Anstiftung zum Geben
Philanthropie ist eine boomende Branche. Wo kann, wo muss sich der Stiftungsstandort Schweiz anpassen, weiterentwickeln, erneuern? Rechtliche Gedanken zu einer neuen Strategie.
Die Schweiz hat eine reiche Stiftungskultur und eine ebensolche Praxis der Gerichte und Aufsichtsbehörden. Stiftungen, könnte man sagen, gehören zum Selbstverständnis der modernen Schweiz. Daran hat sich seit den ersten kantonalrechtlichen Kodifikationen im 19. Jahrhundert, der bundesweiten Normierung im Zivilgesetzbuch 1912, dem Aufkommen und Überhandnehmen des Wohlfahrtsstaats im 20. Jahrhundert nichts geändert. Das geltende Stiftungsrecht stammt im wesentlichen aus dem Jahr 1907. Seine liberale Grundausrichtung hat sich bewährt. Es ist nicht alles bis ins letzte gesetzlich geregelt, sondern den Stiftern und Stiftungsräten werden viele Freiheiten gelassen. Die Praxis der Gerichte und der Aufsichtsbehörden engt diesen Gestaltungsspielraum meist nicht unnötig ein. Dennoch stehe ich der Metapher vom «Stiftungsparadies Schweiz», obwohl ich sie vermutlich auch schon gebraucht habe, skeptisch gegenüber. Der Grund ist einfach: Von Höhepunkten geht es nur noch abwärts. Dieser Beitrag listet daher nicht auf, was alles gut und schön ist und für den Stiftungsstandort Schweiz spricht. Der Blick richtet sich vielmehr auf Schwachstellen, Kritikpunkte, Monenda, heutige und mögliche zukünftige Desiderate.1
Im Jahr 2006 ist eine Teilrevision des Stiftungsrechts in Kraft getreten. Auch von anderen Rechtsgebieten her haben sich für Stiftungen relevante gesetzliche Neuerungen ergeben (Fusionsgesetz, Öffentlichkeitsgesetz, Steuerrecht, Rechnungslegungs- und Revisionsrecht). Revolutionen sind daher derzeit nicht vonnöten, eine Totalrevision des Stiftungsrechts nicht angezeigt. Änderungen und Ergänzungen sind behutsam vorzunehmen. Auch die Stiftungsaufsicht hat sich insgesamt bewährt und sollte nicht aufgebläht werden.2
Wettbewerb der Stiftungsstandorte
Der Berner Ständerat Werner Luginbühl (BDP) hat am 20. März 2009 eine Motion zur Steigerung der Attraktivität des Stiftungsstandorts Schweiz (09.3344) eingereicht. Die Motion bezweckt im wesentlichen die Verbesserung der steuerlichen Rahmenbedingungen für Stiftungen in der Schweiz im Sinne einer Reaktion auf europäische Entwicklungen des Stiftungswesens. In der Folge sind von verschiedener Seite Vorschläge für weitere Massnahmen gemacht worden.3 Die Motion wurde von beiden Räten in einer teilweise abgeänderten Fassung angenommen. Seither liegt das Geschäft beim Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement (EJPD) – und liegt und liegt.
Was im Falle von grossen Unternehmungen längst etabliert ist, beginnt sich auch bei grösseren Stiftungen und Stiftern abzuzeichnen: ein internationaler Standortwettbewerb. Die Konkurrenz schläft nicht. Sie muss als global und als dynamisch angesehen werden. Das entspricht zwar noch nicht überall den aktuellen Gegebenheiten, ist aber absehbar. Bereits heute betrachten immer mehr europäische Länder − von den USA zu schweigen − Stiftungsrecht und Stiftungspolitik auch unter dem Gesichtspunkt der Standortpolitik. Das Fürstentum Liechtenstein hat vor kurzem mit einem neuen Stiftungsrecht «aufgerüstet». Beim von der EU-Kommission geförderten Statut einer europäischen Stiftung − einer supranationalen, neben dem Recht der Einzelstaaten gegebenen Rechtsform − bleibt zu beobachten, wie es sich entwickeln wird.
