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(2) Die falsche Angst vor dem Kapitalismus

Die Freiheit als Voraussetzung, die Legitimität des privaten Eigentums als Folge, begleitet von Verant-wortung, fairem und moralischem Verhalten.
Der Kapitalismus und nicht das öffentliche System schützt vor Ausbeutung und vor der Willkür
der Macht.

Der Kapitalismus wird traditionell als das System des Privateigentums an den Produktionsmitteln definiert. Korrekter wäre jedoch: als ein System gesetzlich verankerter, legitimer Eigentumsrechte, die zudem alle Güter und nicht bloss die Produktionsmittel umfassen. Es genügt allerdings nicht zu deklarieren, die Güter seien Gegenstand privaten Eigentums. Denn eine Diktatur führt im allgemeinen zur Zuteilung von Privilegien an eine herrschende Klasse, deren Mitglieder auf diese Weise zu Inhabern von Privateigentumsrechten werden. Dies war der Fall unter den kommunistischen Regimes und ist es noch immer in den Nomenklatursystemen. Von Bedeutung ist dabei, dass diese Rechte willkürlich, unter Einsatz von Gewalt gewährt werden; an einer Rechtsphilosophie gemessen, die auf Freiheit und nicht auf Zwang aufbaut, sind sie somit nicht legitim. Damit aber die Eigentumsrechte zu ihrem vollen Sinn finden, bedarf es zusätzlich der Vertragsfreiheit, das heisst der Freiheit, die Dinge zu tauschen, die man legitimerweise besitzt.

Da der Kapitalismus auf legitimen Eigentumsrechten aufbaut, ist er dem Wesen nach moralisch; er ist sogar das einzige Gesellschaftssystem mit unbestreitbar moralischer Grundlage. Und da er moralisch ist, ist er effizient. Nun wäre wohl zu präzisieren, was denn die Legitimität der Eigentumsrechte begründet; hierzu bedarf es des Begriffs der Freiheit. Von einem Menschen zu sagen, er sei frei, bedeutet, er sei sein eigener Herr, er handle nicht unter fremdem Zwang – er befinde sich somit nicht in einem Zustand der Sklaverei. Aber es wäre widersinnig sagen zu wollen, ein Mensch sei frei, ohne dass ihm gleichzeitig das Eigentum an den Früchten seiner Tätigkeiten zugestanden würde. Es ist augenscheinlich, dass alle menschlichen Reichtümer von Menschen erst geschaffen werden mussten; sie sind ihnen nicht gratis, ohne Anstrengung – sozusagen vom Himmel herunter – zugefallen. Alles, was der Mensch nutzt, ist das Resultat schöpferischer Betätigung – im besonderen des Gebrauchs der Vernunft. So ist denn der aus einem schöpferischen Akt hervorgegangene Besitz als legitim zu erachten: legitimer Eigentümer ist, wer ein Gut geschaffen hat. Es steht ihm danach frei, dieses selbst zu verwenden oder es zu verschenken, zu vererben oder zu vermieten.

Der Gedanke, das Eigentumsrecht habe seinen Ursprung in einem schöpferischen Akt, wurzelt zutiefst in der westlichen Philosophie und Praxis. So unterstrich John Locke, der Mensch könne nur in dem Masse Anspruch auf das Eigentum von Grund und Boden erheben, wie er aus diesem durch eigene Anstrengung Ressourcen hervorgebracht habe. In der Praxis hat die Rechtsprechung häufig das Recht des Erstbesitzers anerkannt; denn der Erstbesitzer ist derjenige, der einem Gut seinen Wert verliehen und damit in gewisser Weise diesem Gut zur Existenz verholfen hat. So gesehen ist es daher unsinnig, von «Verteilung des Nationaleinkommens» zu sprechen. «Verteilung der Ressourcen» ist in der Tat nur insofern legitim, als sie von deren legitimen Eigentümern vorgenommen wird. Nun gibt es aber kein Nationaleinkommen, das legitimerweise der Nation gehören würde und deshalb zur Verteilung stünde.

