wer weiss schon, was mit Google, Facebook, Dell oder Microsoft in zehn Jahren sein wird.

Viel verdienen in kurzer Zeit. Mit null Risiko und ohne etwas dafür zu tun – das ist die Wunschvorstellung vieler, die in den letzten Jahren das Investieren für sich entdeckt haben. Es gibt eine ganze Industrie, die solche Erwartungen nährt.
Die Aktionäre wollen ständig hohe Renditen, auch in einer schwierigen Wirtschaftslage. Und sie wollen die Erträge sofort, nicht erst in zehn Jahren. Sie wollen, dass die Aktie innerhalb von zwölf Monaten um 40 Prozent steigt. Hallo, wo leben wir eigentlich? Es kursieren völlig falsche Erwartungen über die langfristigen Renditen von Aktien. Realistisch gesehen kann man mit einem Aktienportefeuille eine mittlere Rendite erzielen, die der Wachstumsrate des Bruttosozialprodukts jener Volkswirtschaft entspricht, zu der das jeweilige Unternehmen gehört, dessen Aktien man gekauft hat.

Das wären im Westen zwei bis drei Prozent pro Jahr. Damit locken Sie im Jahre 2011 niemanden hinter dem Ofen hervor.
Immerhin – es sind drei Prozent reale Rendite. Die nominale Wachstumsrate hängt von der Inflationsrate ab, und die ist ja in vielen Staaten ziemlich hoch. Grundsätzlich muss aber jedem vernünftigen Menschen klar sein, dass der Unternehmenssektor letztlich nicht schneller als die Ge¬samtwirtschaft wachsen kann.

Als Fondsmanager und Anlagespezialist leben Sie von der Kultivierung unrealistischer Renditeerwartungen.
Vielleicht einige meiner Kollegen. Ich nicht. Aber ich kann Ihnen sagen, woher diese
Illusionen kommen.

Nur zu.
Weil die USA seit Jahrzehnten ständig Geld drucken, hatten wir zwischen 1982 und heute – jedenfalls bis vor kurzem – eine
Superrendite bei Finanzwerten. Was bei Finanzwerten möglich war, sollte dann für die ganze Wirtschaft gelten. 1982 waren weltweit alle Börsen sehr tief bewertet; sie befanden sich auf dem gleichen Niveau wie 1964. Dies bedeutet, dass die Kurse real gesehen, also inflationsbereinigt, zwischen 1964 und 1975 um 75 Prozent gefallen sind. Nach 1982 wurden die Renditen bei den Finanzwerten durch hohe Liquidität und fallende Rohstoffpreise getrieben. Das Drucken von Geld fand also in einer deflationären Umgebung statt. Die fallenden Rohstoffpreise erlaubten ein Geldmengen- und Kreditwachstum, ohne dass sich dies direkt in höheren Konsumentenpreisen niedergeschlagen hätte. Das war eine seltsame Konstellation, die jenen Auftrieb verlieh, die vor einer Deflation warnen. Zu ihnen zählen die meisten amerikanischen Notenbanker. Herr Bernanke soll ja vor dem Hintergrund der jüngsten Finanzkrise sogar gesagt haben, dass man im Notfall vom Helikopter aus US-Dollars über Amerika fallen lassen könne, um Deflation zu verhindern.

Sie gehören zu denen, die vor einer Hyperinflation warnen.
Die Flutung der Wirtschaft mit Geld ist in der Tat eines der grössten Probleme unserer Zeit. Warum sind Märkte eine gute Institution? Weil in ihnen der Preismechanismus spielt. Preise von Gütern enthalten Informationen über deren gegenwärtige oder künftige Knappheit. Wenn Sie nun nicht genau wissen, wie viel Geld eigentlich im Umlauf ist, sind die Preise der Assets verzerrt. Sie können Information von Desinforma¬tion nicht mehr unterscheiden. Es bilden sich also Blasen, weil die vorhandene Liquidität irgendwohin fliessen muss. Die Wirtschaft wird volatil. Die Bust- und Boomphasen werden immer krasser. Wir hatten die Nasdaq-Blase, wir hatten die Immobilien-Blase, wir hatten im ersten Halbjahr 2008 eine Rohstoff-Blase. Diese Volatilitäten sind ein Symptom der expansiven Geldpolitik der Notenbanken.

