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Abdulbaqi Abdo sitzt in Ägypten im Gefängnis, weil er Christ ist – sein Fall geht uns alle an
Ayaan Hirsi Ali, zvg.

Abdulbaqi Abdo sitzt in
Ägypten im Gefängnis, weil er Christ ist – sein Fall geht uns alle an

Die Abkehr vom Islam kann mit dem Tod bestraft werden. Soll sich daran etwas ändern, müssen die Verteidiger bürgerlicher Freiheiten weltweit die Stimme erheben.

Die islamische Welt ist gross, und ihre Rechtssysteme unterscheiden sich erheblich. Im toleranten Tunesien etwa kann man den Islam ohne rechtliche Konsequenzen verlassen (obwohl schwerwiegende soziale Folgen bestehen bleiben). Aber Tunesien ist so etwas wie ein Ausreisser.

Tatsächlich haben fast ein Dutzend islamischer Nationen, darunter einige der grössten, Gesetze, die die Todesstrafe für jeden vorsehen, der sich vom Islam abkehrt. In der Scharia-Rechtsprechung gilt Apostasie im Allgemeinen als Hudud-Verbrechen, das mit dem Tod bestraft werden kann. Radikale Geistliche behaupten, dass dies die von Gott im Koran verhängte Strafe sei.

Es ist nicht schwer zu verstehen, warum. Hier sind einige der relevanten Passagen aus dem Koran über Abtrünnige:

إِنَّ ٱلَّذِينَ ءَامَنُوا۟ ثُمَّ كَفَرُوا۟ ثُمَّ ءَامَنُوا۟ ثُمَّ كَفَرُوا۟ ثُمَّ ٱزْدَادُوا۟ كُفْرًۭا لَّمْ يَكُنِ ٱللَّهُ لِيَغْفِرَ لَهُمْ وَلَا لِيَهْدِيَهُمْ سَبِيلًۢا ١٣٧

Gewiss, diejenigen, die gläubig sind, hierauf ungläubig werden, hierauf (wieder) gläubig werden, hierauf (wieder) ungläubig werden und dann an Unglauben zunehmen – es ist nicht Allahs (Wille), ihnen zu vergeben noch sie auf den (rechten) Weg zu leiten.

وَدُّوا۟ لَوْ تَكْفُرُونَ كَمَا كَفَرُوا۟ فَتَكُونُونَ سَوَآءًۭ ۖ فَلَا تَتَّخِذُوا۟ مِنْهُمْ أَوْلِيَآءَ حَتَّىٰ يُهَاجِرُوا۟ فِى سَبِيلِ ٱللَّهِ ۚ فَإِن تَوَلَّوْا۟ فَخُذُوهُمْ وَٱقْتُلُوهُمْ حَيْثُ وَجَدتُّمُوهُمْ ۖ وَلَا تَتَّخِذُوا۟ مِنْهُمْ وَلِيًّۭا وَلَا نَصِيرًا ٨٩

Sie möchten gern, dass ihr ungläubig werdet, wie sie ungläubig sind, so dass ihr (alle) gleich seiet. Nehmt euch daher von ihnen keine Vertrauten, bevor sie nicht auf Allahs Weg auswandern! Kehren sie sich jedoch ab, dann ergreift sie und tötet sie, wo immer ihr sie findet, und nehmt euch von ihnen weder Schutzherrn noch Helfer.

إِنَّ ٱلَّذِينَ كَفَرُوا۟ بَعْدَ إِيمَـٰنِهِمْ ثُمَّ ٱزْدَادُوا۟ كُفْرًۭا لَّن تُقْبَلَ تَوْبَتُهُمْ وَأُو۟لَـٰٓئِكَ هُمُ ٱلضَّآلُّونَ ٩٠

Jene (aber), die ungläubig werden, nachdem sie den Glauben (angenommen) haben, und hierauf an Unglauben zunehmen, deren Reue wird nicht angenommen werden, und jene sind die Irregehenden.

