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«Ich helfe Menschen, besser auszusehen»

Olivier Burger führt die PKZ-Gruppe in vierter Generation. Er produziert und verkauft Kleider. Und er kriegt nicht genug davon. Denn im Bekleidungsgeschäft geht es um mehr als bloss um Bekleidung. Ein Gespräch über den Modemenschen, von dem Burger sagt: «Er kann nicht nicht kommunizieren.»

«Ich helfe Menschen, besser auszusehen»

Herr Burger, Sie gelten in der Schweiz als Herr über Anzug und Krawatte. Viele kennen zwar das Magazin «adress». Aber nur wenige wissen, dass Sie es herausgeben. Stört Sie das?

Damit habe ich überhaupt kein Problem. Es macht mir unheimlich Spass, das Magazin zu produzieren. Wenn Sie jedoch klassische Verleger fragen, dann sagen die Ihnen: Burger ist kein richtiger Verleger, der pflegt bloss ein Hobby. Ich aber sage Ihnen: es interessiert mich nicht, was die sagen. Mich interessiert, was die Leser sagen.

«Adress» ist mit einer beglaubigten Auflage von 500’000 das grösste Lifestylemagazin der Schweiz. Geben Sie es zu: Sie sind eigentlich ein verkappter Verleger…
…hiermit bekenne ich: ich bin Verleger. Nein, im Ernst – der Titel des Verlegers hat Charme, keine Frage. Aber ich bin ein Unternehmer, der auch im Verlagsbusiness genau rechnet. Ich hatte jüngst einen Künstler zu Besuch, James Licini, ein guter Typ, erfolgreich, über 70, der macht Eisenplastiken. Licini sagte zu mir: «Ich bin stets auf der Suche nach Neuem, alte Dinge interessieren mich nicht, egal, wie gross die Nachfrage ist.» Er hat recht. Genau darum geht es: neugierig zu sein, Neues zu wagen. Mit einer wichtigen Präzisierung: die neuen Dinge müssen auch rentieren.

Das machen Ihnen die Verlegerkollegen zum Vorwurf. «Adress», sagen sie, sei vor allem eine gross angelegte PKZ-Werbeveranstaltung.
Was soll daran schlecht sein? Im Bekleidungsgeschäft ist Werbung wichtig. Warum soll ich ständig für viel gutes Geld – so sagte ich mir eines Tages – in fremden Magazinen PKZ-Inserate schalten, auf denen doch nicht wirklich viel zu sehen ist? Dann mache ich lieber mein eigenes Magazin, und andere inserieren bei mir. Meine Kunden sind anspruchsvoll. Sie wollen keine banale Werbung, aber auch keinen Werbekatalog. Sie wollen gute Geschichten, ansprechende Bilder. Kurz, sie wollen Lifestyle. An jenem Tag war die Idee für «adress» geboren. Also habe ich einen Verlag gegründet, der zwar mir gehört, aber unabhängig von PKZ ist.

PKZ ist auch in Ihrer Hand.
Stimmt. Aber ich bin in der Lage, zwischen meiner Person und meinen Unternehmen zu unterscheiden. Ein Drittel des Magazins zeigt Mode von PKZ, die PKZ normal zu bezahlen hat; ein Drittel machen die Inserate anderer Unternehmen aus – Autos, Uhren, Hotels –; ein Drittel sind redaktionelle Beiträge. Das Modell funktioniert. Nach zehn Jahren ist nun aber Zeit für etwas Neues. Wir lancieren das Magazin dieses Frühjahr neu mit dem Namen «The Look Magazine».

Die Idee, ein eigenes Magazin zu lancieren, war letztlich aus der Not geboren: Sie wollten Ihr Geld für Inserate besser investieren.
Viele gute Dinge sind aus der Not geboren. Ist das bei Ihnen nicht auch so?

Ja, das kann man so sehen. Mit der Gründung des neuen Verlags verfolgen wir ein Ziel: in die 90jährige Zeitschrift zu investieren, um ihre Herausgabe auf ein solides unternehmerisches Fundament zu stellen.
Das finde ich gut. Aber trotz allem – Sie sind mehr Idealist als ich.