Die Notenbanken sorgen im Idealfall dafür, dass sich das Produktivitätswachstum bzw. das Produktionspotential der Wirtschaft und das Geldmengenwachstum decken.
Damit sind Preisstabilität und Wirtschaftswachstum garantiert.Es kommt ja nicht nur auf die Notenbankgeldmenge an, sondern auch auf das von den Banken abhängige Wachstum der Kredite. Die tatsächliche Geldmenge lässt sich in unserem Teilreservebanksystem kaum mehr kontrollieren. In einer perfekten Welt hätten wir ein Wachstum der Geldmenge, das sich so um drei Prozent pro Jahr bewegt. Aber die reale Welt ist nun mal nicht perfekt. Zudem hat die Politik an Einfluss über die Notenbanken gewonnen. Die Notenbanken sind faktisch längst nicht mehr unabhängig und sehen die Lösung aller möglichen Probleme stets in derselben Massnahme: Geld drucken.

Das Schöne aus Sicht der Regierung verschuldeter Staaten ist, dass Inflation eine sanfte Enteignung der Steuerzahler darstellt, die die Betroffenen kaum wahrnehmen. Würde die Regierung die Steuern jährlich um die faktische Inflationsrate erhöhen, wäre mit einer heftigen Reaktion zu rechnen.
Das Drucken von Geld privilegiert die Vermögenden und benachteiligt jene, die von der Hand in den Mund leben. Der arme Arbeiter, der kein Haus und keine Aktien besitzt, leidet unter der Inflation am meisten. Die reichen Leute hingegen, die Immobilien und Aktien besitzen, profitieren, ebenso wie die Banken. Überhaupt die Banken. Es ist schon erstaunlich, dass zwei Jahre nach der schlimmsten Finanzkrise der letzten 100 Jahre dieselben Banken wieder Rekordboni auszahlen, die von den Regierungen dieser Welt gestützt wurden. Das Volk partizipiert daran nicht. Der Lebensstandard mittlerer Haushalte sinkt. Amerikanische Mittelständler haben heute ein tieferes Realeinkommen als vor 10 Jahren.

Dennoch gilt eine leichte Inflation als verantwortbar. Die Begründung ist bekannt: die Vermeidung von Deflation. In einer
Deflation würden die Preise von Gütern und Dienstleistungen fallen, also würden alle Konsumenten auf fallende Preise wetten, also würden die Unternehmen ihre Produkte nicht mehr verkaufen können, also käme es zum Kollaps. Was halten Sie davon?
Das ist Gehirnwäsche, die dem Volk von Politik und Notenbank eingeimpft wurde. 3 bis 5 Prozent Inflation sollen akzeptabel sein, aber 1 Prozent Deflation das Ende der Geschichte! Schauen wir uns die Sache historisch an: zwischen 1800 und 1900 herrschte in den USA ein deflationäres Preisumfeld. Das Preisniveau war um 1900 identisch mit dem des Jahres 1800. Die Bevölkerung wuchs von vier Millionen auf über 80 Millionen. Amerika befand sich mitten in der Industrialisierung, es wurden die Eisenbahnlinien und Kanäle gebaut. Die realen Pro-Kopf-Einkommen stiegen damals schneller als im 20. Jahrhundert – ohne Federal Reserve Bank. Der Grund ist einfach: das Drucken von Geld schafft keinen Reichtum.

