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Auch die Fasnacht
ist eine Demo

Und ein Grundrecht.

Zu Krisenbeginn ist die rechtliche Debatte der virologischen hinterhergehinkt. Nach der ersten Schockstarre aber ist dann glücklicherweise eine Diskussion auch darüber entbrannt, welche Coronamassnahmen unter den Aspekten der Grundrechte, des Föderalismus oder der Gewaltenteilung richtig waren und sind. Meines Erachtens hat der Bundesrat vom Notrecht insgesamt einen überlegten Gebrauch und vor allem in der Lockerung keine Anstalten gemacht, sich daran zu klammern. Dennoch waren die Grundrechtseingriffe zeitweise tief – und ungewöhnlich kombiniert: Wohl noch nie war die Versammlungsfreiheit so stark tangiert, während gleich­zeitig die Meinungsäusserungsfreiheit unangetastet blieb. Nach der bisherigen Geschichtsschreibung zielte das Versammlungsverbot meist nicht gegen gefährliche Virussprünge, sondern gegen oppositionelle Zusammenrottungen, verbunden mit Zensur.

In der Kombination der Meinungs- (Bundesverfassung, Art. 16) und der Versammlungsfreiheit (Art. 22) ergibt sich das sogenannte Demonstrationsrecht – leider nicht selten von links verabsolutiert und von rechts abgelehnt. Genau diese Demonstrationen liess der Bundesrat in seinen Lockerungsschritten denn auch rascher wieder zu als andere grössere Versammlungen. Ist diese Differenzierung rechtens?

Nachdem die Basler Polizei heuer die Fasnacht und in der gleichen Woche eine Demonstration – mit viel Augenmass! – unterbunden hatte, meinte eine Grossrätin, dass es hierfür eine unterschiedliche Polizeidoktrin brauche: Die Demo sei ein Grundrecht, die Fasnacht nicht. Sie irrt doppelt: Wie ausgeführt ist die Kundgebungsfreiheit kein eigenes Grundrecht der Verfassung. Vor allem aber wird an der Fasnacht von der Versammlungsfreiheit allen Gebrauch gemacht (von der ­Meinungsfreiheit übrigens auch). Die Versammlungsfreiheit gilt letztlich nicht nur für Umzüge mit einem Transpi (Slang für «Transparent») aus dem Seki («Parteisekretariat»), sondern ebenso für gänzlich unpolitische Veranstaltungen. Auch das gemeinsame Bier in der Beiz ist grundrechtlich zu verteidigen.

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