Nein, nicht Idealist. Wenn schon, dann eher Publizist mit einem Auftrag. Aber dies ist kein Selbstzweck. Wir machen die Zeitschrift für jene Leser, die bereit sind, für Qualitätsinhalte zu bezahlen.
Ich gehöre zu Ihrem Zielpublikum. Und ich lese Ihre Zeitschrift gern: sie ist intellektuell inspirierend. Ich bekomme für die Zeit, die ich investiere, auch wirklich etwas zurück. Hier rühren wir an den Kern jeder Geschäftstätigkeit: es geht um Kommunikation. Sie kommunizieren mit Ihren Lesern, ich kommuniziere mit meinen Kunden. Ich tue das über das Magazin, aber auch über die Läden in der ganzen Schweiz, über unsere Homepage. Diese Idee liegt unserem unternehmerischen Tun zugrunde: Geschäften ist kommunizieren!

Das ist jetzt sehr philosophisch.
Finden Sie? Eine Formulierung aus einem Lehrbuch aus meiner Studentenzeit an der Universität St. Gallen ist mir in Erinnerung geblieben. Damals nannte man das noch Marketing, aber eigentlich ist es Kommunikation, und die Formulierung ist perfekt: es geht um «marktgerichtete und marktgerechte Unternehmenspolitik». Wer ist der Markt? Das sind die Konsumenten. Wer sind die Konsumenten? Das sind Sie und ich. Ergo: alles ist Kommunikation.

Sie stimmen ein Loblied auf den Konsumenten an. Der Ökonom Ludwig von Mises nannte ihn den «souveränen Verbraucher», der letztlich die Macht über den Produzenten hat…
…was Mises sagt, ist keine Theorie, sondern meine tägliche Praxis! Als Chef sitze ich nicht in meinem Büro und schwebe über den Wolken. Ich gehe hinaus, um in unseren Läden die Leute zu spüren. Warum kaufen in diesem Geschäft die Jüngeren, dort die Älteren, warum kaufen sie viel, warum kaufen sie wenig? Präsentieren wir gut? Präsentieren wir richtig? Und an diese Fragen schliesst sich neuerdings eine weitere an, deren Bedeutung kaum überschätzt werden kann: Wie können wir die Kunden über neue Kommunikationsmittel abholen?

Neuerdings?
Ja, denn «The Look» ist nicht nur ein neues Magazin, es ist ein neues Geschäftsmodell.

Konkreter, bitte.
Wir sind noch näher beim Kunden. Wir bilden die reale Welt von PKZ mit ihren Läden und Lagern in der ganzen Schweiz digital ab. Das wird der neue Onlineshop «thelook.com», wo der Kunde sich informieren und zugleich konsumieren kann. Er weiss, wo er seine Lieblingspullover findet, er kann auf seiner Shoppingtour in Sekundenschnelle über sein Handy herausfinden, in welchem nahen Geschäft er die von ihm gewünschte rote Hose bekommt, und er kann sich alles, was wir physisch anbieten, nach Hause schicken lassen.

Wer sich Produkte auf dem Netz anschaut, kann die Preise der verschiedenen Anbieter sehr leicht vergleichen. Nicht der Name des Anbieters zählt, sondern der Preis.
Keineswegs, denn die digitale Welt bildet die reale ab. Die Segmentierung im Onlinehandel ist identisch mit jener im real existierenden Leben: es gibt Multibrands, Monobrands, Outlets. Es sind deshalb dieselben Kommunikationsüberlegungen wie im realen Leben, die uns im Onlinehandel leiten. Online wollen wir uns genau so differenzieren wie in unseren Geschäften: durch besseren Service, durch mehr Kompetenz und durch eine grosse Auswahl der besten Marken.

Wie definieren Sie eigentlich Ihren Job?
Ich sehe mich als Dienstleister, der den Menschen ermöglicht, besser auszusehen.

Sie sehen sich als Wohltäter?
Ich bin Unternehmer. Kleidung ist wichtig, denn der Mensch kann nicht nicht kommunizieren. Mit jedem Kleidungsstück, das er trägt, mit jeder Bemalung, mit jedem Körperschmuck vermittelt er eine Botschaft. Seit wir von den Bäumen heruntergestiegen sind, gilt: der Mensch ist das Wesen, das sich nicht nur durch Körper und Geist, sondern auch durch seine Kleidung unterscheidet.

Es gibt die Konsumverweigerer, die niemals bei PKZ einkaufen würden.
Auch sie kommunizieren, indem sie sich weigern, über Kleider zu kommunizieren. Das ist wie mit den Atheisten. Die sagen, dass sie an nichts glauben. Aber an nichts zu glauben, ist auch ein Glauben. Darum sind sie oft auch so verkrampft und angespannt – genau wie die besonders Frommen. Analog dazu sind die Konsumverweigerer die, die man auf der Strasse am leichtesten erkennt – sie machen sich mehr Gedanken über Kleidung als ihre modebewussten Mitmenschen, die sie so sehr verachten.

