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(2) Welche Selbstwahrnehmung für Europa?

Der Versuch, innereuropäische Grenzen zu überwinden, wird immer dann problematisch, wo er sich mit der Neigung verbindet, Aussengrenzen umso stärker zu betonen. «Europäischer Nationalismus» nahm seinen Ursprung in rassisch und kulturell begründeter Abgrenzung zu den Kolonien; heute scheinen ausgrenzende Haltungen in neuen Formen aufzuleben.

Drei Jahre sind es her, seit die polemisch zugespitzte Unterscheidung in «alte» und «neue» Europäer im Gefolge einer proamerikanischen Solidaritätserklärung europäischer Regierungen ihre Blütezeit erlebte. Zwar passte die Formel nicht wirklich: der Brief der Acht war auch von Regierungschefs «alter» EU-Mitgliedstaaten unterzeichnet worden. Aber sie war griffig, sie hatte dramatisches Potential. Im vergangenen Jahr traten neue Komplikationen auf. Niederländer und Franzosen, Europäer der ersten Stunde, stimmten gegen den europäischen Verfassungsentwurf. Aus «alten» und in der Binnenperspektive «guten» Europäern waren über Nacht schlechte geworden, die es in der Sichtweise ihrer Kritiker nicht mehr ernst meinten mit der europäischen Integration. Seither wird einmal mehr darüber gestritten, was gut und schlecht sei für Europa.

Dieser Streit hat Geschichte. Was «gute Europäer» auszeichnet und wofür sie stehen, ist historisch überaus wandlungsfähig, entwickelt sich aber stets in Abgrenzung von einem Nicht-Guten, Nicht-Europäischen, das sich innerhalb wie ausserhalb des geographischen Raums «Europa» finden mag. In dieser steten Abgrenzung bildeten und bilden sich europäische Identifikationen aus.

Natürlich gibt es unverfängliche Antworten. Seit 1950 wird etwa der Aachener Karlspreis an Persönlichkeiten verliehen, die sich um Europa, speziell um die europäische Einigung und Einheit, verdient gemacht haben. Benannt ist der Preis nach Karl dem Grossen, der als Rex Europæ gilt. Allein, sind denn nur jene «gute Europäer», die sich für die politische Einigung des Kontinents und seine wirtschaftliche Verflechtung engagieren? Reicht der Einheitswunsch an sich schon aus, um «gute Europäer» zu kreieren?

Das Streben nach Einheit ist allemal älter als ein halbes Jahrhundert, und manche Politiker gingen dabei weiter als die Architekten der EU. «Adolphus» Hitler sah sich als Erbe Karls des Grossen und vereinigte das im Jahre 843 geteilte Reich, indem er Frankreich, Belgien und die Niederlande überfiel. Er versprach, Europa vor der Gefahr des Kommunismus zu retten, sein Propagandaminister beschwor den «Kreuzzug» der europäischen Völker gegen die Sowjetunion. Das Auswärtige Amt arbeitete gleichzeitig Pläne für eine europäische Nachkriegsföderation aus, selbstverständlich unter deutscher Hegemonie. Waren das «gute Europäer»? Und wie steht es mit jenem anderen Strategen, der Europa nach eigenen Vorstellungen einen wollte? Napoleon kam in seinem Streben nach imperialer Herrschaft bis Moskau und schrieb vier Jahre später in St. Helena, wie sehr er sich, leider vergeblich, bemüht hätte, die «Familie europäischer Völker» zu «einem Volk» in einem «gemeinschaftlichen Vaterland» zusammenzuführen. Ein «guter Europäer»?

Der Begriff selber stammt übrigens aus einer Zeit, da Napoleon längst Legende geworden war. Friedrich Nietzsche hat ihn geprägt und auf sich selber angewandt. «Ich bin vielleicht kein guter Deutscher», schrieb er seiner Mutter 1886, «aber ich bin ein guter Europäer.» Nietzsche setzte sich damit von dem ab, was er als «Krankheit des Jahrhunderts» geisselte: dem Nationalismus und seinem eingebauten Rassismus. Ein «guter Europäer» dagegen lebe nicht nur «übernational» und überwinde alle «patriotischen Beklemmungen»; er distanziere sich darüber hinaus von dem, was die europäische Kultur vornehmlich kennzeichne: christliche Religion und rationale Wissenschaft, Geschichtsbesessenheit und Machtgier.