Sonst wäre Robert Mugabe in der Tat Präsident eines reichen Landes.
Die USA selbst liefern den Beweis: seit dem Jahre 2000 ist die Zahl der Beschäftigten in den USA nicht gestiegen, obwohl die Bevölkerung um 30 Millionen Menschen zugenommen hat. Zugleich wurde durch Alan Greenspan und seine Nachfolger viel neues Geld aus dem Nichts geschaffen. Die gestiegene Geldmenge in den USA hatte aber einen anderen Effekt: sie hat das Wachstum in den Schwellenländern günstig beeinflusst! Amerika hat relativ zum Rest der Welt verloren. Viele Dollars sind nach Indien, China, Vietnam und in Länder geflossen, die Rohstoffe produzieren. Diese Tendenz wird sich fortsetzen.
Zurück zur Deflation. Es bleibt das psychologische Problem: die Spekulation von Konsumenten auf fallende Preise…
…dafür gibt es keine Evidenz. Was geschieht bei uns jeweils in Zeiten des Ausverkaufs? Alle sind glücklich und kaufen irgendwelche Dinge ein, die sie womöglich gar nicht brauchen. Die Leute kaufen also, trotz sinkenden Preisen. Und vor allem: sie kaufen auch in normalen Zeiten, ohne auf die fallenden Preise im Ausverkauf zu spekulieren. Inflation ist für mich das grössere
Problem als Deflation. Janet Yellen, stellvertretende US-Notenbankchefin, hat vor einem Jahr sinngemäss gesagt: «Wenn Negativzinsen möglich wären, wäre ich für deren Einführung.» Faktisch haben wir dank Inflation Negativzinsen. Die reale Inflation dürfte in den westlichen Ländern irgendwo zwischen 5 und 10 Prozent liegen, je nach Land, also höher als die Zinsen. Das hat bloss noch niemand gemerkt.

Sie sehen in den Notenbanken ein Übel?
Die Welt wäre besser dran ohne Notenbanken (lacht). Das Hauptargument für die Existenz von Notenbanken lautet, dass es einen lender of last resort geben müsse. Wenn es zu einer Krise kommt, kann so Liquidität bereitgestellt werden, damit Finanzinstitute nicht pleitegehen. Anderseits muss man sich fragen, warum dann die jüngsten Finanzkrisen entstanden sind. Eben gerade wegen der leichtfertig vergebenen Liquidität der Notenbanken – sie taten dies auf Geheiss der Politik. Das Geld ist wahrscheinlich zu wichtig, als dass man es einer einzigen Institution überlassen sollte.

Das klingt nach Freebanking, wo jede Bank ihr eigenes Geld emittieren kann und die Konsumenten letztlich entscheiden, welches sie wählen. Das ist zwar schön gedacht, aber letztlich auch utopisch. Sind Sie ein Anhänger des Freebanking?
Ein solches System hätte zumindest den Vorteil, dass sich die Leute wieder vermehrt dafür interessierten, was die Banken mit deren Geld – deren Einlagen – machen. Es gäbe keine Notenbank und keinen Staat, die im Notfall einspringen würden. Das würde alle Marktteilnehmer disziplinieren. Aber ob dieses Modell in der Praxis taugt, ist eine andere Frage. Klar ist: wir sollten uns wieder vermehrt auf solche Experimente einlassen und nicht schon wieder neue Denkverbote aufstellen.

Die USA gelten trotz ihrer immensen Schulden nach wie vor als hervorragender Schuldner. Wie sehen Sie das?
Mit den bestehenden Haushaltsdefiziten sind die USA faktisch bereits pleite. Sie hätten ein Kreditrating von CCC und nicht wie heute ein AAA verdient. Die Defizite können gar nicht mehr abgebaut werden. Sie haben eine exponentielle Eigendynamik entwickelt, die sich nicht mehr beherrschen lässt. Wenn sie pro Jahr ein US-Haushaltsdefizit haben, das sich zwischen 1,5 und 3 Billionen Dollar bewegt, wächst die Schuld sehr stark an. Damit einher geht das Wachstum der Zinszahlungen auf die Staatsschulden. Dann kommen dazu die impliziten Verpflichtungen für Sozialversicherung und Vorsorge. Es gibt kein Entrinnen mehr, am Ende steht der Bankrott.

