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(7) Die private Initiative kann die Welt verändern

Suzann-Viola Renninger im Gespräch mit Urs Egger

Herr Egger, Ihr Unternehmen hat ja eine soziale…

…und eine wirtschaftliche Ausrichtung.

Sie sind Geschäftsführer von Swisscontact, einer Entwicklungsorganisation vor allem für Afrika, Asien und Südamerika, die vor 50 Jahren auf Initiative der Schweizer Privatwirtschaft entstanden ist. Was war der Hintergrund?

Damals, zur Zeit der Dekolonisation, sind viele solcher Organisationen für Entwicklungszusammenarbeit entstanden. In den Ländern, in denen die Schweizer Wirtschaft tätig war, fehlte es vor allem an ausgebildeten Berufsleuten. Swisscontact spezialisierte sich daher unter anderem auf den Aufbau von Lehrlingswerkstätten, um damit den Ausbildungsstandard zu verbessern. Davon profitieren alle, auch Schweizer Firmen, die dort etwa Produktionsstätten haben.

Liege ich richtig mit der Annahme, dass Sie von der breiten Öffentlichkeit eher kritisch kommentiert werden, wenn Sie ihre Entwicklungszusammenarbeit vor allem mit wirtschaftlichen Motiven begründen?

Es ist in der Entwicklungszusammenarbeit ein legitimes Interesse, dass es am Schluss in beide Richtungen geht und sowohl humanitäre wie auch wirtschaftliche Interessen verfolgt werden. Wir achten auf eine nachhaltige Entwicklung, und die schliesst soziale und Umweltaspekte mit ein. Die breite Öffentlichkeit nimmt uns übrigens nicht sehr stark wahr. Und mit den Organisationen, die eher im linken Bereich angesiedelt sind, haben wir ein gutes Verhältnis, auch wenn wir klar andere Ansätze haben, wie Entwicklungshilfe betrieben werden soll.

Wo liegen die Unterschiede?

Wir sehen die Privatinitiative als den Motor der Entwicklung an. Wir setzen auf den Kleinunternehmer, der sein eigenes Kapital einbringen und riskieren muss. Der Staat kann die Entwicklung nicht selbst vorantreiben, er kann sie nur fördern, indem er Rahmenbedingungen schafft, die die privaten Akteure beflügeln, tätig zu werden. Für uns ist ein Beitrag der Partner Voraussetzung einer Zusammenarbeit, das gilt auch für den Bereich der Ausbildung. Andere Organisationen sehen das nicht so und meinen, das müsse von Dritten voll bezahlt werden, also vom Staat, der Entwicklungszusammenarbeit oder wem auch immer.

«Hilfe zur Selbsthilfe» ist als Devise auf Ihrer Internetsite zu finden. Leisten Sie die Hilfe eher mit Geld oder eher mit Wissen?

Immer mit beidem. Doch der wichtigere Teil sind unsere Mitarbeiter, die Leute, die die Projekte durchführen und die Partner beraten.

Wie sieht solch ein typisches Projekt aus?

Nach dem Tsunami 2004 haben wir etwa in Indonesien mit den lokalen Institutionen eine Technikerschule aufgebaut. Andere Stiftungen waren für den Wiederaufbau der Infrastruktur zuständig, wir für die Ausbildung der Lehrer und die Erstellung von Lehrprogrammen.

Werden Sie zu solchen Projekten gerufen oder ergreifen Sie selbst die Initiative?

Wenn es Aufträge für die Entwicklungshilfe gibt, dann erhalten wir sie über den öffentlichen Markt. Die Schweizer Regierung, die deutsche Gesellschaft für technische Zusammenarbeit, multilaterale Organisationen wie die Weltbank und so fort, schreiben ihre Projekte aus und wir bewerben uns.

Die Konkurrenz ist gross?

In der Schweiz nicht. Um solche hochspezialisierten Aufträge konkurrieren typischerweise nur Helvetas, Intercooperation und wir. International ist der Wettbewerb hingegen sehr intensiv und nimmt ständig zu. Wenn der Bund Projekte ausschreibt, dann melden sich auch deutsche, englische und viele andere Firmen.

Sie klinken sich dort ein, wo Defizite so präsent sind, dass es öffentliche Initiativen gibt. Besteht nicht die Gefahr, dass Sie auf diese Weise nur Modeströmungen folgen und andere, möglicherweise entscheidende Projekte der Entwicklungszusammenarbeit vernachlässigen?

Die öffentlichen Märkte folgen tatsächlich den Trends: Verwaltungen sind risikoscheu. Die Frage lautet: Wie werden Trends gesetzt? Und da gibt es Bereiche, da haben wir als Trendsetter gewirkt. Etwa mit dem Business Development Service, unserer Idee in den 90er Jahren.

Was ist darunter zu verstehen?

Die Idee ist, lokal Leute auszubilden, die ihrerseits dann Dienstleistungen für Kleinunternehmen anbieten. Es sind in erster Linie Beratungsdienstleistungen – beispielsweise wie man einen Businessplan entwickelt oder zu einer Eigenfinanzierung kommt. Es werden auch Ausbildungen im Bereich Marketing, in Buchhaltung oder in Corporate Design angeboten – was auch immer, es kommt auf die Produkte an. Entscheidend ist, dass denjenigen Kleinunternehmen ein Anschub gegeben wird, die die besten Aussichten haben, sich langfristig zu entwickeln. Wichtig im Sinne der Nachhaltigkeit ist dabei, dass nur solche Dienstleistungen angeboten werden, für die die Kleinunternehmer auch bereit sind zu bezahlen.

