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«Arbeit hat mit Identität zu tun»

Thomas Berset

Als Thomas Berset pensioniert wurde, fuhr er erst einmal ­alles herunter. Er entledigte sich seiner beruflichen Verpflichtungen, trat aus allen Vereinen aus und fuhr nach ­Südfrankreich, um den Kopf «durchzulüften». «Ich wollte herausfinden, was ich in dieser neuen Phase meines Lebens brauche», sagt er. Bald war ihm klar, dass die Arbeit dazu­gehört. «Die Arbeit hat für mich mit Identität zu tun.»

Heute ist der 68-Jährige als Referent wie schon vor seiner Pensionierung an einer Fachschule für Sozialpädagogik tätig, nun allerdings mit deutlich reduziertem Pensum; daneben arbeitet er als Supervisor und Coach. Zudem restauriert er als Antikschreiner alte Möbel. Und er hat begonnen, Jazzgitarre zu spielen.

Nach der Lehre als Feinmechaniker machte Berset eine Ausbildung zum Sozialpädagogen. Dass ihn die Arbeit mit unterschiedlichen Menschen zusammenbringt und «wachhält», war ein wichtiger Antrieb, sie über 65 Jahre hinaus zu machen. Finanziell bestehe keine Notwendigkeit, weiterzuarbeiten. Das gibt ihm die Freiheit, sich beispielsweise einmal eine gute Gitarre zu kaufen, Projekte zu unterstützen oder mehr Geld zu spenden.

Aus Sicht des schweizerischen Vorsorgesystems ist Berset ein Ausnahmefall. Doch eine wachsende Anzahl von Personen setzen sich nach Erreichen des gesetzlichen Pensionsalters nicht einfach zur Ruhe, sondern gehen – meist in reduziertem Umfang – weiterhin einer Erwerbstätigkeit nach. Die Idee eines fixen Pensionsalters, eines klaren Schnitts zwischen Erwerbsleben und Ruhestand, hält Berset für «total überholt». In seinem Umfeld seien viele mit 65 in nicht selten respektloser Art verabschiedet worden. Obwohl doch Betriebe vom Know-how Älterer profitieren könnten.

Aus seiner Sicht müsste man ein Modell finden, in dem Menschen zusammen mit dem Arbeitgeber einen Fahrplan entwickeln können, wie und in welchem Umfang sie zwischen 60 und 80 Jahren noch beruflich aktiv sind und wie ihr Know-how genutzt werden kann. Für Berset ist klar: «Es ist eine Ressourcenverschwendung, wenn Leute mit 65 aus­gemustert werden.»

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