«Adieu» eines Prinzipienreiters
Politik ohne Prinzipien ist undenkbar – auch wenn sich, wer das Prinzip der Freiheit des Individuums propagiert, in der Politik schnell unbeliebt macht.
Aus liberaler Perspektive eine Kolumne über die Irrungen und Wirrungen linker und rechter Politik zu schreiben, ist anstrengend und einfach zugleich. Anstrengend, weil keine Woche vergeht, in der nicht von links und rechts ein Dutzend Politikvorschläge präsentiert werden, die dem Liberalen die Haare zu Berge stehen lassen – so schnell, wie neuer Unsinn erdacht wird, kann niemand eine Kritik daran verfassen. Einfach hingegen, weil der Liberalismus eine so klare Leitlinie bietet, an der Sinn und Unsinn politischer Vorschläge bemessen werden können: die Freiheit des Individuums.
Eine strikte Orientierung an dieser Leitlinie mutiert im Alltag der politischen Debatte fast unvermeidlich zu Prinzipienreiterei. Denn eine konsistente und konsequente politische Haltung passt so gar nicht in eine Zeit, die zugleich von politischem Pragmatismus und Populismus geprägt ist. Eines nämlich vereint etablierte Pragmatisten und ihre Antagonisten, die aufrührerischen Populisten: ihre Verachtung für Prinzipien. Prinzipien sind in der Politik lästig, sie begrenzen den Gestaltungsspielraum. Sie reduzieren die politische Geschmeidigkeit, wie man aktuell an der peinlichen – und zu oft schlicht unliberalen – Anbiederung der FDP an den grünen Zeitgeist beobachten kann.
Der Prinzipienreiter macht sich darum in der Politik unbeliebt. Er wird belächelt, ignoriert, wenn es passt, auch selektiv umarmt, nur um im nächsten Moment wieder Verachtung zu erfahren. Doch gerade für Liberale gilt: Politik ohne Prinzipien ist undenkbar. Der Liberalismus ersetzt Willkür durch Regeln. Das schafft Freiheit und, wie Geschichte lehrt, auch Wohlfahrt. Doch ohne einen normativen Kompass kann die Güte von Regeln nicht beurteilt werden. Darum gilt für Liberale, was auch für diese Kolumne galt: Es ist eine Auszeichnung, als Prinzipienreiter betrachtet zu werden. Für die Geduld, diesen Mangel an Geschmeidigkeit zu ertragen, bedanke ich mich bei Ihnen, liebe Leserinnen und Leser, und dem fantastischen Team des «Schweizer Monats».