Festlegung und Sicherstellung der legitimen Eigentumsrechte bilden die Grundlage eine freien Gesellschaft, die auf in sich schlüssige Art funktioniert. Wenn jeder die Rechte all der anderen respektiert, kann es in der Tat keine Konflikte bei der Zuteilung der Güter geben. Eine rein kapitalistische Gesellschaft ist deshalb notwendigerweise friedlich. Die Ethik, die dem Kapitalismus zugrunde liegt, ist eine universale Ethik in dem Sinne, als die moralischen Prinzipien, die sie auszeichnen, untereinander nicht in Konflikt geraten können. Im Gegensatz dazu hat in einer kollektivistisch inspirierten Gesellschaft jedes ihrer Mitglieder eine andere Ansicht darüber, wie die ideale «Verteilung» der Reichtümer beschaffen zu sein habe. Diese unterschiedlichen Überzeugungen sind gezwungenermassen unvereinbar. Soziale Schiedsverfahren ermöglichen es dann einigen davon, sich gegen die anderen durchzusetzen, sei es durch die Anwendung von Zwang, oder über eine Abstimmungsmehrheit mit der Folge, dass Minderheitsrechte missachtet werden. Aus diesem Grunde – und im Unterschied zu dem, was vielfach behauptet wird – gibt es keinen «wilden» Kapitalismus; er beruht im Gegenteil auf dem Respekt vor den Rechten jedes einzelnen – im Gegensatz zum Staat, der gezwungenermassen «wild» ist, da er einzelne Visionen, einzelne Interessen über andere stellt.

Man trifft häufig die Ansicht, die Produktion zeichne sich durch das Phänomen der Skalenvorteile in der Weise aus, dass grosse Firmen effizienter seien als kleine oder mittlere, weshalb der Kapitalismus, insofern als er «effizient» ist, zu Konzentrationserscheinungen führe, wie ja auch von Karl Marx vorausgesagt. Nun, dies ist völlig falsch. Nehmen wir eine Wirtschaft wie diejenige der USA. Sie bezieht den allergrössten Teil ihrer Dynamik (und ihrer Fähigkeit, Arbeitsplätze zu schaffen) nicht aus dem, was als erstes in die Augen springt: den Grossbetrieben, sondern vielmehr von den Zehntausenden kleiner Firmen, die jedes Jahr entstehen. Und das ist nicht schwer zu begreifen. Während es zwar bei gewissen Arbeitsabläufen technische Skaleneffekte gibt (etwa durch den Einsatz von Produktionsketten hoher Kapazität), unterliegt der Grossbetrieb auf der anderen Seite der Gefahr dessen, was man als «negative Skaleneffekte» bezeichnen könnte. Denn die Koordination der Tätigkeiten Tausender von Männern und Frauen ist keine einfache Sache, und es ist fast ein Wunder, dass es Grossbetriebe überhaupt gibt. In Wirklichkeit ist ihre Existenz oftmals an die Wirtschaftspolitik geknüpft. Der Staat richtet Subventionen an die Grossbetriebe aus, da sie einflussreicher und fürs Lobbying besser gerüstet sind als die kleinen. Er gewährt Zollvorteile und versucht, «Landesmeister» aufzubauen. In diesem Zusammenhang ist es bezeichnend, dass Riesenfirmen ganz besonders in kommunistischen Wirtschaften entstanden sind.

Dagegen stellt man fest, dass Grossbetriebe nicht zu den innovativsten gehören, eben weil ihnen eine Tendenz zur Bürokratie innewohnt. Auch schaffen sie nicht besonders viele Arbeitsplätze; denn sie stehen oft in einer Phase der Reife oder sogar Sättigung. Die wahre kapitalistische Unternehmung ist nicht diejenige, die dank Protektionismus und Staatssubventionen überlebt, sondern diejenige, die in den Händen eines innovativen, risikofreudigen Unternehmers liegt, der auf die Marktanforderungen zu reagieren weiss und neue Produktionsverfahren ausprobiert. Der resultierende Gewinn ist der Lohn seiner Anstrengungen, unterliegt aber auch seinerseits dem Risiko. Doch auf jeden Fall ist er Ausdruck der Legitimität des Kapitalismus: der innovative Unternehmer ist ein Schöpfer, dem eine Rendite zufliesst, in dem Masse, wie er seine Produktion zu optimieren und wie er besser als andere auf die tatsächlichen Bedürfnisse seiner Kunden zu reagieren weiss.

Wenn man wirtschaftliche und soziale Probleme rigoros analysiert, entdeckt man im allgemeinen, dass ihr Ursprung in mangelndem Kapitalismus liegt und dass eine Rückkehr zum Kapitalismus – also eine Klarstellung der genauen und legitimen Eigentumsrechte – die beste Lösung bringt. Verständlicherweise; denn Anerkennung der Eigentumsrechte ist die Voraussetzung der Verantwortung. Nehmen wir zum Beispiel die Umweltprobleme. Die Medien hämmern uns bis zur Bewusstlosigkeit ein, der amazonische

Regenwald stelle die «Lunge der Menschheit» dar, werde dabei aber zunehmend vernichtet durch Kapitalisten, die nur an ihren eigenen Profit dächten, auf Kosten der gesamten Menschheit!

