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20 Minuten geistige
Schwerstarbeit – und am Ende sagt eine Zahl, wie intelligent ich bin

Wie misst man Intelligenz? Selbstversuch bei einem Intelligenztest.

20 Minuten geistige Schwerstarbeit – und am Ende sagt eine Zahl, wie intelligent ich bin
Bild: iStock.

Dreiecke, Quadrate, Pfeile, schwarz, weiss oder kariert, in verschiedene Richtungen zeigend. Die geometrischen Figuren purzeln in meinem Kopf herum und stellen immer die gleiche Frage: Welche Figur muss als nächste folgen, was passt ins Muster?

Es ist Freitagabend, ich sitze in einem unscheinbaren Bürogebäude in Zürich-Altstetten zusammen mit einem guten Dutzend anderen Personen, um einen Intelligenztest zu absolvieren. Die Teilnehmer wirken wie eine zufällige Stichprobe aus der Gesamtbevölkerung, ausser dass sie im Durchschnitt wohl etwas jünger sind und es etwas mehr Männer als Frauen gibt. Organisiert wird der Test von Mensa, einem Zusammenschluss von Menschen mit einem hohen Intelligenzquotienten (IQ), der Ableger in knapp 50 Ländern hat. Um Mensa-Mitglied zu werden, muss man es unter die zwei Prozent intelligentesten Menschen des jeweiligen Landes schaffen.

Und offenbar streben das nicht wenige der Teilnehmer an. Jedenfalls wirbt der Testleiter schon einmal für die Aktivitäten des Vereins und erklärt, dass wer für eine Mitgliedschaft in Frage komme, das entsprechende Formular gleich mit dem Testresultat nach Hause geschickt erhalte.

Schlüsselfaktor Zeit

Ich habe keine Ahnung, was mich erwartet. Vorbereitet habe ich mich nicht. Das sei auch kaum möglich, erklärt mir der Testleiter lakonisch, denn Intelligenz könne man nicht wirklich trainieren. Beim Test geht es darum, Zusammenhänge zu erkennen und logisch zu denken. Was das in der Realität heisst, finde ich bald heraus. Der Testleiter erlaubt uns, die Testblätter aus der Mappe zu holen, und die Zeit – 20 Minuten – beginnt zu laufen. Das Prinzip der Aufgaben (insgesamt 40) ist immer das gleiche: Man sieht acht Figuren vor sich und muss aus sechs Optionen auswählen, welches die neunte ist. Die Figuren sind so angeordnet, dass die Reihenfolge jeweils waagrecht wie auch senkrecht Sinn ergibt. Die Schwierigkeit steigt mit jeder Aufgabe an.

Wir dürfen Notizen auf ein Blatt Papier machen, doch der Testleiter empfiehlt es nicht. «Das kostet Zeit.» Und die ist entscheidend, wie ich schnell feststellen muss. Die ersten Aufgaben sind einfach, Dann werden sie stetig schwieriger. Als die Hälfte der Zeit um ist, habe ich die Hälfte der Aufgaben geschafft. Faktisch bedeutet das allerdings, dass ich zurückliege, denn der zweite Teil ist ja deutlich schwieriger. Ich ärgere mich, dass ich zu Beginn so viel Zeit damit vertrödelt habe, die Lösungen zu überprüfen – und verliere durch diesen Gedanken weitere wertvolle Zeit.

Dabei war ich gewarnt. Der Testleiter hatte uns darauf aufmerksam gemacht, dass Geschwindigkeit Teil des Tests sei. «Mit unbeschränkter Zeit könnten Sie wahrscheinlich alle Aufgaben irgendwann lösen.» In der Praxis schafft es kaum jemand bis zur letzten Aufgabe.

Intelligenz zufällig erkannt

Der Testleiter ist hauptberuflich Informatiker. «Ein typischer Beruf» für Leute mit hohem IQ, sagt er. Er ist eher zufällig zu Mensa gekommen: «Ich hatte schon in der Schule immer das Gefühl, dass ich irgendwie nicht dazugehöre.» Woran das lag, konnte er aber nicht sagen. Nachdem er eine Fernsehsendung zum Thema gesehen hatte, entschloss er sich schliesslich, einen IQ-Test zu machen – und wurde eingeladen, Mensa-Mitglied zu werden. Inzwischen fühle er sich wohl in der Organisation und nehme auch regelmässig an Veranstaltungen teil.

Wem dieses Privileg verwehrt bleibt, wird in den Test-Instruktionen schon von vornherein getröstet. Intelligenz sei nur eine von verschiedenen menschlichen Eigenschaften. Der Test erfasse zudem nur gewisse Dimensionen von Intelligenz. Der Testleiter ergänzt, ein hoher IQ garantiere auch nicht beruflichen Erfolg.

Möglichst gut abschneiden will man natürlich trotzdem. Und so gebe ich bis zur letzten Minute alles und kämpfe mich durch die immer schwieriger werdenden Aufgaben. Der Kopf raucht, die Figuren tanzen vor den Augen. Auch die Teilnehmer um mich herum brüten konzentriert über ihren Blättern. Ich nehme das nervöse Klicken von Kugelschreibern wahr.

Die Zeit ist um – wir legen die Stifte weg und geben den Test ab.

Einige Tage später erhalte ich das Resultat per Post. Mensa-Mitglied kann ich – wenig überraschend – nicht werden. Aber immerhin habe ich die Schwelle von 100, die eine durchschnittliche Intelligenz anzeigt, überschritten. Und überhaupt: Intelligenz ist ja nur eine von verschiedenen menschlichen Eigenschaften.

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