Philanthropie ist eine boomende Branche. Es gibt weltweit immer mehr Reiche und Vermögende, gerade in Schwellenländern, und die Bedeutung des philanthropischen Engagements wächst. Dazu gehört auch die internationale Wiederentdeckung der Kultur des Gebens und des Etwas-der-Gesellschaft-Zurückgebens. Andererseits steht die Schweiz vor der Gefahr einer schwindenden Bedeutung ihres Finanzplatzes. Dieser muss ein besonderes Interesse an der Stärkung des lokalen Stiftungsstandorts haben. Immerhin verwalten die gemeinnützigen Schweizer Stiftungen gemäss dem Stiftungsrapport 2012 ein Vermögen von 70 Milliarden Franken und jede Stiftung ein durchschnittliches Vermögen von 6,2 Millionen Franken.
Die Schweiz tut gut daran, den Anschluss nicht zu verpassen bzw. ihren Vorsprung, wo es denn einen gibt, nicht fahrlässig preiszugeben. Die Schweizer Stiftungslandschaft braucht nicht nur einen kompetitiven stiftungsrechtlichen, sondern vor allem auch einen ebensolchen steuerrechtlichen Rahmen. Und sie braucht − weil die meiste Musik in der Praxis gemacht wird − einen offenen Geist bei den Steuerbehörden.
1. Steuerrechtlichen Rahmen verbessern
Man weiss aus verschiedenen Umfragen im In- und Ausland, dass nicht nur steuerliche Motivationen zur Geburt von Stiftungen führen. Dennoch spielen die steuerlichen Rahmenbedingungen insgesamt eine bedeutende Rolle im internationalen Wettbewerb. Die Steuerbehörden sind es, die einer Stiftung den Status der Steuerbefreiung zubilligen können. In diesem Zusammenhang müssen manche alten Zöpfe überprüft bzw. abgeschnitten werden.
a) Honorierung von Stiftungsratsmitgliedern: Die Steuerbehörden sollten von ihrer Forderung der Ehrenamtlichkeit zur Einräumung der Steuerbefreiung der Stiftung endlich abrücken. Es gibt seit vielen Jahren keine einzige ernstzunehmende Stimme in der Lehre mehr, die diese Haltung − für die auch keine gesetzliche Grundlage besteht − mit valablen Argumenten unterstützt. In der Praxis sind heute massvolle Honorare üblich.
b) Grenzüberschreitende Spenden: Der Europäische Gerichtshof hat am 27. Januar 2009 in einem vielbeachteten Urteil entschieden, dass Spenden an eine gemeinnützige Institution mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedstaat im Sitzstaat des Spenders zum Steuerabzug zugelassen werden müssen. Dieser Entscheid fördert das Gemeinnützigkeits- und Spendenwesen innerhalb der EU. Die Schweiz ist hier gefordert. Im Hinblick auf die internationale Freizügigkeit von Spenden bzw. Spendenabzügen sollten daher Massnahmen ins Auge gefasst werden, mit denen sie mit den EU-Mitgliedstaaten gleichgestellt wird, insbesondere zwischenstaatliche Gegenseitigkeitserklärungen.
c) Grenzüberschreitende Förderung: Ähnlich gelagert ist die grenzüberschreitende Förderung durch Stiftungen: Grundsätzlich müssen steuerbefreite Stiftungen auch Förderleistungen im Ausland erbringen können, ohne den Status der Steuerbefreiung zu verlieren. Generell sollten Steuerbehörden − gerade auch im Kontext des internationalen Wettbewerbs − die Förderung im Ausland grosszügig zulassen. Im Gegenzug dürfen sie von den Stiftungen, welche Mittel im Ausland einsetzen, eine gute Dokumentation verlangen. Grosszügigkeit rechtfertigt sich insbesondere auch bei international konzipierten und tätigen Stiftungen, die von Anfang an klarmachen, dass sie vor allem oder sogar ausschliesslich im Ausland Förderleistungen erbringen wollen. Das Stiftungsvermögen stammt in diesen Fällen oft nicht aus der Schweiz und wurde hier auch nicht besteuert, weshalb dem Fiskus, wenn es in eine steuerbefreite Schweizer Stiftung eingebracht wird, a priori nichts entgeht.
d) Neue Formen der Förderung: Die Steuerbehörden sollten neueren Formen der Förderung von Stiftungen wie «Venture Philanthropy» positiver gegenüberstehen. Sie berufen sich in ihrer Ablehnung meist auf das legendäre Kreisschreiben Nr. 12 der Eidgenössischen Steuerverwaltung vom 8. Juli 1994; es wäre an der Zeit, das Schreiben auf die Höhe der Zeit zu bringen.
