(3) Bildung macht den Unterschied
Unseren Reichtum verdanken wir der Qualitätsarbeit der kleinen und mittleren Unternehmen. Unser Bildungssystem bietet die besten Voraussetzungen dafür. Bleiben wir ihm treu.
Kaum ein Land in Europa ist sprachlich, konfessionell, geographisch derart zerklüftet und vielfältig wie die Schweiz. Dass sie seit Jahrhunderten existiert, liegt in der steten Rücksicht auf Minderheiten und im Bemühen um den sozialen Zusammenhalt innerhalb des Landes.
Doch dies allein konstituiert noch nicht unsern Reichtum. Es garantiert nicht unsere Spitzenposition in der internationalen Konkurrenzfähigkeit. Warum sind wir so reich geworden? Und warum werden wir auch im Zeichen der Globalisierung in Zukunft – hoffentlich – reich bleiben?
Die Stärke der schweizerischen Wirtschaft kommt nicht von den Banken, nicht von der Finanzdrehscheibe, wie viele Ausländer clichéhaft unterstellen. Die hohe Wirtschaftskraft kommt vielmehr aus der Vielfalt zahlreicher starker Branchen. Sie entsteht auch in den kleinen und mittleren Unternehmen (KMU), die bei uns zusammen mehr als 99 Prozent aller Firmen und mehr als zwei Drittel aller Beschäftigten umfassen.
Die gemeinsame Stärke aller Wirtschaftszweige liegt, quasi branchenübergreifend, in erster Linie in der Qualitätsarbeit, in der Fähigkeit zu Präzision, Zuverlässigkeit, Termintreue, massgeschneiderten Lösungen und Nischenprodukten. Woher kommen denn diese Qualitäten? Diese Swissness der Qualitätsarbeit liegt seit Generationen begründet im schweizerischen Berufsbildungssystem, in der Berufslehre mit seiner Kombination von betrieblich-praktischer Ausbildung und Wissensaneignung in der Berufsfachschule.
In der Berufslehre werden auch praktische Intelligenz, technische Fähigkeiten und die sozialen Kompetenzen von Menschen entwickelt. Viele Leute sind nicht in allen schulischen Fächern stark, und bei einem rein schulischen Ausbildungsweg fallen sie dann durch alle Netze. In andern Industrieländern, die kein Berufsbildungssystem kennen, landen sie in der Arbeitslosigkeit und werden aus der Gesellschaft gedrängt. Die im internationalen Vergleich tiefen Arbeitslosenquoten und die niedrige Jugendarbeitslosigkeit sind klar das Verdienst der Berufslehre.
Viele Akademiker mit einem rein schulischen Bildungsweg kennen die Berufslehre nicht genau. Sie verkennen die Weiterbildungsstufen nach der Berufslehre: die Berufsmaturität, die höheren Fachprüfungen, die Höheren Fachschulen und die Fachhochschulen. Deren Abgänger sind heute auf dem Arbeitsmarkt begehrter als die Universitätsabsolventen.
Die Berufslehre muss auch in Zukunft die Basis und das Rückgrat unseres Bildungssystems bleiben. Allerdings braucht es auch in diesen Ausbildungsgängen einen leicht höheren schulischen Anteil für den Erwerb von Sprachkompetenz, Fremdsprachen und Schlüsselkompetenzen (wie Kommunikations-, Team- und Konfliktfähigkeit). Kann das schweizerische Modell des Bildungssystems in der Zukunft bestehen? Oder braucht es, wie dies gewisse akademische Kreise fordern, eine markante Erhöhung der vollschulischen Ausbildungsgänge und der Maturitätsquote?
Industrieländer, die 50, 70 Prozent der Jugendlichen in eine vollschulische gymnasiale Ausbildung schicken und daneben keine berufspraktische Bildung (Berufslehre) anbieten, haben viel höhere Arbeitslosenquoten, einen stärkern Industrieabbau und tiefere Arbeitsproduktivitäten als die Schweiz mit ihrem Berufsbildungssystem. Bildungspolitisch sind sie für uns kein Vorbild.
Bildung, Ausbildung und Forschung sind strategisch der wichtigste Faktor, mit dem sich ein hochentwickeltes Industrieland wie die Schweiz behaupten kann. Die Globalisierung erzwingt ständige technische Innovation und Strukturwandel. Das Berufsbildungssystem ist mindestens ebenso fähig, den technischen Wandel zu bewältigen, wie die akademischen Bildungsgänge. Das haben die letzten zehn Jahre bewiesen. Und das wird auch im kommenden Jahrzehnt der Globalisierung so bleiben.