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Keller, Keller, Keller

Was hat Gottfried Keller mit Aischylos oder Sophokles zu tun? Die Frage könnte auch Keller-Fachleute in Verlegenheit bringen, denn Keller hat sich – abgesehen von ein paar Theaterfragmenten – nicht als Dramatiker hervorgetan. Antwort darauf weiss das von Martin Müller verfasste Personenlexikon zu Kellers Leben und Werk. Denn im Vorwort von «Der schweizerische Bildungsfreund, ein […]

Was hat Gottfried Keller mit Aischylos oder Sophokles zu tun? Die Frage könnte auch Keller-Fachleute in Verlegenheit bringen, denn Keller hat sich – abgesehen von ein paar Theaterfragmenten – nicht als Dramatiker hervorgetan. Antwort darauf weiss das von Martin Müller verfasste Personenlexikon zu Kellers Leben und Werk. Denn im Vorwort von «Der schweizerische Bildungsfreund, ein republikanisches Lesebuch» (1876) erklärt Keller, weshalb er Auszüge aus antiken Tragödien, von Sophokles und Aischylos, in die Anthologie aufgenommen habe, «damit manch stiller Jüngling in den Volkshütten einen geistigen Gewinn ziehe».

In über tausend Artikeln stellt der Autor die literarisch und biographisch wichtigen Personen Kellers vor: Freunde, Förderer und Feinde, Verleger und Rezensenten, Literaten und Künstler, nicht zu vergessen die Hauptfiguren seiner Werke sowie die von Keller verehrten Frauen. Doch Keller war nicht nur Verehrer, er wurde auch verehrt. Eine Clotilde Scholl, Hausfrau und Mutter von acht Kindern, schickte ihm einen bewundernden Brief, weil sie dank der täglichen Lektüre von Kellers Werken Ablenkung von ihren Beschwerden finde. Auch Kellers literarische Vorbilder sind aufgeführt: Shakespeare, Goethe und Schiller sind auf je vier bis sechs Seiten mit ihren zahlreichen Werken und deren Wirkung auf Keller verzeichnet. Schiller hat er vor allem «als Kämpfer für den Fortschritt, als freiheitlichen Denker und als eine Art moralische Instanz» geachtet. Zur Erleichterung der Suche sind im Register des Lexikons die Personen nach thematischen Gesichtspunkten aufgeführt. Unter «Feinde, Kontrahenten und sonstwie missliebige Personen» beispielsweise kommen Zeitgenossen vor, die Keller in seiner ganzen bärbeissigen Art zeigen, wenn er gegen Politiker, Theologen oder Publizisten vom Leder zieht.

Der Keller-Fachmann und frühere Lektor des Artemis Verlages, Martin Müller, hat für seine respektheischende Arbeit sämtliche gedruckten Texte Kellers beigezogen, auch Aufsätze, Tagebücher und über 1’200 Briefe. Für Wissenschafter und fortgeschrittene Kellerliebhaber ist das Buch eine unerschöpfliche Fundgrube – und vergnügliche Lektüre obendrein, weil der Autor in seine Artikel viele anschauliche Zitate einzuflechten weiss.

vorgestellt von Rainer Diederichs, Zürich

Martin Müller: «Gottfried Keller. Personenlexikon zu seinem Leben und Werk». Zürich: Chronos, 2007

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