Bei dieser Gelegenheit muss auf die 2008 publizierten «Praxishinweise» der Schweizerischen Steuerkonferenz (SSK) hingewiesen werden. Die Praxishinweise zuhanden der kantonalen Steuerverwaltungen betreffend Steuerbefreiung juristischer Personen, die öffentliche oder gemeinnützige Zwecke oder Kultuszwecke verfolgen, sind eine schlimme Missgeburt, die baldmöglichst der ewigen Ruhe zugeführt werden sollten. Unschweizerisch im Alleingang produziert, stellt dieses engstirnige Beamtenpapier für den Stiftungsstandort Schweiz in der Tat, wie der Interessenverband proFonds urteilte, einen «bedenklichen Rückschritt» dar.
e) Vermögensstockspenden: Eingeführt werden könnte wie in Deutschland ein über den normalen Spendenabzug hinausgehender Sonderabzug für Zuwendungen in das Vermögen einer gemeinnützigen Stiftung (sog. «Vermögensstockspende»).
f) Zeitlich unbegrenzter Spendenvortrag: Deutschland kennt auch einen unbegrenzten Spendenvortrag: Spenden, welche die Höchstgrenze des normalen Spendenabzugs überschreiten, können zeitlich unbegrenzt auf spätere Veranlagungsperioden vorgetragen werden. Eine solche Regelung wäre auch in der Schweiz sinnvoll.
g) Mehrwertsteuer: Das neue Mehrwertsteuergesetz, am 1. Januar 2010 in Kraft getreten, hat aus rein fiskalischen Gründen die systemwidrigen Vorsteuerkürzungen beim Erhalt von Subventionen beibehalten. Sie sollten beseitigt werden.
h) Interkantonale Anerkennung der Steuerbefreiung und des Spendenabzugs bei den direkten Steuern: Obwohl das Steuerharmonisierungsgesetz die Voraussetzungen der Steuerbefreiung verbindlich für alle Kantone regelt, verweigern kantonale Steuerverwaltungen manchmal die Anerkennung von Steuerbefreiungsverfügungen der Sitzkantone der betreffenden Stiftungen bzw. Spendenabzüge an Stiftungen, die in anderen Kantonen von den Steuern befreit wurden. Dies sollte ein Ende finden.
i) Interkantonale Freizügigkeit im Bereich der Erbschafts- und Schenkungssteuern: Das analoge Problem stellt sich im Zusammenhang mit Spenden und erbrechtlichen Zuwendungen an Stiftungen, die in einem anderen Kanton ihren Sitz haben. Es bestehen zwar zahlreiche Gegenrechtsvereinbarungen zwischen einzelnen Kantonen, oder solche Zuwendungen werden de facto akzeptiert. Dennoch gibt es Lücken. Deshalb bleibt die Grundlage für eine schweizweite gegenseitige Anerkennung ein Desiderat.
2. Familienstiftung attraktiver machen
Die eingangs erwähnte Stiftungsfreundlichkeit bezieht sich fast ausschliesslich auf die klassischen Stiftungen. Die Familienstiftung hingegen hat sich in der heutigen Form überlebt. Die steuerliche Praxis ist so abschreckend, dass man niemandem mehr empfehlen kann, eine solche Stiftung zu errichten. Hinzu kommt, dass der Zweck der Familienstiftung gesetzlich eingeschränkt ist (Art. 335 ZGB). Dass Gesetzgeber und eine eng auslegende Gerichtspraxis die Familienstiftung zum Auslaufmodell gemacht haben, ist sehr zu bedauern. Die Familienstiftung kann nämlich als eine Form der Vorsorge betrachtet werden, die über Generationen hinweg tendenziell weniger Menschen der allgemeinen Fürsorge anheimfallen lässt. Beides sollte verbessert werden: Die Familienstiftung sollte steuerlich attraktiver gestaltet werden, indem das gewidmete Vermögen nicht schon bei der Einbringung ein weiteres Mal besteuert wird, und die Einschränkung der Zwecksetzung sollte fallen.
