Arbeitsweg
Mein eigener Arbeitsweg führte mich schon in jungen Jahren zu Fashionshows auf der ganzen Welt. Modephotographie. Egal, ob in Kairo oder New York: Make-up, Licht, harte Linien, Wimpernaufschlag, Lippenstift. Nun diese Flipflops in rotem Dreck. Zwei Beine, die, balancierend, einen mühsamen Schritt vor den anderen tun. Der Weg zur Arbeit wird selbst zu einer solchen. […]
Mein eigener Arbeitsweg führte mich schon in jungen Jahren zu Fashionshows auf der ganzen Welt. Modephotographie. Egal, ob in Kairo oder New York: Make-up, Licht, harte Linien, Wimpernaufschlag, Lippenstift. Nun diese Flipflops in rotem Dreck. Zwei Beine, die, balancierend, einen mühsamen Schritt vor den anderen tun. Der Weg zur Arbeit wird selbst zu einer solchen.
Meine Reise nach Myanmar im vergangenen Jahr war keine Arbeitsreise. Sie kam ohne künstliches Licht aus. Überhaupt: Künstliches, an das man sich in unseren Lebenswelten gewöhnt hat, wird hier höchstens importiert. Der Reistransporter bietet sich als Karaokebühne an. Und im Zug von Yangoon nach Bagan, einem rostigen Monster aus Kolonialzeiten, gestalten die Pendler sogar das Interieur selbst: Gemüse reist vom Land in die Stadt, Hühner reissen aus. Dazwischen Menschen, die von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang arbeiten, auch wenn sie unterwegs sind. Ihre Hände sind morgens so geschunden wie abends, nur, wie ihre Gesichtszüge, etwas weicher. Ihre Gesichter schauen nicht in Mobiltelefone, sondern in anderer Arbeiter Augen. Im 10er-Tram ist das beinahe anrüchig.
Millionen Arbeitswege kreuzen sich. Und sie alle werden von Naturgewalten gekreuzt, nicht selten vernichtet. Wasser, Schlamm, Wind. Am Inle Lake ist kein Weg mehr, wo früher einer war. In Pyaj rettet ein Bauer mit seiner Frau die Reisernte. Nein, sie retten das, was nach dem Unwetter noch zu retten ist. Um zu essen. Und sie essen, um zu arbeiten. Sein Arbeitsweg sei nun schon 78 Jahre lang. Er sei müde, sagt er. Aber nicht satt.