(5) Noch immer Tier
Das Tier im Menschen zu zähmen, ja den Menschen ganz Geist werden zu lassen, war das Projekt des Humanismus. Es musste scheitern, da schon seine Voraussetzung falsch war: die Annahme eines Gegensatzes zwischen Mensch und Natur.
«Die Idee des Menschen in der europäischen Geschichte drückt sich in der Unterscheidung zum Tier aus. Mit seiner Unvernunft beweisen sie die Menschenwürde. Mit solcher Beharrlichkeit und Einstimmigkeit ist der Gegensatz von allen Vorvorderen des bürgerlichen Denkens, den alten Juden, Stoikern und Kirchenvätern, dann durchs Mittelalter und die Neuzeit hergebetet worden, dass er wie wenige Ideen zum Grundbestand der westlichen Anthropologie gehört.» (M. Horkheimer, Th.W. Adorno: «Dialektik der Aufklärung»)
Jede Ideologie braucht und erschafft sich ihre Mythen, aber manchen geht das leichter von der Hand als anderen. Als im ausgehenden 15. Jahrhundert der italienische Adlige Giovanni Pico della Mirandola, enttäuschter Student des kanonischen Rechts, Philosoph und Mitglied des Kreises um Marsilio Ficino, in Florenz jenen Text verfasste, der postum unter dem Titel «Über die Würde des Menschen» zu Berühmtheit gelangte, da war der Mythos für ihn gleichsam die organische Form, um seine Ideen ins Fliessen und in den Diskurs seiner Zeit zu bringen. Von Pico wurde dieser Essay nur als Einleitung zu dem konzipiert, was er als sein eigentliches Werk betrachtete – eine Sammlung von 900 Thesen, in denen er die Konvergenz von antiker Tradition und neuzeitlichem Denken, von jüdischer und christlicher Überlieferung, auch von kirchlicher Scholastik und dem Neuplatonismus der Renaissance aufzeigen wollte. «Die Gelehrten der Welt» wollte er nach Rom zusammenrufen, um seinen Katalog zu diskutieren, und schrieb Einladungsbriefe an die Universitäten Italiens, Frankreichs, Deutschlands und Spaniens. Er hätte sich denken können, mit diesem Vorhaben den Widerspruch der Kirche zu erregen; Papst Innozenz VIII. verbot kurzerhand das ganze Unternehmen, verurteilte einige der Thesen als häretisch und verbannte den Verfasser.
Während das Thesenwerk Picos weitgehend vergessen ist, dessen Synkretismus schon bald an Attraktivität verlor, gilt «Über die Würde des Menschen» als Schlüsseltext der philosophischen Kultur des italienischen Humanismus und begeistert die Gelehrten aller Epochen. Denn mit einer Vehemenz, die tatsächlich ihresgleichen sucht, stellt er den Menschen als das glücklichste und bewunderungswürdigste Wesen der gesamten Schöpfung dar; sein Dasein ist sogar noch dem der «Engel und der Chöre des Himmels, der Sterne und der überweltlichen Intelligenzen» vorzuziehen, denn unter ihnen allen ist allein der Mensch mit jener Gabe ausgezeichnet, die ihn nur um ein weniges geringer als Gott selbst erscheinen lässt – der Gabe der Freiheit.