3. Privatfonds zur Vermögensperpetuierung schaffen
Dass das Bankkundengeheimnis durch internationalen Druck geschwächt werden würde, war schon lange absehbar. Die Schweiz hat es verpasst, zur Kompensation andere Positionen aufzubauen, insbesondere eine Rechtsform zu etablieren, die nicht als Steuerhinterziehungsvehikel dient, wohl aber der Vermögensperpetuierung. Eine steuerlich moderat behandelte Rechtsform, welche die Privatsphäre und die Stifterfreiheit ebenso wahrt wie die berechtigten Interessen der Gläubiger und anderer Dritter. Stiftungen könnten dies sein: Ihr Zweck darf wie erwähnt auch privatnützig sein. Unsere Nachbarn Österreich und Fürstentum Liechtenstein verfügen bereits über solche Privatstiftungen. Diese werden in der Schweiz anerkannt. Ein Schweizer, der eine solche Form will, wird also ins Ausland verwiesen. Das ist rechtlich Inländerdiskriminierung und volkswirtschaftlich Unsinn. Die Schweiz sollte eine privatnützige Stiftung − die, um nicht Ressentiments bei den Aficionados des Gemeinnützigkeitssektors zu wecken, gar nicht Stiftung heissen muss − auf die Beine stellen. Damit diese dann auch lebensfähig und attraktiv wird, müssen ihre steuerlichen Bedingungen mit Augenmass festgesetzt werden.4 Ein solcher Privatfonds unterschiede sich von der Familienstiftung vor allem dadurch, dass er nicht an eine Familie geknüpft wird. Wohl könnte auch ein Trust die Aufgabe privatnütziger Vermögensperpetuierung übernehmen. Meines Erachtens wäre aber ein nach dem bewährten Stiftungsrecht gestalteter Privatfonds einem Binnentrust vorzuziehen. Der Trust stellt für Schweizer und andere Personen, die mit dem kontinentalen Recht vertraut sind, eine fremde Rechtsfigur dar; Personen aus dem Common Law aber brauchen keinen Schweizer Trust, sie können irgendwo in der Welt des Common Law einen dort seit Jahrhunderten verwurzelten Trust errichten.
4. Unternehmensstiftungen ermöglichen
Das Bundesgericht hat schon vor zehn Jahren klargestellt, dass die Form der Unternehmensstiftung zulässig ist. Weil sie aus der Praxis entstanden ist, haben die Dogmatiker unter den Rechtsgelehrten eine natürliche Abneigung gegen sie, wie ja überhaupt Praxis und Leben der natürliche Feind jedes Dogmas sind. Ich halte es für ein Vorurteil, dass sich die Dynamik von Unternehmungen nicht mit der «Starrheit» von Stiftungen vertrage. Stiftungen haben eine ganze Reihe von Gestaltungsmöglichkeiten, die dem Bedarf an Flexibilität des Unternehmens weitgehend Rechnung zu tragen vermögen. In bezug auf Unternehmensstiftungen besteht kein gesetzgeberischer Bedarf. Hingegen benötigt sie vor ihrer Errichtung eine durchdachte Planung.
5. Erbrecht anpassen
Zur Attraktivität des Philanthropie-Standorts Schweiz könnten auch erbrechtliche Massnahmen beitragen. Das EJPD ist derzeit − infolge der Motion «Für ein zeitgemässes Erbrecht» von Ständerat Felix Gutzwiller (FDP) vom 17. Juni 2010 (10.3524) − an einer Auslegeordnung zur Revision des Erbrechts.
a) Für das Stiftungs- und Spendenwesen nützlich wäre wohl eine Herabsetzung der erbrechtlichen Pflichtteile.
b) Denkbar wäre es auch, Zuwendungen an gemeinnützige Organisationen gegenüber «normalen» Zuwendungen bevorzugt zu behandeln oder die verfügbare Quote des Erblassers um eine zusätzliche Quote für die Verfolgung gemeinnütziger Zwecke zu ergänzen.
c) Man könnte schliesslich auch bei den Erben ansetzen und diesen im Jahr des Todesfalls oder noch im Folgejahr bzw. im Jahr der Erbteilung für gemeinnützige Zuwendungen ein steuerliches Privileg einräumen. Diese wären dann von der Erbschaftssteuer abzugsberechtigt.
6. Foundation Governance fortentwickeln
Zu den Standortfaktoren gehört die Foundation Governance. In der Schweiz ist sie im wesentlichen Objekt selbstregulatorischer Bemühungen.5 So muss die schwerfällige Maschinerie der Gesetzgebung nicht in Gang gebracht werden; Governance Codes können sich weit behender fortentwickeln.