Und so weiter. Die islamische heilige Tradition verfolgt den gleichen Ansatz. Betrachten Sie diese Geschichte aus dem Hadith als ein typisches Beispiel:

Abu Musa berichtete:

Ein Mann trat zum Islam über, und danach trat er zum Judentum über. Da kam Mu‘aḏ Ibn Jabal – während sich dieser bei mir aufhielt – und sagte: «Was ist mit diesem?» Ich sagte: «Er trat zum Islam über, und danach trat er zum Judentum über.» Mu‘aḏ sagte: «Ich werde mich nicht hinsetzen, bis ich ihn umgebracht habe; dies ist das Rechtsurteil des Gesandten Allahs, Allahs Segen und Friede auf ihm.»

Sahih al-Buchari, 9:89:271

Verallgemeinerungen sind schwierig. Aber die Ansicht, die sich auf natürliche Weise und allgemein aus Versen wie diesen ergibt, ist, dass dem Abtrünnigen eine Chance gegeben werden sollte, sein Verhalten zu ändern – und dass er, wenn er dies ablehnt, hingerichtet werden sollte. Das ist nicht die einzige Ansicht; einige Gelehrte sind der Meinung, dass die Strafe für das Abfallen vom islamischen Glauben, der Tod, von Allah auf ewig durch Verdammnis gefordert wird und nicht auf Erden vollstreckt werden soll. Vielleicht sollte der Koran «liberal» ausgelegt werden; oder aber Mohammed meinte, was er klar und deutlich sagte. Ich überlasse es meinen Lesern, ihre eigenen Schlussfolgerungen zu ziehen.

Balance zwischen externem und internem Druck

Kann es wirklich sein, dass islamische Nationen, von denen viele amerikanische Verbündete sind, im Jahr 2024 tatsächlich Abtrünnige hinrichten? Die Antwort lautet leider Ja. In Afghanistan, Brunei, Iran, den Malediven, Mauretanien, Oman, Pakistan, Katar, Saudi-Arabien und meinem Heimatland Somalia steht auf Apostasie, also die Lossagung vom Islam, die Todesstrafe. Brunei ist erst 2015 auf diese Liste gekommen. Die Praxis ist also nicht etwa am Verschwinden (obwohl sie kürzlich zumindest theoretisch in Teilen des Sudan abgeschafft wurde). In einigen Ländern, darunter grosse Nationen wie Nigeria und Malaysia, liegt die Entscheidung auf lokaler Ebene.

In den meisten anderen muslimischen Ländern erwarten Abtrünnige geringere, aber immer noch schwerwiegende Konsequenzen. Im nominell säkularen Bangladesch wurde 2010 in verschiedenen Medien eine Liste säkularer Ex-Muslime veröffentlicht. Es konnten keine Anklagen erhoben werden, aber 8 der 83 genannten Personen wurden von Bürgerwehren getötet. Bis jetzt. Das «gemässigte» Indonesien hat Alexander Aan 2012 ins Gefängnis gesteckt, weil er in einer atheistischen Facebook-Gruppe gepostet hatte. Er wurde verurteilt, weil er «der Gemeinschaft Angst einjagte und den Islam in Verruf brachte», wie der Richter es ausdrückte. Imad Iddine Habib, ein Marokkaner, der den Islam öffentlich kritisierte, entging einer siebenjährigen Haftstrafe nur durch die Flucht aus dem Land. In Kuwait kann Apostasie zum Verlust von Eigentum und Kindern führen. Ähnliche Familien- und Erbrechtsgesetze gelten im gesamten Nahen Osten.

Friedliebende, wirklich gemässigte Muslime sind nicht immer sicherer als Abtrünnige. Sollten sie eine ketzerische Ansicht vertreten, werden sie von Takfiri ins Visier genommen – jenen, die ketzerische Muslime exkommunizieren und zur Rechenschaft ziehen. IS-Kämpfer beispielsweise erklärten alle Muslime zu Ketzern, die sich der Politik des IS zur Versklavung von Jesiden (einer kleinen nicht-abrahamitischen Stammesgruppe im Nordirak) widersetzten. Einer Quelle zufolge waren die meisten der Zehntausenden von Menschen, die der IS ermordet hat, Muslime, die als ketzerisch angesehen wurden. Ich habe es bereits gesagt, aber es muss wiederholt werden: Die meisten Opfer des heutigen islamischen Extremismus sind unschuldige Muslime.