Die USA sind schon jetzt in einer explosiven Situation.
In der Tat. In solchen Situationen braucht es immer einen Sündenbock. Ich habe meinen jüdischen Freunden in den USA geraten, auszuwandern. Goldman-Sachs hat in den letzten Jahren ziemlich gewütet, und die Bank steht der Regierung ziemlich nahe. Aber andere Banken waren auch nicht besser. Nun gehen in den USA aber alle auf Goldman-Sachs los. Wenn alles schiefgeht, könnten die USA auch wieder in einen Krieg ziehen. Ich bin mir der beschränkten Aussagekraft historischer Analogieschlüsse bewusst – dennoch: was in den 1930er Jahren funktionierte, bleibt auch in Zukunft eine Option.

Ein Krieg? Sie malen nun doch wieder den Teufel an die Wand.
Das kommt auf die Perspektive an. Stellen Sie sich einen bankrotten amerikanischen Staat vor, der von seinen Problemen ablenken will. Gehen Sie weiter davon aus, dass der Preis für Rohöl aufgrund der weltweiten Nachfrage und einer immer teureren Förderung steigt. Nur zum Vergleich: die Preise sind von zehn Dollar pro Fass im Jahr 1998 auf 100 Dollar gestiegen. Die gleiche Entwicklung hat der Preis von Kupfer, Stahl und Eisenerz durchgemacht. Nikolai Kondratjew, der Erfinder der Zyklentheorie, hat gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit von Kriegen zunimmt, wenn die Rohstoffpreise steigen.

Warum soll das so sein?
Die Rohstoffpreise dienen als Katalysator. Das Land zieht in den Krieg, um angeblich die Autonomie zurückzugewinnen. Die USA importieren über 70 Prozent ihres Ölbedarfs. Die Chinesen müssen ebenfalls Öl importieren. Energiesicherheit ist sowohl für die USA als auch für China von höchster Bedeutung – die Spannungen werden also sicher zunehmen. Es gibt auch ziemlich interessante Untersuchungen über den Hegemoniezyklus des amerikanischen Politikwissenschafters A.F.K. Organski…

…Herr Faber, jetzt spielen Sie definitiv Dr. Doom.
Zugegeben, es sind Spekulationen, aber keine wilden.

Ihr monatlicher Anlagekommentar wird in der ganzen Welt gelesen. Wie gross ist Ihr Einfluss auf Bewegungen an Aktienmärkten?
Gleich null. Vor einigen Wochen hat Bill Gross von Pimco verlauten lassen, er habe sämtliche amerikanischen Staatsanleihen verkauft. Als er sie verkaufte, ist der Preis ein wenig gestiegen. Als er den Verkauf kommunizierte, ist deren Preis wieder gesunken. Der Markt ist so gross, dass einzelne Akteure keine Macht haben.

Sie kokettieren.
Nein, wirklich, das ist so.

Bedauern Sie Ihre Ohnmacht?
Nein. Ich kann vielleicht die Meinung einiger Anlagestrategen, Analysten und Anleger längerfristig etwas in die eine oder andere Richtung beeinflussen. Wenn ich in der Schweiz einen Vortrag halte und sage, dass man in Aktien statt in Obligationen investieren soll, dann rennt jedenfalls das Publikum nicht nach Hause und verkauft seine Obligationen. Eigentlich bleibt für mich ein Rätsel, warum die Leute überhaupt an Konferenzen teilnehmen. Ich würde das nie tun.

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Geld regiert die Welt. Wer regiert das Geld?

Der Titel unseres Dossiers ist suggestiv. Wenn es stimmt, dass Geld die Welt regiert, dann regiert die Welt, wer über das Geld herrscht. Das Geld ist heute eine staatliche Angelegenheit. Der Staat hat nicht nur das Gewalt-, sondern auch das Geldmonopol. In Artikel 99 der Bundesverfassung ist festgelegt: «Das Geld- und Währungswesen ist Sache des […]

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