So also Picos Mythos. Der Mensch geht aus dem letzten Schöpfungsakt Gottvaters hervor, um die geschaffene Welt zu vollenden; doch alle Schätze des höchsten Künstlers und Baumeisters, alle idealen Archetypen sind bereits vergeben, alle Ränge des Universums sind bereits von Seinen Geschöpfen bevölkert. «Daher», fährt Pico fort, «liess Gott sich den Menschen gefallen als ein Geschöpf, das kein deutlich unterscheidbares Bild besitzt, stellte ihn in die Mitte der Welt und sprach zu ihm: ‹Wir haben dir keinen bestimmten Wohnsitz noch ein eigenes Gesicht, noch irgendeine besondere Gabe verliehen, o Adam, damit du jeden beliebigen Wohnsitz, jedes beliebige Gesicht und alle Gaben, die du dir sicher wünschst, auch nach deinem Willen und nach deiner eigenen Meinung haben und besitzen mögest. Den übrigen Wesen ist ihre Natur durch die von uns vorgeschriebenen Gesetze bestimmt und wird dadurch in Schranken gehalten. Du bist durch keinerlei unüberwindliche Schranken bestimmt, sondern du sollst nach deinem eigenen freien Willen, in dessen Hand ich dein Geschick gelegt habe, sogar jene Natur dir selbst vorherbestimmen … damit du als dein eigener, vollkommen frei und ehrenhalber schaltender Bildhauer und Dichter dir selbst die Form bestimmst, in der du zu leben wünschst.›»
Gottgleich kann, und soll selbstverständlich, dieses Dasein werden. Aber es kann auch scheitern: dieselbe Freiheit macht den Menschen auch «frei, in die Unterwelt des Viehs zu entarten» – dann nämlich, wenn er nicht durch seine geistigen Fähigkeiten die eigene Selbstvergottung ins Werk setzt. Dann verkehrt sich die Würde seiner Freiheit in das Elend einer tierhaften Existenz, die sklavisch an den naturhaften Aspekt ihrer Existenz gekettet ist, an bewusstlose Sinnlichkeit und blosse Phantasmen. Mensch sein heisst frei sein; Tier sein heisst, auch das ist aus diesem Text zu lernen, unfrei sein, so weit weg (oder weiter) als ein Stück unbelebte Materie vom Dasein des Menschen und damit vom Sinn der Schöpfung.
Die Idee, im Tier das absolut Andere des Menschen, ja die Antithese des Menschlichen zu sehen, verdankt der philosophische Mainstream den Anstrengungen des Aristoteles. Die Vorsokratiker hatten das Verhältnis von Mensch und Tier weitgehend entspannter gesehen. Hatten nicht Pythagoras im 6. und Empedokles im 5. vorchristlichen Jahrhundert gelehrt, die unsterbliche Seele des Menschen könne auch in Gestalt eines Tieres reinkarniert werden? War nicht überliefert, dass sie im Bellen eines Hundes die Stimme des verstorbenen Freundes wiedererkannt hatten; war also nicht der Unterschied zwischen Mensch und Tier eher nur graduell; und enthielten sie sich nicht deswegen auch tierischer Nahrung? Reflexe dieser Lehren sind noch bei Platon zu entdecken; Aristoteles aber war bestrebt, damit Schluss zu machen. Mensch zu sein – das hiess auch für Aristoteles Teilhabe am Göttlichen, und zwar exklusiv vermittelt durch die menschliche Vernunft. Es ist die Vernunft, die letztlich den einzigen Selbstzweck im ganzen Universum darstellt – weil sie göttlich ist (und umgekehrt). Alle unvernünftigen Lebewesen haben nur den Zweck, ihr dienlich zu sein, und die Vernunft hat das Recht, mit ihnen nach Belieben zu verfahren. Über diesen Graben hinweg, der den Menschen vom Tier trennt, kann es keine wie immer geartete Verwandtschaft oder Gemeinschaft geben. Welchen Gebrauch der Mensch von den Tieren macht, ist seinem Belieben anheimgestellt, sie stehen – idealiter – völlig unter seiner Gewalt.
Der breite Strom des griechischen Denkens liess sich von diesen Lehren nicht übermässig beeindrucken. Sogar an Aristoteles’ eigener Schule, dem Peripatos, wandten sich seine Nachfolger Theophrast und Straton von seinen apodiktischen Positionen ab. Es bedurfte der folgenreichen Wiederentdeckung des Aristoteles durch den Kirchenvater Augustinus, der die Lehre von der absoluten Verschiedenheit und Getrenntheit von Mensch und Tier aus der Antike hinein in das Mittelalter und die Neuzeit vermittelte. Und wie kein Zweifel an der Autorität des Augustinus erlaubt war, so verfestigte sich auch die Rolle des Tiers als des absoluten Alien, der Antithese zum Menschlichen. Das Tier wurde durch die Jahrhunderte zum Platzhalter der nichtmenschlichen Natur; denn Tiere sind doch die Wesen, in denen die Natur dem Menschen gleichsam am nächsten kommt, in denen Mensch und Natur interagieren und in einem bestimmten Sinn kommunizieren können. Es wurde zum Objekt der Unterwerfung; Francis Bacon gab die Maxime vor, die Natur auf die Folterbank zu zwingen, um ihr ihre Geheimnisse zu entreissen, und formulierte damit ein Forschungsprogramm, das radikaler umgesetzt wurde, als er hätte erwarten können.
