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Bitte anständig sein

Banker, die trotz Milliardenverlusten und schlechten Eigenkapitalrenditen Millionenboni kassieren, korrupte Manager und bestechliche Beamte – sie alle sind Treiber des Volkszorns. Und was öffentlich als Skandal wahrgenommen wird, dient für Bürokraten aller Couleur als Einladung, Menschen mit Hilfe von Gesetzen und Verordnungen zu «erziehen». Der Einzelfall wird damit nicht selten zum Einfallstor für abstruse Projekte. […]

Banker, die trotz Milliardenverlusten und schlechten Eigenkapitalrenditen Millionenboni kassieren, korrupte Manager und bestechliche Beamte – sie alle sind Treiber des Volkszorns. Und was öffentlich als Skandal wahrgenommen wird, dient für Bürokraten aller Couleur als Einladung, Menschen mit Hilfe von Gesetzen und Verordnungen zu «erziehen». Der Einzelfall wird damit nicht selten zum Einfallstor für abstruse Projekte. Als aktuelles Beispiel darf die neue Arbeitszeiterfassung in der Schweiz dienen, über die uns gerade kürzlich ein – tatsächlich – freundlicher Herr aufklärte, der als Kommissar die Redaktionsräumlichkeiten inspizierte. Nebenwirkungen dieser – zumindest in unserem Kontext – völlig fehlgeschlagenen Erziehungsversuche (erklären Sie mal einem eigenverantwortlichen Journalisten, er dürfe keine E-Mails mehr nach Feierabend lesen oder versenden!) produzieren wiederum neue Regeln. Und so weiter und so fort.

Klar ist in diesem Kontext aber auch: Wem staatliche Regulationen zuwider sind, muss Alternativen anbieten. Eine solche ist das neuste Buch des Managementphilosophen Reinhard K. Sprenger, der für diese Zeitschrift bereits als Kolumnist amtete. In «Das anständige Unternehmen» skizziert Sprenger die Grundlage für einen Anstand, der sich ökonomisch lohnt. Er ist überzeugt: «Anstand muss wirtschaftlich erfolgreich sein.»

Es gibt sie: Tausende von anständigen Unternehmern, die genau praktizieren, was Sprenger meint: Sie betrachten Mitarbeiter niemals nur als Werkzeuge, sondern immer auch als Zweck. Sie behandeln ihre Mitarbeiter nicht wie Kinder, die an der kurzen Leine gehalten werden müssen. Sie nehmen die Menschen, wie sie sind, und setzen ihre Individualität gewinnbringend ein. Kurz: Sie verstehen ihre Mitarbeiter als «Freiheitswesen», die weder vereinnahmt noch überwacht und bevormundet werden müssen. Solche Mitarbeiter gebärden sich auch jenseits korrekt erfasster Arbeitszeiten als anständige Menschen – ohne das Wort «anständig» jemals in den Mund zu nehmen.

Dass der Begriff Anstand im heutigen Wirtschaftsleben antiquiert anmutet, ist also kein Grund, ihn der Vergangenheit zuzuordnen. Allerdings: Wer anständig ist, muss weniger darüber sprechen. Und wo vermehrt von ihm die Rede ist, wird er offenbar vermisst. So oder so: Anstand hat Zukunft, denn Anstand zahlt sich aus. Zumindest langfristig. Dann verschwinden auch die staatlichen Anstandswauwaus wieder. Hoffentlich.

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