Durch die Verwandlung des Lebens in Lifestyle wird der persönliche Auftritt anstrengend. Man muss sich stets überlegen, was man trägt, wie man wirkt. Warum soll man sich das antun?
Das ist nicht anstrengend, das ist schön. Wenn man sich morgens anzieht, will man sich den ganzen Tag in seiner zweiten Haut wohl fühlen.

Nun ist es aber auch so, dass Sie als Unternehmer die klassischen Werte des gehobenen Mittelstands vertreten: Fleiss, Selbstverantwortung, Sparsamkeit.
Ja, warum?

Ich will auf einen Widerspruch hinaus. Sie tragen dazu bei, das Leben in Lifestyle zu verwandeln und ein Konsumverhalten zu fördern, das Sie als Unternehmer zugleich ablehnen.
Nun werden Sie aber philosophisch! Was wäre denn die Alternative? Dass es keine Modeunternehmen mehr gäbe? Die PKZ-Gruppe macht und verkauft Mode für Leute des gehobenen Mittelstands. Sie sollen sich wohl fühlen in ihrer zweiten Haut, sie sollen gute Kleider für gutes Geld in guten Geschäften finden. Wir helfen ihnen dabei. Wir bieten nur qualitativ hochwertige Mode zu einem guten Preis-Leistungs-Verhältnis an. Das sind genau die Werte, die ich als Unternehmer vertrete.

Bei PKZ wird die Sparsamkeit hochgehalten. Man sagt Ihnen nach, dass Sie das Papier zweimal beschriften, hinten und vorne.
Das mit dem Papier stimmt. Wir pflegen Schweizer Tugenden. Und deshalb verstehen wir auch unsere Kunden. Sie wollen keine Buntheit, keine Protzigkeit, keine Aufschneiderei. Sie wollen etwas völlig anderes: einen guten Look zu vernünftigen Preisen. In Florenz oder Mailand geben die Leute einen höheren Anteil ihres Einkommens für gute Kleidung aus als wir. In den italienischen Städten zu flanieren und sich all die gut angezogenen Menschen anzuschauen, ist eine Augenweide. Aber am Ende ist mir unser diskreter Lifestyle dennoch sympathischer. Man macht auf Understatement.

Das ist jetzt aber etwas gar heile Welt. Das kreditbasierte Leben hat auch in der Schweiz Einzug gehalten. Der Verschuldungsgrad von Privaten, von Unternehmen und vom Staat nimmt ständig zu.
Diese Entwicklung beobachte ich mit Sorge. Ich agiere als Unternehmer sehr konservativ. Wir geben nicht mehr aus, als wir einnehmen. Gewinne werden ins Unternehmen reinvestiert. Wer an die Börse geht, ist aber selber schuld. Er macht vielleicht das schnelle Geld, verliert dadurch aber viel unternehmerische Unabhängigkeit. Das entspricht mir nicht. Ich will meine Entscheidungen frei treffen und langfristige Strategien verfolgen. Ich bin niemandem Rechenschaft schuldig ausser meinen Kunden und meinen Mitarbeitern.

Ihr Familienunternehmen hat eine 130jährige Geschichte. Macht Sie das stolz?
Das Unternehmen hat auch harte Zeiten durchgemacht. Anfang des 20. Jahrhunderts war es einmal fast pleite, dann auch in den 1930er Jahren und später noch einmal. Ich führe PKZ nun seit 25 Jahren. In dieser Zeit hatte ich das Glück, dass ich nie eine Bank um einen Kredit bitten musste. Das macht mich stolz.

Mir fällt auf: Sie sprechen von Ihrem Unternehmen so, als wäre es ein eigenes, von Ihnen verschiedenes Ding.
Das ist auch so. Ich bin Angestellter dieses Unternehmens.

Sie sind jedoch zugleich Eigentümer.
Ich unterscheide hier sehr klar: es gibt Dinge, die dem Unternehmen gehören, und es gibt Dinge, die mir gehören. Das Unternehmen ist eine juristische Person. Dieser Begriff ist sehr präzise: es ist eben wirklich eine eigene Persönlichkeit, die ich zu achten habe. Sie ist ein eigener Organismus, ein «produktives soziales System», wie Professor Ulrich in St. Gallen sagte, das ohne mich existieren kann.