«Die meisten Opfer des heutigen islamischen Extremismus sind

unschuldige Muslime.»

Pragmatiker und heimliche Säkulare

Viele der Männer, die im Nahen Osten an der Macht sind, sind extremistische Gläubige. Sie bestrafen das Abfallen vom Glauben, weil sie an die Auslegung des Islam glauben, die ihnen dies vorschreibt. Die schäumenden Wahnsinnigen, die den Iran führen, sind das beste Beispiel. Aber andere muslimische Nationen werden von Pragmatikern regiert – in manchen Fällen vielleicht sogar von heimlichen Säkularen. Sie wissen, wie solche Barbarei auf der Weltbühne angesehen wird, weshalb Hinrichtungen wegen Apostasie – obwohl die Strafe gesetzlich vorgeschrieben ist – relativ selten vollstreckt werden.

Nehmen wir den Fall Saudi-Arabien. Ich kann nicht in den Kopf des saudischen Kronprinzen Mohammed bin Salman hineinsehen, aber seine Handlungen deuten stark auf den Wunsch hin, sein Land aus dem siebten Jahrhundert herauszuholen. Zu seiner Ehre muss man sagen, dass er der Sittenpolizei die Privilegien entzogen hat: Sie darf Verdächtige nicht mehr wegen unmoralischen Verhaltens befragen, verhaften oder bestrafen, sondern kann sie nur noch den formellen Sicherheitskräften melden. Angenommen, ich liege richtig mit meiner Annahme, dass bin Salman nicht möchte, dass Andersgläubige so brutal bestraft werden – warum ändert er dann nicht die Apostasiegesetze seines Landes?

Die Antwort lautet: interner Druck. Gemäss einer Pew-Umfrage von 2013, den neuesten verfügbaren Daten, sind 86 Prozent der ägyptischen Muslime der Meinung, dass Apostasie mit dem Tod bestraft werden sollte. Meines Wissens liegen keine Daten über die Ansichten in Saudi-Arabien vor, aber es ist allgemein bekannt, dass das Land eng mit Netzwerken mächtiger wahabitischer Geistlicher verflochten ist. Der pragmatischste (wenn auch prinzipienloseste) Weg für die Staats- und Regierungschefs in diesen Ländern besteht darin, den Druck aus dem Ausland mit dem internen Druck auszubalancieren.

«Gemäss einer Pew-Umfrage von 2013, den neuesten verfügbaren Daten, sind 86 Prozent der ägyptischen Muslime der Meinung, dass Apostasie mit dem Tod bestraft werden sollte.»

Dies wirkt sich in zwei Richtungen aus. Einerseits sind gesetzlich sanktionierte Hinrichtungen von Abtrünnigen selten. Diese werfen ein schlechtes Licht auf die Herrscher und führen zu einem erheblichen Aufschrei im Westen – manchmal sogar zu starkem diplomatischem Druck. Andererseits finden sie auch Wege, ihre Hardliner zu besänftigen. Zum Beispiel, indem sie unschuldige Männer und Frauen wegen anderer Arten von Gotteslästerung verurteilen. Es ist aufschlussreich, wie viele der beschuldigten Abtrünnigen zum Beispiel wegen der Schändung des Korans verurteilt werden.

Andererseits finden Länder wie Ägypten Wege, Abtrünnige im Stillen zu bestrafen, wie ein aktueller Fall zeigt. Die Logik dahinter ist, dass dies den Mob zufriedenstellt, ohne zu viel Aufmerksamkeit von westlichen Journalisten auf sich zu ziehen. Und es funktioniert ziemlich gut. Es sei denn, eine grosse Zahl gewöhnlicher Männer und Frauen nimmt Notiz davon und wendet sich an seine politischen Vertreter.

Der Fall Abdulbaqi Abdo

Die Alliance for Defending Freedom (ADF) hat mich kürzlich wegen des herzzerreissenden Falls von Abdulbaqi Saeed Abdo kontaktiert.