7. Recht an laufende Innovationen anpassen
Die Praxis entwickelt sich in rascher Folge weiter. Es entstehen zahlreiche neue philanthropische Formen und Modelle. Neben den selbständigen Stiftungen haben «unselbständige Stiftungen», also Stiftungen ohne eigene Rechtspersönlichkeit, an Präsenz gewonnen, insbesondere im Rahmen von sogenannten «Dachstiftungen». Ferner sind «Verbrauchsstiftungen» üblicher geworden, also Stiftungen, die ihr Vermögen angreifen dürfen. Sie sind nicht auf Dauer konzipiert, erzielen andererseits aber während ihres Bestehens mehr Wirkung. Auch im Rahmen klassischer Stiftungen kommt es zu innovativen Formen der Tätigkeit. Ihre englische Bezeichnung lässt erkennen, dass es sich meist um Übernahmen aus dem angelsächsischen Raum handelt: Pooling, Social Business, Giving Pledge, Sustainable and Impact Investing, Venture Philanthropy, Mission Based Investment etc. Alle diese neuen Formen der Stiftungen und ihrer Aktivitäten brauchen selten eine gesetzgeberische Normierung. Hingegen wäre zu diskutieren, ob manche Postulate, die in der Lehre diskutiert werden, im Gesetz verankert werden sollten:
a) Ausbau der Rechte des Stifters;
b) Einräumung von Rechten an «Zustifter», also an Personen, die der Stiftung nach deren Errichtung Zuwendungen machen. Die Schweiz kennt keine körperschaftlichen Stiftungsformen. Es gibt nicht so etwas wie eine «Zustifterversammlung» mit Entscheidungs- oder Kontrollfunktionen. Möglich ist immerhin, dass sich Zuwendende im Rahmen von Schenkungsverträgen auf dem Wege von Auflagen bestimmte Einflussmöglichkeiten vorbehalten. Dies können sie allerdings nur in bezug auf die geschenkte Summe tun. Möglich ist ferner, dass der Stifter dem Stiftungsrat die Erlaubnis einräumt, Personen, welche massgebliche Zuwendungen machen, in den Stiftungsrat zu berufen, oder dass der Stifter für solche Personen ein spezifisches Kontrollorgan einsetzt.
c) Ausbau der Rechte des Stiftungsrats: Denkbar wäre, dem Stiftungsrat nach Ablauf einer bestimmten Frist mehr Rechte einzuräumen. Zum Beispiel könnte ihm das gesetzliche Recht gewährt werden, nach Ablauf von 30 Jahren seit Stiftungsgründung die Stiftungsurkunde wie ein Stiftungsreglement, d.h. mit Genehmigung der Aufsichtsbehörde, zu ändern. Oder man könnte dem Stifter erlauben, dieses Recht dem Stiftungsrat einzuräumen.
d) Stiftungsaufsichtsbeschwerde: Schutz gegen Missbräuche in Stiftungen bietet die Stiftungsaufsichtsbeschwerde nach Art. 84 ZGB. Allerdings neigt die Praxis dazu, den Zugang zu dieser Beschwerde zu erschweren, indem sie die Aktivlegitimation eng fasst. Dies sollte überdacht werden.
e) Massnahmen gegen inaktive Stiftungen und Strukturbereinigungen: Stiftungen, die ihr Vermögen nur verwalten, sind unzulässig (Thesaurierungsverbot). Darüber hinaus sind längerfristig inaktive Stiftungen unerwünscht. Deshalb wurden schon Ausschüttungsgebote gefordert. Solche scheinen aber nicht nötig. Bereits heute kann die Aufsichtsbehörde bei Stiftungen einschreiten, deren Inaktivität nicht sachlich nachvollziehbar ist.
Das klassische Instrument, um im Markt für Hygiene zu sorgen, ist der Konkurs. Was nicht rentiert, verschwindet früher oder später vom Markt. Bei Stiftungen versagt dieses Instrument allerdings in der Regel, da Stiftungen keinen Gewinn machen müssen. Und so gibt es viele Stiftungen, die nicht sterben, aber auch nicht leben, da sie zu wenig Vermögen für nennenswerte Aktivitäten haben oder da der Stiftungsrat zu träge ist. Dieser Missstand kann mit Fusionen, Vermögensübertragungen oder Liquidationen beseitigt werden. Denkbar wäre in diesem Zusammenhang eine − allerdings nicht leicht praktikabel konkretisierbare − Bestimmung, wonach Stiftungen, die über längere Zeit inaktiv sind, zwangsliquidiert oder -fusioniert werden.
