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(2/2) Gorilla, Fliege, weidendes Rind*

Von Monika Mann, an deren Talent im Hause Mann stets gezweifelt wurde und die als ausgestossene, ungeliebte Tochter galt, erschien 1960 bei den «Schweizer Monatsheften» auf vier Seiten die «Kleine Tierschau».

Gorilla

Welch ein Kerl! Es ist, als ob die Welten sich verschöben, um zu enthüllen ein gewaltig Einst, das rückwärts und auch vorwärts weist. Es ist, als ob die Kreidezeit utopisch würde und aus dem Urgetüm ins Morgen steige. Das gilt uns, das ist ein Schatten meiner selbst, grotesk und schön auf öden unerkannten Wegen je nach dem Lichte hinter mir und mir voran, hochaufgerichtet, fäustetrommelnd jetzt die schwarze Zottelbrust und mit dem Blick ins Feuer der Vulkane zeigend – das Ungeheuer atmet Herrlichkeit. Ich erröte, beuge mich vor dem Gorilla: welch ein Kerl!

Die Fliege

Ich will nicht wissen, wievielmal sie mich sekkiert – ich scheue hohe Zahlen, sie geben mir das Gefühl der Protzerei, nicht angebracht für diese vermaledeite kleine Plage! Nun lässt sie mich zum Überfluss noch tanzen, gerät ins Feuer durch die Klatsche gar, zickzackt um mich rum wie toll, surrt donnernd an die Fensterscheibe. Als sie verschnauft, und ich die Fliege töten kann, weiss ich, an ihre Stelle tritt die Einsamkeit.

Die Eidechse

Mir ist, ein Hinweis, eine Anspielung auf mein Leben streifte meinen Blick in Form eines grüngeschuppten Kommas – Interpunktion des Seins, das da vor mir geschrieben steht auf lichten Mauern.

Weidendes Rind

Dies ist das Land mit dem weidenden Rind, wo die goldenen Schleier auf dem blauen Rasen ruhn. Und es wogen die falben Rücken darüber, indes die gebeugten Hälse, malmenden Lippen das Werk des Abends tun. Wie sich so Flanke an Flanke sanft bewegt und die Haut auf breiten Rippen zuckt, schaut ein jedes Rind vor sich selber nieder, auf seinen blauen Rasenkreis, wo der Schleier sich verdichtend, golden in das Dunkel weist. Da, die Hälse recken sich empor – mit offnen, schwarzen Nüstern brüllen sie vereint, was sie nicht wissen.

Das Möwenpaar

Zwischen dem grauen Himmel und dem grauen Meer ziehen zwei weisse Punkte hintereinander her gen Osten. Ob sie dort eine Wohnung haben, eine Erinnerung, ob sie den Morgen suchen oder alles drei? Es ist ein Mitsichziehen und zugleich Verfolgen, dies weisse Zweierlei, das wohl durch Gegenkraft sich in der Höhe hält mit einem Schrei und schreiend immer weitersegelt durch das Grau – das weisse Zweierlei – und durch ein widrig Füreinander nicht herunterfällt. (Jetzt seh ich, dass es Vögel sind – das Möwenpaar, das gegen Morgen fliegt und plötzlich nicht mehr ist.)

*Auszug aus «Schweizer Monatsheften», 40. Jahr, Heft 7, Oktober 1960.

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