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(2) 1956 – Chronik einer Revolution

Von einer friedlichen Kundgebung über den bewaffneten Aufstand zum national motivierten Freiheitskampf: Was in jenen zwölf Tagen geschah, traf nicht nur die ungarische und sowjetische Führung unvorbereitet, sondern auch die Aufständischen selbst.

Gegen Ende 1952 geriet das kommunistische System stalinistischen Zuschnitts in Ungarn in eine Krise. Unter sklavischer Kopierung des sowjetischen Modells und in Erwartung eines dritten Weltkriegs hatte man die Schwerindustrie in einem Ausmass entwickelt, das die Bedürfnisse, aber auch die ökonomische Tragfähigkeit des Landes weit überstieg. Dies ergab zuletzt einen ständigen Mangel bei den Konsumartikeln. So war Ungarn gezwungen, auch solche Produkte zu importieren, die das Land zuvor in Überfluss hervorgebracht und exportiert hatte. Das Lebensniveau sank selbst im Vergleich mit der Nachkriegsperiode beträchtlich. Nur durch Terror konnte das Regime verhindern, dass die Unzufriedenheit sich entlud. Zwischen 1950 und dem ersten Vierteljahr 1953 standen 650’000 Personen vor Gericht, etwa zehn Prozent der erwachsenen Bevölkerung. Der Staatssicherheitsdienst (ÁVH) verfügte über fast unbegrenzte Macht; die ÁVH-Offiziere sagten durchaus die Wahrheit, wenn sie den Verhafteten mit der Bemerkung Angst einjagten, dass sie nicht verpflichtet seien, über irgendein Leben Rechenschaft abzulegen.

Nach Stalins Tod 1953 plante die neue Sowjetführung aussenpolitische Änderungen, von daher gewann die rasche Regelung der Lage in Ungarn für Moskau besondere Bedeutung. Im Sommer 1953 wurde Mátyás Rákosi wegen seiner bisherigen (von Moskau verordneten) Politik scharf kritisiert und aufgefordert, die Führung der Regierung an Imre Nagy zu übergeben. Gemäss dem in Moskau skizzierten neuen Programm sollte die Entwicklung der Schwerindustrie gedrosselt, die Produktion von Konsumartikeln dafür gesteigert werden. Die Bevölkerung begrüsste diese Massnahmen, doch erwuchs Nagy beinahe augenblicklich der Widerstand der weiterhin von Rákosi gelenkten Parteiführung. Da Imre Nagy Reformen vorbereitete, die über die Moskauer Absichten hinausgingen, nutzte Rákosi erfolgreich seine Moskauer Beziehungen und im Frühjahr 1955 verdrängte er mit Billigung des Kremls seinen Gegner von der Regierungsspitze. Allein, ohne Stalin sollte es ihm nicht mehr gelingen, die stalinistische Art der Machtausübung wiederherzustellen. Im Gefolge des 20. Kongresses der Kommunistischen Partei der Sowjetunion wurde seine Lage delikat, weil er nun nicht mehr darum herumkam, die Entstalinisierung in Ungarn selber anzuführen. Im Juli 1956 gab Chruschtschow seine Einwilligung zur endgültigen Abberufung Rákosis.

Zwar war Ungarns Wirtschaftslage damals nicht schlechter als die der anderen Länder im sozialistischen Lager; doch war die Situation sehr angespannt. Die grundlegenden Änderungen der Parteipolitik 1953 und 1955 hatten den Partei- und den Räteapparat verunsichert. Gleiches galt für den Staatssicherheitsdienst. Der aus der Partei ausgeschlossene Imre Nagy bestand auf seinem 1953 verkündeten Programm und wurde damit zur Referenzfigur für alle, die Rákosis System ablehnten. Reformwillige Schriftsteller und Journalisten stellten sich bereits 1954 hinter ihn und unterstützten seine Reformvorstellungen auch nach der Ablösung. Im Frühjahr 1956 wurde die sich um Nagy scharende, innerparteiliche Opposition rasch stärker. Sie berief sich auf den 20. Kongress der KPdSU und forderte die Demokratisierung des Systems. Der unter der Leitung der Gruppe stehende Peto’fi-Kreis (ein politisches Diskussionsforum, dessen Entstehung man 1955 zur Entschärfung der Lage bewilligt hatte), zog mit seinen Debatten ein immer grösseres Publikum an, weil hier die grundlegenden Mängel des Systems offen angesprochen wurden.