f) Grenzüberschreitende Sitzverlegungen von Stiftungen in die Schweiz (oder auch aus der Schweiz) sollten erleichtert werden.
g) Haftungsbegrenzung: Denkbar wäre eine gesetzliche Haftungsbegrenzung für Stiftungsräte für leicht fahrlässig verursachte Schäden, die sie der Stiftung in Ausübung ihrer Organtätigkeit zufügen. Stossend ist im Zusammenhang mit der Haftung auch, dass Stiftungsräte ohne Entschädigung bleiben sollen, aber dennoch die ganze Haftung zu tragen haben.
h) Transparenz: Es würde zur Transparenz im Stiftungswesen einiges beitragen, wenn die kantonalen Aufsichtsbehörden Stiftungsverzeichnisse führen müssten. Zu demselben Zweck sollten die Handelsregisterämter mindestens zwischen klassischen und Personalvorsorgestiftungen unterscheiden.
Fazit
Die wesentlichen Desiderate im schweizerischen Stiftungswesen sind einerseits steuerlicher Natur. Gesetzgeberisch sollten vor allem die Bereiche Familienstiftung und Schaffung einer Privatstiftung bzw. eines Privatfonds angepackt werden. Darüber hinaus richten sich viele Postulate nicht an den Gesetzgeber, sondern an die Praxis der Steuer- und Aufsichtsbehörden und an die Stiftungen und ihre Protagonisten selbst. Sie haben es selbst in der Hand, Fragezeichen aus der Welt zu schaffen, indem etwa von Finanzinstituten kontrollierte Stiftungen ihren Interessenkonflikten angemessen begegnen. Wer danach fragt, ob es die Aufgabe des Staates sei, den Wunsch eines einzelnen nach Ewigkeit seiner Stiftung zu sichern (und diese Sicherung zu finanzieren), kann dies mit der Schaffung einer von Anfang an befristeten oder einer Verbrauchsstiftung beantworten.
Potentielle Stifter müssen bedenken, dass Stiftungen nicht wie Vereine oder Aktiengesellschaften jeden Tag per Beschluss der Mitglieder und der Aktionäre geändert werden können. Aus diesem Grund ist es von grösster Bedeutung, dass Stifter schon vor der Stiftungserrichtung einen gründlichen Willensbildungsprozess durchlaufen. Sie müssen sich klar werden, was sie wollen, und antizipierend versuchen, die Stiftung so einzurichten, dass sie auch noch in zehn, zwanzig oder fünfzig Jahren den dannzumaligen Umständen gerecht wird. Dieser Willensbildungsprozess kann auch zum Ergebnis führen, dass am besten keine Stiftung, eine unselbständige Stiftung oder − gleichzeitig oder nacheinander − mehrere Stiftungen errichtet werden.
1 Dominique Jakob: Perspektiven des Stiftungsrechts in der Schweiz und in Europa − Einblick und Ausblick. In: Dominique Jakob (Hg.): Perspektiven des Stiftungsrechts in der Schweiz und in Europa. Basel: Helbing Lichtenhahn 2010. S. 8–19.
2 Vgl. demgegenüber die Aktivitäten des EJPD in http://www.ejpd.admin.ch/content/dam/data/pressemitteilung/2011/2011-02-23/ber-ejpd-2010-d.pdf; zugegriffen am 8.9.2012.
3 Vgl. zum Beispiel http://www.profonds.org/media/pdf/Motion_Luginbuehl.pdf; zugegriffen am 8.9.2012.
4 Vgl. dazu weiterführend: Thomas Sprecher: Braucht die Schweiz ein neues Vehikel zur privatnützigen Vermögensperpetuierung? In: Jakob, Perspektiven des Stiftungsrechts in der Schweiz und in Europa. S. 181–204.
5 Vgl. http://www.swiss-npocode.ch/cms/index.php; zugegriffen am 8.9.2012; für Förderstiftungen: Thomas Sprecher, Philipp Egger, Martin Janssen, Basel (Hg.): Swiss Foundation Code 2009, Grundsätze und Empfehlungen zur Gründung und Führung von Förderstiftungen, mit Kommentar. Helbing und Lichtenhahn, 2009 (Foundation Governance Vol. 5).