Wir brauchen Ihre Unterstützung — Jetzt Mitglied werden! Weitere Infos

Apéro

Häppchen aus der Alltagskultur

Wovon träumst du?

Alle jene, die zuhause sitzen im Lockdown, in der Quarantäne oder einfach nur in der Einsamkeit, und draussen wartet nur matschiger Schnee und nichts zu tun, sollten sich daran erinnern, dass nach wie vor neue, gute Popsongs geschrieben und produziert werden. So von Liam Gallagher, der seine letzten November herausgekommene Single «All You’re Dreaming Of» unbescheiden als «instant ­classic» einstuft, «perfekt für diese Zeit des Jahres». Ganz zu Recht, muss man sagen. ­Dieses Lied wird mit Sicherheit noch an vielen Weihnachtsabenden gespielt werden. Rück­blickend auf 2020 hofft Gallagher, dass sein Werk «etwas dringend benötigte Liebe und Hoffnung zurückbringt. Bing Crosby wäre stolz gewesen.» (rg)

Liam Gallagher in concerto a Locarno foto di Oriana Spadaro per www.rockon.it

Wo ist die Verbotskultur, wenn man sie braucht?

Verschmelzung und gegenseitige Bereicherung von Esskulturen in Ehren, aber «Dönrac»?! Entdeckt in ­Wetzikon. (lz)


Dieseits von Heidi

Nicht nur wegen dem Büchner-Preis für Lukas Bärfuss, dem 2019 als viertem Schweizer überhaupt die bedeutendste Literaturauszeichnung deutscher Sprache verliehen wurde, darf daran erinnert werden, dass die hiesige Prosa stets mehr zu bieten hatte als «Heidi», mit der sie im Ausland gern assoziiert wird. Eine so kompakte wie verspielte Erinnerung hieran ist die Anthologie «99 beste Schweizer Bücher», herausgegeben von Pascal Ihle, Christine Lötscher, Sonja Lüthi, Thomas Ribi und Sandra Valisa. Darunter findet sich selbstverständlich der besagte Klassiker von Johanna Spyri, aber auch Romane, Novellen, Erzählungen und anderes von Jungstars, Provokateuren, Verfemten und Vergessenen, die in allen vier Landessprachen, bisweilen gar in Idiomen geschrieben haben – originell angeordnet und mit vielen unerwarteten Querverbindungen aufwartend. (vsv)


Rückkehr der Flüsterstube

Die Fallzahlen steigen: In verlassenen Industrielokalen, abgelegenen Bunkern, einsamen Berghütten, blickdichten Hinterzimmern und dunklen Kellern mehren sich die subversiven Umtriebe. Menschen kommen zusammen, trinken und essen – nie schmeckten «Ghackets und Hörnli» leckerer als im ­temporär illegalen Untergrund. Um politischer Verfolgung zu ­entgehen, können keine genaueren Angaben publiziert werden. Dem Vernehmen nach soll aber bereits schon auf eine Art getanzt, gelacht und gesungen worden sein, dass jedem iranischen Revolutionswächter die Zornesröte ins Gesicht ­gestiegen wäre. Der Frohsinn kehrt nun immerhin im Untergrund zurück. Bereits Al Capone wusste: «Die Prohibition hat nichts als Ärger gemacht.» (ri)


Medien-Bias veranschaulicht

In Zeiten von Filterblasen und Polarisierung ist es nicht leicht, den nüchternen Überblick über das Geschehen in der Welt zu behalten. Unterstützung bietet die App Ground News. Sie bündelt zu jeder Geschichte Artikel aus verschiedensten Newssites, geordnet nach politischer Tendenz, und macht damit die unterschiedlichen Spins schnell sichtbar. Besonders praktisch: Die App zeigt, welche Geschichten von linken oder rechten Seiten gepusht und welche ignoriert werden. Ein Wermutstropfen: Bis anhin steht der Service nur für englischsprachige Medien zur Verfügung. (lz)


Plädoyer für einen ausgebauten Deutschunterricht

Die Journalisten Marcel Aburakia und Malcolm Ohanwe waren bzw. sind für diverse deutsche Medien tätig, darunter auch für den öffentlich-rechtlichen Bayerischen Rundfunk. Zusammen betreiben sie den Podcast «Kanackische Welle», der sich ­«Politik, Popkultur, Rassismus, Sport, Gender» widmet. Der krampfhaft witzig gemeinte Name, der ein Vierteljahrhundert nach dem Gesprächsband «Kanak Sprak» des Schriftstellers Feridun Zaimogˇlu wie eine migrantische Schlaftablette wirkt, ist Programm: Alle paar Wochen schwappt Identitätspolitik durch den Äther. In einem kürzlichen Statement zur Forcierung von Mehrsprachigkeit, das eine Kritik an Rassismus im Bildungswesen hätte sein sollen, hat Aburakia, der an einer privaten Journalistenschule ausgebildet worden ist, ein un­freiwilliges Plädoyer für den Ausbau des Deutschunterrichts formuliert. Auf wenigen Zeilen finden sich ein Grammatik­fehler («Das Bildungssystems»), ein Tippfehler («Veitnamesisch»), ein Pleonasmus («neu überdacht»), eine schlechte ­Formulierung («ganz natürlich») sowie eine recht seltsam ­anmutende Konstruktion («Unsere Muttersprachen sind auch wichtiger Teil Deutschlands.»). Dann doch lieber Goethe. (vsv)


