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Apéro

Häppchen aus der Alltagskultur

Vorlesestunde mit Heather Heying

Bret Weinstein und seine Frau Heather Heying gehören zu den führenden Köpfen des Intellectual Dark Web. Weltweit haben knapp 225 000 Personen Weinsteins YouTube-Kanal abonniert. Im «Dark Horse Podcast», einer wiederkehrenden Rubrik auf seinem Kanal, diskutieren die beiden Evolutionsbiologen (gerne auch mit tierischer Unterstützung) über so ziemlich alles, was für sie von aktuellem Interesse ist: von Trumps Coronaerkrankung hin zu Joseph Hellers Satire­roman «Catch-22». Die beiden reden frei von der Leber weg und übertragen ihre Konversation via Livestream. Wir ­staunten nicht schlecht, als Heying in Episode 48 aus ihrem «Schweizer Monat»-Essay unserer Oktoberausgabe vorlas. (jb)


Verstummte Bürger

Wenn am 3. November in den USA ein neuer Präsident gewählt wird, kommt es auf jede Stimme an. Doch zählt auch jede Stimme gleich viel? Der Dokumentarfilm «All in: The Fight for Democracy» (verfügbar auf Amazon Prime) zeichnet die bedrückende Geschichte von Versuchen insbesondere in den Südstaaten nach, gewisse Gruppen an der Ausübung ihres Wahlrechts zu hindern. Vor allem Afroamerikaner wurden faktisch entrechtet, mit massgeschneiderten «Literacy Tests», der Erhebung von «Gebühren» für das Wählen oder roher Gewalt. Solche Methoden gehören der Vergangenheit an, doch auch heute erschweren es die USA wie kaum eine Demokratie den Bürgern, ihre politischen Rechte zu nutzen. So wird Leuten der Eintrag ins Wahlregister verwehrt, weil sie nicht die korrekte Art von Ausweisdokument vorlegen können, oder sie werden ohne Mitteilung aus dem Register gestrichen. Der Film von Liz Garbus und Lisa Cortés nimmt zwar eine eindeutige Haltung ein, die zuweilen in Einseitigkeit kippt. Dennoch ist er hochaktuell und -relevant. Denn er zeigt: Wer seiner politischen Rechte beraubt wird, verliert in ­einer Demokratie auch seine Stimme. Sie zu verteidigen, ist ein stetes Gebot. (lz)


Erkenne Dich selbst

Welche ist die stärkste Droge des 21. Jahrhunderts? Alkohol? Cannabis? Oder doch der eigene Facebook-Feed? «Wie wachst du aus der Matrix auf, wenn du nicht weisst, dass du drin bist?», werden die Zuschauer in der neuen Netflix-Doku «The Social Dilemma» gefragt. Es wird gezeigt, wie die «sozialen» Medien unsere Welt verändern – zum Schlechteren. Beinahe unbemerkt rauben Facebook, Twitter und Instagram Lebensqualität und machen uns zerbrechlich, mutlos und beeinflussbar. Die Langzeit­schäden: Polarisierung, gesellschaftliche Spaltung und ­Fokusverlust. Die Dokumentation konfrontiert uns mit bitteren Wahr­heiten und zwingt unangenehme Fragen auf. Die wohl ­wichtigste: Was tue ich gegen die eigene Sucht? (ri)


Leserbrief-Pingpong

Dissens in den Leserbriefspalten der Neuen Zürcher ­Zeitung über den im August 1960 in den «Schweizer ­Monatsheften» erschienenen Artikel «Schweizerische ­Eigenart und europäische Integration» von Gerhard ­Winterberger. Dessen Tochter, alt Regierungsrätin Ursula Gut-Winterberger, unterstellte alt Bundesrat Christoph Blocher, er habe ihren Vater in einem (übrigens sehr ­lesenswerten) Doppelinterview mit Walter Kielholz im «NZZ Folio» falsch zitiert, und schrieb, es gehe nicht an, «den Eindruck zu erwecken, mein Vater hätte die ­Kündigungsinitiative unterstützt». Tatsächlich hat Blocher durchaus korrekt zitiert – es lässt sich im besagten Artikel nachlesen. Winterberger schreibt: «Das Problem der ­Überfremdung wird sich im Zusammenhang mit der europäischen Integration verschärfen. Von dieser Seite her droht der schweizerischen Eigenart die grösste Gefahr. Falls unser Land dem Prinzip der völligen Freizügigkeit der Arbeitskräfte innerhalb Europas bedingungslos zustimmen und die Niederlassungspolitik sehr liberal und grosszügig handhaben würde, so müsste dies den Anfang des Untergangs der Schweizerischen ­Eidgenossenschaft bedeuten.» Während die NZZ den ­ersten Leserbrief von Gut-Winterberger noch mit «Falsch zitiert» übertitelte, hiess es dann über dem ­zweiten: «Irreführend zitiert». (rg)


Der Ägerisee liegt auch in Italien

Über meinem Sofa hängt eine Fotografie von Robert Bösch. Es zeigt einen Berg – das Motiv, für das der Fotograf berühmt ist. Doch er ist im Nebel kaum zu erkennen, vordergründig sieht man eine leicht gewölbte, gestochen scharfe Schneedecke. Weiss- und Grautöne, Schatten, Licht, Schärfe machen aus dem klassischen Motiv etwas unerwartbar Abstraktes, das eher einem Gemälde als ­einer Fotografie gleicht. Das war es, was mich an diesem Bild so fasziniert hat – warum ich es den imposanteren Berg­bildern vorgezogen habe. In seinem neuen Buch «No Man’s Land» (Till Schaap Edition, 2020, bestellbar ­unter ­robertboesch.ch) wendet sich Bösch neuen Motiven zu: der Welt abseits der Berge. Bösch schreibt im ­Vorwort: «‹No Man’s Land› zeigt Bilder, die ich als Welten-Reisender und als Zu-Hause-­Bleibender gesehen und ­gemacht habe, während ich mit meiner Kamera auf diesem Planeten ­unterwegs war.» Zu sehen sind Tiere, Städte, Strassen, Landschaften – mal mehr, mal weniger naturalistisch. Es sind aber gerade die abstrakten Bilder, die mich begeistern, die ich an meine Wände hängen möchte: Wenn Motive zu Farbflächen, Oberflächen und Strukturen ­reduziert werden, so dass der Ägerisee auch das Mittelmeer und das Mittelmeer der Ägerisee sein ­könnten. (ar)

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