René Descartes transformierte (und radikalisierte) die Exklusion des Tieres aus der philosophisch-theologischen Gedankenwelt der Antike in das rationalistische Paradigma der Neuzeit, indem er die Triebhaftigkeit des tierischen Daseins jeder Vitalität, jeder Lebenskraft entkleidete und sie zu einem rein mechanischen Reiz-Reaktions-Schema reduzierte, dem kein wie immer geartetes Bewusstsein entspräche und das damit auch endgültig vogelfrei gemacht wurde. Hatten die religiösen Weltdeutungssysteme den Tieren ein gewisses Bleiberecht zugesprochen, da sie nun einmal im göttlichen Schöpfungsplan vorgesehen waren (worüber in allen grossen Religionen immerhin ernsthaft nachgedacht wurde), kannte eine rein immanente Rationalität hier kein Halten mehr.
Welches Erschrecken, als sich herausstellte, dass nicht nur die Natur ausserhalb des Menschen schwer zu beherrschen war, sondern dass auch im Menschen selbst das Tier auftauchte! Die Erfahrung, immer noch Tier zu sein, bedeutete schon Jahrhunderte vor Darwin eine der grossen Gefährdungen für das menschliche Selbstwertgefühl. Aber natürlich war diese Erfahrung unvermeidlich für das Naturwesen Mensch. In der vor-aufgeklärten Welt der Märchen und Sagen, die uns heute noch (seltsam) vertraut erscheint, ist die Begegnung mit dem «inneren Tier» ein ständig wiederkehrender und keineswegs angstbesetzter Topos – ein Reflex unvordenklich alter Vorstellungen, wie sie immer noch im Totemismus und Schamanismus existieren. Für das aufgeklärte Bewusstsein hingegen muss die Vorstellung des Erwachens einer ungesteuerten, vernunftfremden Vitalkraft im Menschen schrecklich sein. In der Neuzeit treten an die Stelle dieser Symbole Legenden, die ausschliesslich den destruktiven Aspekt in den Mittelpunkt stellen: es ist die Zeit, in der Werwolfgeschichten und andere Horrorerzählungen wachsende Popularität geniessen; die Zeit, in der die Erfahrung des Tieres im Menschen zur existentiellen Bedrohung wird.
Zum Glück standen Strategien bereit, diese Gefahr abzuwehren, an erster Stelle, indem ein irgendwie tierhaftes Existieren bestimmten defizienten, mangelhaften Formen des Menschseins zugeordnet wurde – etwa Kindern, Frauen, «Barbaren»: (Vor-)Formen des Menschlichen, denen die vollkommene Vernunftbestimmtheit fehlt. Dementsprechend konnten dann wiederum Methoden zur Anwendung kommen, um diese Existenzen zu domestizieren. Das ergab ein Programm, das die unerwünschte Begegnung mit dem Tier im Menschen verhindern sollte (Alice Miller hat dieses Grundprinzip der bürgerlichen Erziehung die «Verfolgung des Lebendigen» genannt; aber was bei Kindern noch Aussicht auf Erfolg verspricht, stösst natürlich an gewisse biologische Grenzen) oder es durch Techniken der Unterdrückung marginalisierte. Notfalls, darin besteht der pädagogische Wert der Werwolfgeschichten (die nicht zufällig auffallend oft im Zusammenhang mit Inquisitionsprozessen auftauchen) und ihre latente Drohung, auch durch Auslöschung. Immerhin hatte bereits Aristoteles gegen die Tiere im Ganzen einen «gerechten Krieg» ausgerufen, die geistige Mobilmachung war also ohnehin bestens vorbereitet.