Auf ein Glas Pawsecco

Was tun, wenn Sie in die wohlverdienten Ferien verreisen, doch schweren Herzens die beiden Stubentiger Kitty und Krümel alleine zurücklassen müssen? Im Aristôtel Swiss Luxury & SPA Cat Hotel in Siebnen (SZ) werden Ihre Liebsten nach Strich und Faden verwöhnt. Ob bei der Fellpflege, einer personalisierten Bachblütenbehandlung, dem täglichen Sportprogramm oder einem A-la-cat-Menü mit einem Glas Pawsecco: Hier kommt jeder Vierbeiner auf seine Kosten. Alle Suiten des Hauses verfügen unter anderem über einen Fernseher sowie eine selbstreinigende elektronische Katzentoilette. Und sollten Sie eines ­Tages Sehnsucht nach Ihren Schmusetigern verspüren, richten die Besitzer des Aristôtel gerne eine Verbindung via Videochat ein. (jb)


Ein Stadtspaziergang der aussergewöhnlichen Art

Eine Stadt kennt man erst richtig, wenn man sie gehend entdeckt hat. Und weil ohnehin fast alle Kulturinstitutionen geschlossen sind, er­greifen wir die Gelegenheit, auf einem Spaziergang durch Mexiko-Stadt die Alltagskultur zu erfahren oder eben: zu erwandern. Wir, ein Schweizer Journalist und ein mexikanischer Fotograf, brechen bei ­Sonnenaufgang vom Flughafen am östlichen Stadtrand auf. Das Ziel: das westliche Ende der Stadt. Wobei die Bezeichnung Stadt der Metropole kaum gerecht wird. Diese  Ansammlung von 12 Millionen Menschen allein innerhalb der eigentlichen Stadtgrenze (und weiteren 10 Millionen im Ballungsgebiet) umfasst eigentlich mehrere gänzlich unterschiedliche Städte. Das Gebiet um den Flughafen gehört zu den ärmsten Vierteln. Wir haben nur die nötigsten Wertsachen dabei und tragen die teure ­Fotokamera möglichst unauffällig bei uns. Der ­Betreiber eines Tacos-Stands kocht in der Morgensonne Schweinehäute und klagt über den schleppenden Geschäftsgang in der Pandemie. Ein Müllmann zieht ­seinen Karren durch die Strassen, sammelt und sortiert den Abfall, den die Metropole hinterlässt.  Das historische Zentrum ist von kolonialer Architektur geprägt. Totenschädel starren uns von Figuren und Wandgemälden entgegen. Der Tod ist allgegenwärtig in der mexikanischen Kultur. Wir stossen auf eine Konditorei mit dem Namen «Pasteleria Suiza». Sie wurde 1947 von einem genferisch-katalanischen Einwanderer gegründet, wie uns der Mann der Besitzerin erklärt. Die Kunden, die in der Schlange vor dem Laden anstehen, betonen übereinstimmend, die Dreikönigskuchen hier seien die besten Mexikos (auch wenn sie mit Schweizer Dreikönigskuchen wenig gemeinsam haben). Jenseits des weitläufigen Chapultepec-Parks erheben sich die wohl­habenderen Viertel der Stadt. Herrschaftliche Villen reihen sich an pompöse Botschaften, alle hinter hohen Mauern, Stacheldraht oder gleich in einer abgesperrten Privatsiedlung. Plötzlich hält ein Polizei­auto neben uns. Die Beamten durchsuchen uns von Kopf bis Fuss. Es sei nicht ­erlaubt, hier Fotos zu machen, behaupten sie, und verlangen 8000 Pesos (rund 350 Franken) Busse. Als wir erklären, nur 500 Pesos bei uns zu ­haben, geben sie sich damit zufrieden und stecken das Geld ein. ­Nachdem wir die Armenviertel schadlos durchquert haben, werden wir kurz vor unserem Ziel inmitten von Luxusvillen von der Staatsmacht ausgeraubt. (lz)

 

»
Abonnieren Sie unsere
kostenlosen Newsletter!