Nietzsches Begriffsprägung sollte eine bemerkenswerte Karriere machen, auch wenn sich nicht alle, die den Begriff im Munde führten, an die vorgegebene Definition hielten. Nach dem Ersten Weltkrieg erlebten übernationale Einigungsideen einen neuen Aufschwung; in vielen Ländern Europas entstanden Vereine und Zeitungen, die irgendeine Art europäischer Föderation anpeilten. Nach dem Zweiten Weltkrieg griffen auch Politiker solche Konzepte auf. «Ein Bundeskanzler», erklärte Konrad Adenauer 1949, «muss zugleich guter Deutscher und guter Europäer sein.» Adenauer hatte Nietzsche leicht abgewandelt: er hielt nationale Identifikationen weiterhin für legitim, aber nur dann, wenn sie mit einem europäischen Bewusstsein einhergingen.

In welcher Form und Intensität sich nationale und europäische Identitäten legierten, war und blieb uneinheitlich. Für die Bundesrepublik Deutschland, die aus dem nationalistischen Schatten der Vergangenheit heraustreten wollte, war das Bekenntnis zu «Europa» wichtiger als für Grossbritannien, das sich traditionell als Kolonial-, Commonwealth- und Weltmacht verstand. Franzosen wiederum betonten zuerst ihre nationale Zugehörigkeit; sie applaudierten de Gaulles Formel einer Europe des patries – nicht mehr Napoleons Idee von Europa als gemeinsamem Vaterland aller europäischen Völker.

Die Rede vom guten Europäer konnte und kann also sehr Verschiedenes meinen, je nachdem wer über wen zu wem und gegen wen spricht. Auch über das, was man sich unter Europa überhaupt vorzustellen hat, herrscht bekanntlich keine Einigkeit. Für Adenauer endete Europa 1946 an der Elbe; zwei Jahrzehnte zuvor hatte der französische Rechtsintellektuelle Henri Massis die Grenze zu Asien bereits am Rhein gezogen. Solche Grenzmarkierungen tragen, selbst wenn sie kulturelle Argumente bemühen, stets politischen Charakter. Bei Massis hallte die Propaganda des Ersten Weltkriegs nach, die kulturell-ethnische Unterschiede in politische Ausgrenzung verwandelt hatte. In abgemilderter Form fand diese Ausgrenzung im ganzen 20. Jahrhundert statt und ist auch heute am Werk, wenn es darum geht, die Konturen der europäischen Landkarte zu zeichnen.

Problematisch, ja gefährlich wird solche Ausgrenzung immer dann, wenn sie machtbewehrt auftritt und sich mit sozialen Bewegungen oder Institutionen verbindet, die den Ausschluss politisch exekutieren. Solange das nicht der Fall ist, trägt sie eher zu dem bei, was seit je ein Kennzeichen und Spezifikum europäischer Kultur gewesen ist: Dissens und Zweifel. Als Massis´ «Défense de l´Occident» 1930 übersetzt erschien, löste die Schrift heftige Reaktionen deutscher Intellektueller aus, die sich wie Klaus Mann daran störten, dass der französische Autor Deutschland aus dem Abendland ausgrenzen und Asien zuschlagen wollte. Im gleichen Atemzug aber kritisierte Mann ein Phänomen, das er als «europäischen Nationalismus» beschrieb: die Neigung, innereuropäische Grenzen aufzuheben, nur um die Grenzen nach aussen um so stärker zu markieren. Diese Tendenz war vielen Europavereinen der Zwischenkriegszeit eigen, die sich damit, meist unbewusst und absichtslos, in die Tradition des europäischen Kolonialismus stellten.