Das Trommelfeuer impliziert natürlich den Ruf nach Begrenzung solch üblen Tuns durch restriktive Vorschriften. Vergessen geht dabei lediglich, dass der Regenwald im Amazonasbecken nicht diesen angeblichen kapitalistischen Zerstörern gehört, sondern dem brasilianischen Staat. Dieser ist es, der Nutzungsbewilligungen an interessierte Unternehmen erteilt, die dementsprechend zwar im Genuss zeitlich beschränkter Konzessionen, aber nicht unbeschränkter Eigentumsrechte stehen. Und das Resultat? Offensichtlich besteht das Interesse jedes Konzessionärs darin, den Wald im beschränkten zeitlichen Rahmen seiner Konzes–sion möglichst profitabel zu nutzen, das heisst ihn abzuholzen, nicht aber, ihn zu unterhalten und auch wieder aufzuforsten.

Ein richtiger kapitalistischer Eigentümer dagegen sähe seinen Vorteil darin, Bäume nicht nur zu fällen, sondern auch wieder anzupflanzen, um dadurch den Wert seines Besitzes langfristig zu erhalten oder zu mehren. Beim Betrachten einer Karte aller Wälder der Welt stellt man frappiert fest, dass die Waldfläche in den Ländern und Regionen schwindet, in denen die Wälder in der öffentlichen Hand sind, und dort zunimmt, wo sie im Privateigentum liegen. Es ist also sehr klar ein Mangel und nicht ein Zuviel an Kapitalismus, was an der Beseitigung der Tropenwälder schuld ist.

Wenden wir uns nun einem völlig anderen Beispiel zu, einem aus der Wirtschaftspolitik. Man wird nicht müde zu behaupten, der Kapitalismus sei grundlegend instabil, und es sei eine der Hauptaufgaben des Staates, die wirtschaftliche Stabilität sicherzustellen. Es handle sich dabei um ein «öffentliches Gut», zu dessen Wahrung der Markt unfähig sei. Wenn wir die Geschichte zu Rate ziehen und versuchen, mit Hilfe der Vernunft aus ihr Folgerungen zu gewinnen, dann wird deutlich, dass die Menschheit in ihrer gesamten Geschichte nie so viel Inflation, Wirtschafts- und Währungskrisen gekannt hat, wie im 20. Jahrhundert. Gleichzeitig zeichnet sich ausgerechnet dieses Jahrhundert dadurch aus, dass in seinem Verlauf die Währungen und das Geld überall durch den Staat verwaltet wurden – unter dem Vorwand der Stabilisierung.

Nun, die Staaten waren eben auf die Geldschöpfung als eine Quelle zur – anscheinend – schmerzlosen Finanzierung der öffentlichen Ausgaben verfallen. In der Geschichte des Geldes allerdings war es früher anders. Als das Geld durch die Banken ausgegeben wurde, garantierten diese seine Konvertibilität (etwa in Gold), und sie versprachen den Inhabern ihrer Banknoten, diese auf ihren Wunsch gegen das Gold einzutauschen, das sie verkörperten. Als Eigentümer trug der Bankier die Verantwortung. Er wusste, sollte er zuviel Noten ausgeben gegenüber den ihnen zugrundeliegenden Goldreserven und würden irgendwann zu viele Banknotenbesitzer Rückzahlung ihrer Noten in Gold verlangen, würde er bankrott gehen – was einer staatlichen Zentralbank natürlich nicht passieren kann. Aus diesem Grund ist ein Geldsystem, das auf kapitalistischen – und daher verantwortlichen – Bankiers beruht, nicht inflationär und produziert keine Finanzkrisen.

Diese Disziplin der Verantwortung spielt nicht mehr in einem öffentlichen System: die staatliche Zentralbank kann wohl gegebenenfalls für ihre eigene Währung – und somit für das Geld der privaten Banken, die sie kontrolliert – Konvertibilität in Gold (oder in eine andere Währung) garantieren. Aber im Gegensatz zu den Kapitalisten steht der Staat nicht im Wort. Er kann einseitig und willkürlich die Umtauschkonditionen gegen Gold oder eine andere Währung verschlechtern. Man nennt dies eine Abwertung. Eine solche müsste unverhohlen als Diebstahl qualifiziert werden: man verspricht den Rückkauf der Währung zu bestimmten Bedingungen und zwingt dann demjenigen schlechtere auf, der einen solchen Umtausch vornehmen will.

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