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Wir spielen immer – wer es weiss, ist klug

Pinkas Braun: «Vorspiel. Eine Jugend – ein Bühnenleben». Zürich/München: Nagel & Kimche, 2008

Kurz vor seinem Tod legte der Schauspieler, Übersetzer und Theaterregisseur Pinkas Braun im Frühjahr des vergangenen Jahres seine Autobiographie vor. Als Kind jüdischer Emigranten 1923 in Zürich geboren, besuchte er die Pflichtschule und brach eine Kaufmannslehre ab, um Schauspieler zu werden.

Doch ist das Pinkas Braun? Ist es wirklich der Künstler selbst, der in seiner Autobiographie über sich schreibt, oder ist er ein anderer? Entwirft er mit dem Schreiben eine Figur, eine Rolle? Pinkas Braun reflektiert diese Probleme in seinem Buch: «Er? Jener dreizehnjährige Junge war natürlich ich. Er – ich: klingt wie Erich. Laut Lexikon, der ‹allein Mächtige›.» Und so wird deutlich, aus welchen Zeiten seines Lebens sich Braun in den Er-Ich-Passagen des Buches nähert: jener scheinbar ungetrübten Vergangenheit der Kindheit und Jugend, aus der er mit Fabulierlust berichtet. Doch dann kommen auch Zweifel auf. War das wirklich so, damals, als er in die Schule, zum Fussball oder in die Lehre ging? «Sobald Erich spricht, verklären sich meine Erinnerungen, und obwohl er nicht lügt, suggeriert er mir eine glückliche Kindheit.» Mancher Teil seiner Kindheit und Jugend war verdunkelt von den Anfeindungen, denen Juden auch in der Schweiz während der NS-Zeit ausgesetzt waren. Und dann schleicht sich das «Ich» ein, berichtet aus einer kritischeren Perspektive. In diesen Passagen wird deutlich, wie die Verfolgung der europäischen Juden von der Schweiz aus wahrgenommen wurde, von Braun, seiner jüdischen Familie und den jüdischen Arbeitskollegen in der Konfektionsfabrik Max Kahl, in der er zur Lehre ging.

Vielleicht ist es auch diese schwierige Zeit und die Sicherheit, die das Überstreifen einer Rolle zuweilen bietet, die Pinkas Braun dazu verleiten, das Theaterspiel im Alltag fortzuführen. Zum öffentlichen Thora-Lesen auf der eigenen Bar-Mizwa etwa schreibt er: «Es war sein erster erfolgreicher öffentlicher Auftritt. Nur sein Vater durchschaute ihn. Er wusste, dass Erich die hebräischen Texte mechanisch auswendig gelernt und kein Wort von dem verstanden hatte, was er so überzeugend zelebrierte … Er nahm ihn nach der Gratulationscour beiseite, schaute ihn seufzend und zugleich lachend an und sagte: ‹Ich danke dir. Ab heute brauchst du keinen Religionsunterricht mehr, du bist ein hoffnungsloser Fall.›»

vorgestellt von Markus Köhle, Wien

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