Die Nachfolge Rákosis übernahm Erno Gero, zuvor der zweite Mann der Führung, – was bedeutete, dass Moskau keine wesentliche Ände-rung plante. Während Gero’s kurzer Amtszeit gab es keine wichtigen Änderungen, obschon er die Demokratisierung des Systems versprochen hatte. Im Herbst 1956 kamen dann aber überall im Land immer schärfere Debatten in Gang. Die Studenten begnügten sich nicht mehr mit blosser Kritik, sondern gründeten Mitte Oktober in Szeged eine Organisation, die ohne Befragung der Partei ihr Programm gestaltete, ihre Führer selber wählte. Ihrer Initiative schlossen sich bis zum 23. Oktober im wesentlichen alle Hochschulen des Landes an. Am 6. Oktober hatten sich zur feierlichen Wiederbeerdigung László Rajks und seiner Gefährten – alle Opfer des bekanntesten ungarischen Schauprozesses – rund 200’000 Personen eingefunden. Die Menge aber betrauerte weniger die Hingerichteten, als dass sie gegen die Machthaber protestierte. Noch bevor am 23. Oktober die ersten Demonstranten auf die Strasse zogen, war das System ruiniert.

Am 22. Oktober fand an der Technischen Hochschule von Budapest in Anwesenheit von Delegierten aus Szeged eine Grossversammlung statt. Die Studenten formulierten einen Katalog von 16 Punkten, die überwiegend die demokratische Umgestaltung des Systems, nicht aber dessen Sturz zum Ziel hatten. Zur Bekräftigung dieser Forderungen wurde beschlossen, am folgenden Tag eine Kundgebung durchzuführen. Die Parteiführung reagierte mit einem Verbot; schnell wurde aber klar, dass niemand imstande war, die Kundgebung zu verhindern. Zu viele verschiedene Gruppen, dazu Leitungen von Universitäten, die Redaktion des Parteiblatts und zahlreiche Parteiorganisationen hatten Proteste angekündigt. Weil kaum jemand an eine gewaltsame Unterdrückung denken mochte, wurde das Verbot aufgehoben – zumal die Parteiführung der Polizei nicht vertraute und Militär in der Hauptstadt nicht zur Verfügung stand.

Am Nachmittag des 23. Oktober schlossen sich mindestens 200’000 Personen der Kundgebung der Studenten an. Am späteren Nachmittag zog die Volksmenge zum Parlament und wollte Imre Nagy hören. In einer Rede, die er auf Aufforderung der Partei hielt, versuchte Nagy die Demonstranten zur Heimkehr zu bewegen und versprach, die Partei würde sich demokratisieren und die 1953 begonnene Reformpolitik fortsetzen. Dem widersprach kurz darauf Erno Gero in einer am Radio übertragenen Rede. Der Erste Sekretär pries die Sowjetunion und äusserte sich mit provozierender Herablassung über die Demonstranten. Eine aufgebrachte Menge zog nun zum Radiogebäude und verlangte, dass die 16 Punkte der Studentenschaft vom Sender bekannt gegeben würden, doch die Leitung des Radios wies das Ansinnen zurück. Die mit Militär und ÁHV-Leuten verstärkte Wache drängte die Demonstranten wiederholt zurück. Spät am gleichen Abend – zu dieser Stunde hatte eine Gruppe in der Nähe der Sowjetbotschaft bereits die gigantische Bronzestatue Stalins vom Sockel gestürzt und hatte Chruschtschow der Entsendung sowjetischer Truppen zugestimmt – eröffnete die Radiowache das Feuer auf die Demonstranten. Diese beschafften sich Waffen aus den Lagerbeständen von Grossbetrieben und Kasernen. Mit der Belagerung des Radiogebäudes verwandelte sich die Kundgebung in einen bewaffneten Aufstand – und am nächsten Morgen, beim Erscheinen der ersten Sowjettruppen, in einen national motivierten Freiheitskampf.