«Gute Europäer» glaubten ja auch sie zu sein, jene Kolonisatoren, die sich im 19. Jahrhundert in den Dienst einer europäischen Zivilisationsmission stellten. Davon überzeugt, dass ihre Zivilisation allen anderen überlegen sei, wollten sie dazu beitragen, Menschen in weniger fortgeschrittenen Kontinenten mit deren Errungenschaften vertraut zu machen. Anders als die «schlechten Europäer» des Sklavenhandels und der Conquista waren sie nicht primär auf Unterwerfung und Ausbeutung, sondern auf die Entwicklung der Nichteuropäer bedacht. Diese Botschaft wurde auf den Kolonial- und Weltausstellungen des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts mit Verve in Szene gesetzt und popularisiert. In London, Paris, Amsterdam oder Berlin konnten sich Europäer selber ein Bild der Verhältnisse machen, die man in den Kolonien angetroffen hatte. Selbst wenn man von der ganzen Exotik und Farbenpracht absah, schien der zivilisatorische Vorsprung Europas unverkennbar; nicht zuletzt die zahlreichen populären Darstellungen indigener Gewalt dienten dazu, die europäische Mission zu begründen.

Vor diesem Hintergrund konnten innereuropäische Rivalitäten verblassen. 1900, zur Zeit der vielbeschworenen deutsch-französischen Erbfeindschaft, schrieb der Liberale Friedrich Naumann von der Pariser Weltausstellung, er vermöge zwischen Deutschen und Franzosen «keine sehr tiefen Unterschiede» zu entdecken: «Wir sind trotz verschiedener Sprache und Geschichte im Grunde Glieder desselben Menschenschlages. Man braucht nur die Orientalen der Ausstellung zu betrachten, um zu wissen, was Rassenunterschied ist und was nur Differenz innerhalb der Rasse.»

Das Kriterium der «Rasse» – hier gleichbedeutend mit Zivilisation – zog eine Trennlinie zwischen Europäern und Nichteuropäern, liess Europäer über nationale Unterschiede hinweg zusammenrücken und begründete das, was Klaus Mann 1930 «europäischen Nationalismus» nannte. Dieser Euro-Nationalismus oder «Europismus» bildete sich zuerst und nachhaltig ausserhalb Europas aus, in der Begegnung mit Nordamerika, vor allem aber in den Kolonien. Zwar entdeckten viele Deutsche, Franzosen oder Belgier, die im 19. und 20. Jahrhundert die Vereinigten Staaten besuchten, auch dort ihre Zugehörigkeit zu Eu-ropa. Das Differenz- und Überlegenheitsbewusstsein, das sie den USA gegenüber empfanden, war jedoch nichts im Vergleich zu demjenigen, das in ihnen in Afrika oder Asien aufkam.

Auch wenn europäische Kolonisatoren ihre nationale Identität stets betonten, mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass man sie von aussen zuerst als Europäer wahrnahm. Der in Marokko geborene Schriftsteller Marcel Bénabou berichtete noch aus den 1950er Jahren, dass die im Land lebenden Franzosen, Spanier oder Griechen allesamt als Europäer angesehen wurden. Sie waren «non-indigènes», weiss und mächtig; all das wies sie als Europäer aus, unabhängig von ihrer jeweiligen Nationalität. Diese Fremdwahrnehmung ging allmählich in das Selbstbild der Europäer ein. Aus der Abgrenzung gegenüber den kolonialen Anderen gewann man europäisches Selbstbewusstsein. Es war geprägt von zivilisatorischer Überlegenheit, aber auch von dem, was Nietzsche als «rassische Selbstbewunderung» verachtete.