Sie fördern also nicht die Kleinunternehmer direkt, sondern immer Institutionen und Einrichtungen, die dann die Förderung des einzelnen übernehmen?

Richtig.

Wenn man das mit den Mikrokreditinstituten vergleicht, dann sind Sie eine Stufe weiter von der Basis entfernt.

Nicht entfernt, würde ich sagen, sondern am richtigen Ort. Wir wollen keine eigene Bank betreiben, wir haben eine andere Ausrichtung: wir unterstützen Dienstleister, die zur wirtschaftlichen Entwicklung beitragen – das kann eine Berufsschule sein oder eben auch ein Mikrofinanzinstitut. Wir wollen diese Einrichtungen in die Lage versetzen, ihre Dienstleistung besser zu erbringen. Und dafür haben wir Fachleute angestellt, die in rund 25 Ländern die Mitarbeiter von Mikrofinanzinstituten ausbilden.

Versenden Sie auch Einzahlungsscheine an Schweizer Haushalte mit einem Aufruf zur Spende?

Nein. Einerseits bewegen wir uns auf dem schon erwähnten Auftragsmarkt, arbeiten also mit öffentlichen Geldern. Und dann stehen uns zusätzlich Mittel aus Stiftungen oder der Privatwirtschaft zur Verfügung, mit denen wir eigene Projekte entwickeln und realisieren.

Wie sieht das Verhältnis von öffentlichen zu privaten Mitteln aus?

In unserer Gründungszeit vor 50 Jahren waren wir zu hundert Prozent privatfinanziert. Das hat sich geändert. Über die letzten Jahre betrachtet, waren etwa 75 Prozent des gesamten Volumens Aufträge, die auf dem öffentlichen Markt ausgeschrieben waren; 25 Prozent wurden über Spenden finanziert.

Bei der Auftragsvergabe des öffentlichen Markts sind oft auch die Regierungen der Länder beteiligt, in denen die Entwicklungsarbeit geleistet werden soll. Ist das Risiko für Filz und Korruption nicht gross?

Das grösste Korruptionsrisiko findet sich im Zusammenhang mit der Erstellung von Infrastruktur, weil hier das meiste Geld fliesst. Doch wir setzen für unsere Entwicklungsarbeit Gebäude oder Strassen voraus. Die Hardware, wie etwa ein Berufsschulgebäude, steht. Wir kümmern uns um die Software, also den Lehrkörper oder das Lehrprogramm.

Wie vermeiden Sie, dort zu helfen, wo Hilfe gar nicht nötig ist, sondern für die Regierungen vor allem bequem und eine billig? Schaffen Sie durch Ihre Entwicklungsarbeit nicht auch Abhängigkeiten?

Auf Dauer nicht, denn unsere Projekte sind immer zeitlich begrenzt. Klar kann man sagen, dass die Schweizer Regierung anderen Regierungen die Arbeit wegnimmt, wenn sie in deren Ländern Entwicklungsprojekte finanziert. Ich meine, auch eine arme Region kann ohne Hilfe von aussen eine Primarschule aufbauen; bei einer Berufsschule sieht das hingegen oft anders aus. Letzten Endes ist es die Entscheidung eines souveränen Staates, wo er seine Mittel einsetzt. Sein Partner auf der anderen Seite muss dann entscheiden, ob er mitmacht oder nicht.

…und ob er damit eventuell auch korrupte oder totalitäre Systeme unterstützt.

Wir investieren nicht in Kuba oder Nordkorea. Unser Umfeld ist immer dann gegeben, wenn wir die Privatwirtschaft entwickeln können. Wenn es dieser gutgeht, wenn sie wächst, dann wird sie zum Schluss die Regierungen in ihrem Sinne beeinflussen können. Denken Sie etwa an China; ohne die wirtschaftliche Entwicklung der letzten 30 Jahre hätte sich dort politisch nichts geändert. Inzwischen kann sich die Regierung nicht mehr alles erlauben.

Immer noch genug.

Das ist eine Frage der Zeit.

Sie scheinen viel Geduld zu haben.

Ich bin überzeugt, dass die private Initiative die Welt zu verändern mag. Und ich bin stolz, dass Swisscontact einen Beitrag dazu leisten kann. Einen Beitrag zur Reduktion der Armut, indem wir helfen, die lokale Privatwirtschaft zu entwickeln. Die Hilfe zur Selbsthilfe ist der Weg. Das Mittel dazu liegt in der Zusammenarbeit mit den lokalen Akteuren.

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(0) Auftakt

«Kredit» kommt von lateinisch «credere», «glauben»: der eine, der Geld verleiht, glaubt an den anderen, der es entleiht. Der eine glaubt an die Rückzahlungsfähigkeit des anderen – wobei sich sein Glaube letztlich bloss auf dessen Glaubwürdigkeit stützt. Wer in Entwicklungs- und Schwellenländern kleine Kredite von weniger als 100 US-Dollar vergibt, braucht in der Tat ein […]

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