Abdulbaqi Saeed Abdo. Bild: United States Commission on International Religious Freedom.

Abdo und seine Kinder flohen mit Hilfe der Vereinten Nationen aus dem Jemen nach Ägypten, nachdem er zum Christentum konvertiert war. Abdo verstiess durch seine Konversion gegen das jemenitische Gesetz, aber er ist in Ägypten nicht vom Glauben abgefallen und hat auch keine anderen ägyptischen Gesetze gebrochen.

 

 

Es kann sein, dass Apostasie in Ägypten illegal ist (das Oberste Verwaltungsgericht deutet darauf hin; die Verfassung deutet auf das Gegenteil hin). Aber das ägyptische Recht bestraft ausdrücklich nicht «Verbrechen», die in anderen Gerichtsbarkeiten begangen wurden.

Und doch.

Im Jahr 2021 wurde Abdo nach seinem Auftritt in einem christlichen Fernsehsender und seiner Beteiligung an einer kleinen Facebook-Gruppe für christliche Konvertiten festgenommen. Er wurde nicht wegen Apostasie angeklagt, sondern wegen Verachtung des Islam, wegen Diskriminierung des Islam und, was am absurdesten ist, wegen Beitritts zu einer terroristischen Vereinigung! Davon gibt es im Nahen Osten viele, aber es sind nicht die Millionen von Christen im Nahen Osten, die Terroranschläge verüben. Es scheint, dass nicht die geografische Region Selbstmordattentäter hervorbringt, sondern etwas anderes.

Abdo wurde keiner dieser absurden Anklagen für schuldig befunden. Trotzdem schmachtet er seitdem im Gefängnis. Abdo hat ein Herzleiden, das nicht behandelt wurde. Man hat ihn daran gehindert, zu duschen, sich umzuziehen, seine Frau und seine Kinder zu sehen.

Regierungen wie die, die Abdo langsam umbringt, balancieren zwischen externem und internem Druck. Falls der externe Druck gross genug wird, ändert sich ihre Risikokalkulation. Es ist deshalb sehr gut, dass die Kampagne der ADF in den Machtzentren in Washington allmählich an Fahrt aufnimmt.

Umso mehr, als vor einigen Wochen der demokratische Senator Bob Menendez zurücktreten musste, nachdem er wegen der Annahme von Bestechungsgeldern aus Ägypten verurteilt worden war. Leider haben Sie richtig gelesen: Ein amerikanischer Senator stand im Sold einer ausländischen Macht, die Christen aktiv verfolgt. Juden würden übrigens noch bösartiger verfolgt, wenn nicht praktisch alle Juden in Ägypten vor Jahrzehnten aus dem Land vertrieben worden wären.

Eine logische Konsequenz

Dass normale Menschen jahrelang in winzigen Zellen eingesperrt werden können, nur weil sie in einem privaten Facebook-Forum ihre Überzeugungen zum Ausdruck bringen, ist grotesk. Die Inhaftierung des jemenitischen Flüchtlings Abdulbaqi Saeed Abdo durch die ägyptischen Behörden ist ein surreales Beispiel für die Umsetzung einer zensierenden Blasphemiepolitik. Sie ist auch illegal. Ägyptische Beamte haben die Menschenrechte dieses Vaters und Ehemanns verletzt und müssen ihn sofort wieder zu seiner Familie freilassen.

Ob sein christlicher Glaube – was er privat denkt, betet und sagt – für extremistische Islamisten beleidigend ist, interessiert zivilisierte Menschen nirgendwo auf der Welt.

Die Welt sollte zur Kenntnis nehmen, was die ägyptische Regierung tut. Dies ist die logische Konsequenz eines Trends, der Behörden dazu ermächtigt, unschuldige Menschen für die freie Meinungsäusserung in sozialen Medien zu misshandeln. Von China bis Pakistan, von Russland bis Syrien, von Grossbritannien bis Ägypten – die Redefreiheit muss dringend vor dem wiederauflebenden Stalinismus unserer Zeit verteidigt werden.

Dieser Text erschien zuerst auf Englisch auf Ayaan Hirsi Alis Blog Restoration.

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