Die zeitgenössische Form der Werwolflegenden, in denen uns ihre Intention am besten zugänglich ist, ist auf andere Medien übergegangen: B- und C-Movies aus Hollywood, die kohärente Welterschliessung versprechen, ohne dass sich an dieser Grundaussage viel geändert hätte. Geschichten von der tödlichen Bedrohung, die unvermutet aus der Tiefe wahlweise des Meeres, des Waldes oder (quasi in Reinform) des eigenen Selbst in der Gestalt eines mörderischen Tieres hervorbricht, gehören seit dem Beginn des 20. Jahrhunderts zu den absoluten Klassikern. Etwa im Film «Cat People», einem der stilbildenden Werke des Genres, von Jacques Tourneur aus dem Jahr 1942: hier wird die Geschichte der jungen New Yorkerin Irena Dubrovna erzählt, die von der Wahnvorstellung eines alten Fluches geplagt wird, der auf ihr laste und der sie dazu führen würde, sich in sexueller Erregung in einen Panther zu verwandeln und ihren Liebhaber zu töten. Niemand glaubt ihr, auch nicht ihr frischvermählter Gatte Oliver, der zwar ihren Wunsch nach Enthaltsamkeit zu respektieren bereit ist, sie aber trotzdem durch seine Freundschaft mit einer anderen Frau zur Eifersucht treibt und dadurch das Unglück auslöst. Obwohl der Zuschauer lange darüber im Unklaren gelassen wird, besteht am Ende kein Zweifel darüber, dass Irena tatsächlich die Gestalt eines Panthers angenommen und als solcher auch getötet hat – und letztlich getötet wird.
Irena, dargestellt von Simone Simon, ist die Klischeeübererfüllung des Anderen der Vernunft: sie ist eine Frau und eine Barbarin. Oliver hingegen, der healthy American guy, steht nicht nur Irena, sondern mehr noch seiner Beziehung zu ihr in vollkommenem Unverständnis gegenüber; er bekennt explizit, weder zu wissen, was eigentlich Liebe sei, noch Unglück in seinem Leben je gekannt zu haben. Getötet wird Irena schliesslich von einem Psychiater, zu dem Oliver sie zur Bewältigung ihrer Probleme geschickt hat. Ganz folgerichtig fühlt sich dieser Dr. Judd einerseits zu Irena sexuell hingezogen, erdolcht sie aber ohne zu zögern, als sie daraufhin ihre Metamorphose durchmacht; der Panther, den sie zuvor noch aus dem Zoo befreit hatte, wird absolut zufällig von einem Polizeiauto überfahren. Nun, so viel unbewusste Wahrhaftigkeit ist auch im Kino selten.
Schwieriger als der Unterdrückung und Auslöschung ist der Fährte der Domestikation, der eigentlichen Zähmung des Tieres im Menschen zu folgen. Eine der Spuren, an die man sich heften kann, ist Franz Kafkas Text «Bericht an eine Akademie», jener von einem Affen (Rotpeter mit Namen) vor einer wissenschaftlichen Vereinigung gehaltene Vortrag, in dem er seinen Weg vom Affen zum Menschen – als welcher Rotpeter mittlerweile offensichtlich eindeutig spricht – schildern soll. Selten ist dieser Kampf mit so deprimierender Offenherzigkeit beschrieben worden – der Zwang, das innere Tier niederzuhalten, um am Prozess der Humanisierung teilhaben zu können. Der Weg zum Menschen vermittels der Überwindung des Tieres im Menschen ist, ihm zufolge, dreierlei: es ist ein Akt der Dressur; es ist ein Akt der Gewalttätigkeit; und es ist schliesslich ein Akt der Freiwilligkeit.