Nach 1933 bekamen Europäer die Ausgrenzungskraft rassistischen Denkens am eigenen Leib zu spüren. Das nationale Prinzip hatte als innereuropäisches Ordnungselement unvermittelt ausgedient, rassische Kategorien entschieden nunmehr über Inklusion und Exklusion, über Freundschaft und Feindschaft. Die ersten Opfer waren deutsche Juden, die ausgebürgert und in die Emigration getrieben wurden. Bald aber gerieten auch die europäischen Nachbarvölker ins Visier des Nationalsozialismus, dessen Expansions- und Vernichtungsenergien interessanterweise von einer betont europäischen Rhetorik orchestriert wurden. Ein Strang solcher Rhetorik wirkte auch nach 1945 fort: in deren Antikommunismus nämlich und der Abkanzelung der Sowjetunion als uneuropäische Macht. «Asien steht an der Elbe»: mit dieser Polemik knüpfte Adenauer nahtlos an Ausgrenzungsstrategien an, die eine lange, weit vor 1933 beginnende Tradition kannten, unter den Bedingungen des Kalten Krieges aber neue Überzeugungskraft entfalteten.

Auch die europäischen Einigungspläne, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges geschmiedet wurden, griffen auf ältere Debatten zurück. Neu war, dass sie defensiv gewendet waren. Nicht nur der verheerende Krieg, sondern auch der Aufstieg Amerikas und die nationalen Unabhängigkeitsbewegungen in Asien und Afrika hatten Europa seinen Machtverlust überdeutlich vor Augen geführt. Aus dieser Schwäche heraus entstanden Föderationskonzepte, die auf leisen Sohlen daherkamen und auf neuerliche Weltbeglückung verzichteten. Egal, ob es sich um Abendlandideen christlicher Provenienz handelte oder um Vorstellungen eines dritten Weges, wie sie in linksliberalen, sozialistischen und Gewerkschaftskreisen entwickelt wurden – Europa befand sich im Verteidigungszustand und musste um einen Platz zwischen den neuen Weltmächten kämpfen.

Der Kalte Krieg begrenzte diesen Platz auf ein Minimum. Er beschränkte das europäische Projekt auf ein westeuropäisches und gab einer Distanzierung von Amerika gar keinen Raum. De Gaulles Versuche, Europa gegen die USA zu profilieren, stiessen weder in Deutschland und Italien, noch in Grossbritannien oder den Benelux-Staaten auf Gegenliebe. Politisch und militärisch beschied sich die Europäische Gemeinschaft nach 1951 mit der Rolle des Juniorpartners. Erst der Zusammenbruch der Sowjetunion verschaffte ihr nach 1989 grösseren Spielraum – den sie jedoch bislang kaum nutzt, weil nationale Interessen immer wieder die Oberhand gewinnen.

Mit dem Zerfall des Kommunismus ist der Europäischen Union zugleich der zentrale Abgrenzungspartner abhanden gekommen – und nach wie vor ist unklar, wer an seine Stelle treten kann. Zuweilen schien es, als ob es die ungebetenen Immigranten aus Afrika und Asien wären, gegen die sich die guten Europäer in ihrer Schengen-Festung verbarrikadierten. Nach 2003 wurde ausgetestet, ob die USA als politisch-kultureller Antipode taugten. Gerade dieser Test aber trug grossen Unfrieden in das europäische Projekt und drohte es von innen zu zersprengen. In dem dramatischen Dissens über eine europäische, von der amerikanischen abweichende «Weltpolitik» deutete sich die Gefahr der Überdehnung europäischer Integration an. Das ehrgeizige Ziel, ihre Erweiterung und Vertiefung zeitgleich zu betreiben, ist 2005 gescheitert. Mit der Aufnahme neuer Mitglieder ist die Vielstimmigkeit nationaler Positionen gerade auf aussenpolitischem Terrain noch verstärkt worden. Die Chancen, dass Europa hier an Handlungsfähigkeit gewinne, sind daher überaus gering.