Sie werden wieder philosophisch…
…dieses Lebewesen hat seine Eigenarten, seine eigene Firmenkultur. Sie finden das philosophisch? Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die zeigen, dass sich eine in keinem Kodex festgehaltene Firmenkultur selbst in managergeführten Unternehmen über mehrere Jahrzehnte halten kann. Es gibt eben Dinge, die man im Unternehmen tut, und es gibt Tabuthemen, die man meidet…

…zum Beispiel?
Wir haben kein Factory-Outlet. Wir hatten nie eins, wir werden keins haben, und es ist auch noch niemand auf die Idee gekommen, nach einem zu fragen. Das passt einfach nicht zu unserer Kultur der Wertschätzung.

Der Familienunternehmer möchte, dass das Unternehmen in Familienhänden bleibt. Haben Sie Ihre Nachfolge schon geregelt?
Ich würde mich freuen, wenn das Unternehmen auch in fünfter Generation in der Familie bliebe. Nur hängt das nicht von mir ab. Ich zwinge meine Kinder nicht, im Unternehmen mitzumachen, sie sollen sich aus freien Stücken dafür entscheiden. Sie müssen sich dazu berufen fühlen. Zentral ist für mich, dass es dem Unternehmen weiterhin gut geht.

Empirische Studien zeigen, dass Unternehmen oft in der dritten oder vierten Generation in Krisen geraten und verkauft werden. Sie haben den Umsatz von 50 Millionen auf 220 Millionen Franken gesteigert. Woher nehmen Sie Ihre Motivation?
Es ist der Wettkampfgeist. Um erfolgreich zu sein, müssen Sie besser sein wollen als Ihre Konkurrenten. Ich liebe es, Zahlen über Marktanteile zu vergleichen. Dann ist da aber auch noch meine Erziehung, für die ich dankbar bin. Ich wurde zu Selbstdisziplin und Sparsamkeit erzogen. Das hat mich davor bewahrt, als Vertreter der vierten Generation auf den Putz zu hauen und zu verprassen, was meine Ahnen geschaffen haben.

Unternehmen haben Zyklen. Sie kommen und gehen, sie werden gegründet und irgendwann liquidiert.
Ich habe damit kein Problem. Die Bedürfnisse der Menschen ändern sich, es weht plötzlich ein anderer Zeitgeist. Darauf muss man sich einstellen. Daraus, dass etwas schon lange existierte, lässt sich kein Anspruch auf weitere Existenz ableiten. Seine Berechtigung zieht ein Unternehmen daraus, dass es Bedürfnisse von Menschen befriedigt. Unternehmen, die sich wie unseres immer wieder dem Zeitgeist anpassen, haben langfristig sehr gute Chancen.

Sie sind in den letzten Jahren ständig gewachsen. Gibt es so etwas wie eine gute Grösse?
Meine Mutter hat mir vor zehn Jahren gesagt: «Sohn, es geht dir doch gut, warum willst du immer weiterwachsen?» Wachstum ist kein Selbstzweck, sondern Ausdruck von Vitalität. Was kein Wachstumspotential mehr hat, trägt schon den Keim des Zerfalls in sich. Wenn ein Mensch nichts Neues mehr lernen will, ist er geistig tot. Wenn ein Unternehmen nicht mehr wachsen will, ist sein Niedergang eingeläutet. Was gesund ist, wächst. Das heisst aber nicht, dass jedes Wachstum gesund ist.

Letzte Frage. Ich bin in einem ansonsten braven Text von Ihnen über einen Satz gestolpert. Sie haben darin den Glauben an die «politische Allmacht» gegeisselt. Was meinten Sie genau damit?
Ich mag die Schweiz, deshalb kritisiere ich sie. Die Leute arbeiten im Prinzip gerne und viel, sie nutzen die Spielräume, die sie haben. Aber zugleich wächst der Staat. Ich gebe Ihnen ein Gedankenexperiment mit auf den Weg. In der Stadt Zürich wohnen rund 380’000 Menschen. Etwa zwei Drittel dürfte stimmberechtigt sein: 250’000 Menschen. Von ihnen wiederum geht bloss gut ein Drittel stimmen: 80’000. In der Stadt Zürich arbeiten deutlich mehr als 40’000 Menschen für den Staat, also haben diese bei einer Abstimmung die Mehrheit. Also, meine Frage an Sie: wohin führt dieses System auf Dauer?

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