Man beachte: es ist nicht ein Akt der Freiheit, auf diese Unterscheidung legt Rotpeter (mittlerweile geschult in solchen Dingen) den allergrössten Wert. Sein Entschluss, das Affenwesen in sich niederzuringen und zum Menschen zu werden, ist vielmehr der einzige Ausweg aus der Situation des Eingesperrtseins, in der er sich vorfindet, im Käfig einer Jagdexpedition erwachend. Als Affe würde er in wechselnden Käfigen bleiben und schliesslich verrecken müssen. Als Mensch aber würde er den Käfig hinter sich lassen können – also beschliesst er, «als gewesener Affe in die Menschenwelt einzudringen und sich dort festzusetzen», beschliesst, wider all seine Anlagen und Triebe sich auf das Menschsein hin zu dressieren. Und es gelingt ihm, er hat glänzende, «kaum mehr zu steigernde Erfolge» in der Gesellschaft. Aber Freiheit? Gerade durch seine Entwicklung ist ihm jene Freiheit, «das ganze Tor, das der Himmel über der Erde bildet», verschlossen.
Der einzige Ausweg wäre, vom Dampfer, der Rotpeter nach Europa bringt, ins Meer zu springen und dort zu ersaufen – und auch das wäre nicht wirkliche Freiheit (die nur in der Erinnerung, nicht einmal in der Imagination existiert), es wäre blosse Illusion durch ein gespielt heroisches Selbstopfer. Was ihm bleibt: es sich abends mit einer Flasche Rotwein gemütlich zu machen, es sich bei «einer kleinen halbdressierten Schimpansin wohlgehen» zu lassen, nachts, wenn «der Irrsinn des verwirrten dressierten Tieres in ihrem Blick» nicht zu erkennen ist. «Man sage nicht», so schliesst Rotpeter seine Ausführungen, ohne zu zürnen oder anzuklagen, «es wäre der Mühe nicht wert gewesen. Im übrigen will ich keines Menschen Urteil, ich will nur Kenntnisse verbreiten, ich berichte nur; auch Ihnen, hohe Herren von der Akademie, habe ich nur berichtet.»
Wer sich einmal auf diese Spaltung, die Dichotomie von Mensch und Natur, das Projekt der Domestikation des Tieres im Menschen einlässt, für den – so Kafkas Rotpeter – ist es bereits zu spät. Weder in der Vernunft, noch in der Natur wird er finden können, was er preisgegeben, als er diese Alternative akzeptiert hat. Der Traum des Humanismus, den Menschen frei zu machen, indem er seiner natürlichen Ursprünge entkleidet und ganz Geist wird, wählt nicht den falschen Weg – er stellt die falsche Alternative und hat daher keine Wahl mehr. Um mit dem Aufbegehren des Tieres in uns versöhnt zu werden, müsste man (unmöglich dies natürlich) das Rad zurückdrehen bis an einen Punkt vor dieser Wahl. Also werden wir weiterhin ratlos bleiben: mit Nietzsche können wir die Anstrengungen der Vernunft, dem Menschen seine Würde zu sichern, den Kampf um Humanität als den «Kampf gegen unser ganzes altes thierisches Selbst» verlachen und dabei zusehen, wie das praktische Potential dieser Vernunft verkümmert. Wir können uns anderseits auf den mühsamen Weg machen, eine Sprache zu finden, in der sich das Zusammengehen von Mensch und Natur in einem etwas anderen Licht, aus einem etwas anderen Winkel darstellen liesse; nicht dass wir so naiv sein dürften zu glauben, dieses Verhältnis von Grund auf nach unseren Vorstellungen neu formulieren zu können, aber doch sie «um ein Weniges zurecht zu rücken» (so haben Walter Benjamin und Th.W. Adorno genannt, was hier notwendig wäre).
Ressourcen dazu gibt es. Sie reichen von der Ausweitung unserer Empathie in den Bereich der nichtmenschlichen Natur, wie ihn Forscherinnen wie Jane Goodall u.a. praktiziert und Philosophinnen wie Mary Midgley reflektiert haben, bis zur hochabstrakten Dekonstruktion unserer Positionen durch Denker wie Jacques Derrida und Giorgio Agamben, in deren späten Schriften die Frage nach dem Tier vehement in den Mittelpunkt des Interesses drängt. Das Tier in uns ist nicht befriedet, kein kleiner Prinz ist in Sicht, der es zähmen könnte; nähern wir uns ihm lieber nur vorsichtig.