In einer Situation, in der die weltpolitischen Karten neu gemischt werden, mag dies bitter und enttäuschend sein. Aber es ruft zugleich wichtige europäische Erfahrungen in Erinnerung, die zur Zurückhaltung mahnen. Dazu gehört die Geschichte europäischer Weltbeherrschung vor 1950 ebenso wie die Geschichte europäischer Selbstbeherrschung nach 1950. Im Schatten des Ost-West-Konflikts ist es den guten (West-) Europäern gelungen, die lange und destruktive Periode europäischer Machtausdehnung zu beenden und auf dem Fundament wirtschaftlicher Interessen neue multilaterale Formen politischer Kooperation zu entwickeln. Das Modell war so erfolgreich, dass sich immer mehr Staaten daran beteiligen möchten – in und ausserhalb Europas. An dieser Erfolgsgeschichte gilt es weiterzubauen, anstatt sie durch übereilte weltpolitische Ambitionen zu gefährden.

Gerade derartige Ambitionen bergen ein grosses Risiko, bewegen sie sich doch auf einem historisch verminten Gelände. Aus gutem Grund begann die Europäische Gemeinschaft nicht mit aussenpolitischen Absichtserklärungen, sondern mit Verhandlungen über Kohleförderung und Tomatenanbau. Auch über ihre kulturelle Identität hat sie sich lange Zeit keine Gedanken gemacht, und das war ein Segen. Wenn derzeit von allen Seiten über die Abwesenheit solcher Identitätskonstruktionen geklagt und versucht wird, die geistigen und kulturellen Dimensionen Europas auszuloten, markiert dies einen potentiell gefährlichen Richtungswechsel. Gerade in einer an schrillen Tönen nicht armen Türkei-Debatte zeigt sich, welch ausgrenzende Wirkungen von der Beschwörung eines europäischen «Geistes» oder eines europäischen «Erbes» ausgehen und auch ausgehen sollen. In der Türkei scheint man den neuen Anderen gefunden zu haben, gegen den Europa sich seiner Identität versichert.

Nur steht solche Selbstgewissheit auf wackligen Füssen. Wer das Christentum als Signatur Europas ins Feld führt, wer Reformation, Renaissance oder Aufklärung zitiert, wer an die osmanischen Kriegszüge gegen «Europa» erinnert, der übersieht dabei geflissentlich, dass es Kriege auch zwischen europäischen «Kernvölkern» gegeben hat, nicht wenige, und viel blutigere Kriege als die Auseinandersetzungen mit dem Sultan. Das Christentum ist in viele Richtungen gespalten, und ob sich ein skandinavischer Protestant in einer griechisch-orthodoxen Kirche heimatlicher fühlt als in einer Istanbuler Moschee, bleibe dahingestellt. Zugleich werden die Juden damit ein weiteres Mal vom Kontinent vertrieben. Renaissance und Aufklärung wiederum haben auch in Europa nicht überall Spuren hinterlassen; andererseits verfügt Europa in Spanien über maurische Überreste, die selbst der militanteste Katholizismus nicht zu schleifen vermochte.

Eine sogenannte kulturelle Identität Europas taugt demnach nicht als Abgrenzungskriterium, denn es gibt sie nicht flächendeckend. Sie liesse sich mit gleichem Recht oder besser Unrecht auch gegen viele osteuropäische Beitrittsländer ins Feld führen. Dass man sie im Falle der Türkei bemüht, deutet darauf hin, dass hier andere – politische – Rücksichten und Erwägungen greifen. Das ist absolut legitim, sollte aber ausgesprochen und diskursiv verhandelt werden.

Auch dort, wo es um politische Interessen geht, lässt sich eine europäische Signatur offensiv behaupten und dabei Bezug nehmen auf Leitbegriffe europäischer Verfassungskämpfe. Wer die Menschen- und Bürgerrechte nicht achtet, Demokratie und Rechtsstaat geringschätzt, das Solidaritätsgebot verletzt, wäre folglich in der EU fehl am Platz. Gleichzeitig sollten sich auch «gute» Europäer daran erinnern, wie oft sie diese Leitbegriffe selber mit Füssen getreten haben – und wie spät sich manche dazu bekannten. Mehr Bescheidenheit und weniger «Selbstbewunderung» täten der Debatte gut. Kritische Introspektion scheint heute um so angemessener, als aus «guten» Europäern gleichsam über Nacht «schlechte» werden können.

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