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Zahl des Monats

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Prozent aller Erwerbstätigen in Griechenland waren 2016 selbständig. Damit ist Griechenland unter den EU-Ländern einsame Spitze. In der Schweiz sind es «nur» 15 Prozent. Was auf den ersten Blick nach einer guten Nachricht aus Südeuropa klingt, gar als Hinweis auf eine dynamische, von Unternehmertum geprägte Wirtschaft interpretiert werden mag, ist genau besehen leider nichts anderes als ein Symptom von Staatsversagen.

Schon 2001, lange vor den Finanzkrisen der letzten Jahre, waren in Griechenland 40 Prozent der arbeitenden Bevölkerung selbständig. Aber: nicht alle Formen von Selbständigkeit sind gleich. Einige Staaten bieten ihren Bürgern einen verlässlichen und allgemein gültigen Regelrahmen, der vielfältige Möglichkeiten zum Austausch eröffnet – auch auf dem Arbeitsmarkt. Unter derartigen Bedingungen entscheiden sich Personen für die Selbständigkeit und gegen eine abhängige Beschäftigung, weil sie als Unternehmer besonders produktiv sein können.

Ist das Staatswesen jedoch geplagt von Korruption, Privilegien und willkürlichen Regulierungen, von denen der Arbeitsmarkt oft primär betroffen ist, entscheiden sich auch Erwerbstätige für die Selbständigkeit, die darin lediglich das kleinere Übel sehen. So möglicherweise die ehemalige Bedienung eines eingegangenen «Buchcafés» in Athen, das aufgrund zweier absurder Gesetze zeitweilig weder Bücher noch Kaffee (!) verkaufen durfte.

Einerseits bietet die Selbständigkeit eine rasche Alternative zur Arbeitslosigkeit. Andererseits gibt sie die Möglichkeit, zwischen den Fingern der regulierenden und besteuernden Hand des Staates durchzurutschen – mehr oder weniger legal. So mag jemand auch als recht unproduktiver (Solo-)Unternehmer ein höheres Einkommen erzielen als in angestellter Beschäftigung.

Die hohe «Unternehmer»-Quote ist Ausdruck tief sitzender griechischer Probleme, die auf absehbare Zeit nicht gelöst zu werden scheinen, denn: auch neue Kredite an den griechischen Staat werden ihn vor diesem Versagen nicht bewahren.


Alexander Fink
ist Ökonom und arbeitet am Institut für Wirtschaftspolitik der Universität Leipzig und ist Senior Fellow am Institute for Research in Economic and Fiscal Issues – IREF.

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