Der Ausbruch der Revolution traf nicht nur die ungarische und die sowjetische Führung unvorbereitet, sondern auch die Aufständischen selbst. Die Studenten hatten mit der Kundgebung nicht mehr erreichen wollen, als dass in Ungarn, ähnlich wie in Polen, Reformen ihren Anfang nähmen. Das polnische Drehbuch hätte impliziert, dass die Führungsgremien der Partei ohne Moskaus Einspruch neu bestellt und kompromittierte Stalinisten ihre Mitgliedschaft verlieren würden. Bis zum Ausbruch des bewaffneten Kampfes vernahm man allerdings kein einziges Versprechen in diesem Sinn. In der Nacht auf den 24. Oktober verloren zwar einige profillose Stalinisten ihre Funktionen, aber Gero verblieb an der Parteispitze. Nagy wurde Regierungschef, an der Zusammensetzung des Kabinetts aber änderte sich nichts. Diese am frühen Morgen des 24. Oktober vom Radio mitgeteilten Massnahmen blieben ohne Wirkung, weil zu dieser Stunde bereits Sowjettruppen gegen die Aufständischen kämpften.

Fünf Tage lang, bis zum 28. Oktober, mühte sich die Parteiführung mit endlosen Diskussionen, war aber unfähig, eine Lösung zu finden. Da half auch nichts, dass zwei nach Budapest entsandte Mitglieder des Präsidiums der KPdSU, Mikojan und Suslow, sich an den Beratungen beteiligten. Ebensowenig nützte es, dass am 25. Oktober Gero an der Parteispitze durch János Kádár abgelöst wurde. Die Reformer und in erster Linie Imre Nagy konnten verhindern, dass die Volksbewegung durch eine volle militärische Machtentfaltung erstickt wurde. Die Hardliner ihrerseits verhinderten, dass die wichtigsten Forderungen der Aufständischen erfüllt wurden. Die Führung war gespalten, die Partei paralysiert.

Da niemand die Revolution geplant hatte, gab es auch in ihren Reihen keine entschlossene Führung; von einem Programm wird man nur mit Vorbehalten sprechen dürfen. Immerhin gab es die 16 Punkte der Studenten der Technischen Hochschule, die drei Bereiche betrafen. Gefordert wurde, erstens, die Demokratisierung des politischen Systems unter Garantie grundlegender Freiheitsrechte; zweitens, die Wiederherstellung der Unabhängigkeit des Landes; drittens, die Verbesserung der Lebensbedingungen. Rasch wurden die 16 Punkte auch von den Strassenkämpfern angenommen, in den nachfolgenden Tagen fast vom ganzen Land. Am 25. Oktober begannen Massenkundgebungen in den Städten und Dörfern der Provinz; unter ihrer Wirkung brach die kommunistische Macht praktisch widerstandslos zusammen. In Siedlungen und Betrieben wurden Revolutionsräte gegründet. Über die 16 Punkte hinaus forderten sie die sofortige Einstellung der Kampfhandlungen, den Abzug der Sowjettruppen und die Gewährung einer Amnestie für die Aufständischen. In vielen Programmen stand auch die Forderung nach Aufkündigung des Warschaupakts und Ausrufung ungarischer Neutralität. Bis zur Erfüllung dieser Forderungen wurde ein Generalstreik verkündet. An die Stelle des alten, zentralisierten Systems trat in ersten Ansätzen ein neues System, in dem sich bürgerliche, direktdemokratische und sozialistische Elemente vermischten. Was vor sich ging, war nach Auffassung der gesamten Bevölkerung eine Revolution – ein gegen die stalinistische Diktatur gerichteter, nationaler Freiheitskampf.

In der Nacht auf den 28. Oktober gelang es Imre Nagy mit Kádárs Hilfe, Mikojan und seine Begleiter davon zu überzeugen, dass die meisten an der Erhebung Beteiligten keine Feinde des kommunistischen Systems seien, dass man vielmehr mit ihnen würde zusammenarbeiten können, um die Ordnung wiederherzustellen – unter der Bedingung allerdings, dass man die Ereignisse als Resultat einer demokratischen Volksbewegung anerkenne, einen Waffenstillstand verkünde und die Auflösung des Staatssicherheitsdienstes sowie den Abzug der Sowjettruppen aus Budapest bekannt gebe. Da der Versuch einer politischen Lösung, die die Grundlagen des sozialistischen Systems in Ungarn nicht tangieren würde, den Sowjets in diesen Tagen günstiger schien als die Option militärischer Repression, gab Chruschtschow seinen Segen. Gleichzeitig signalisierten Mikojan und Suslow, dass dies die äusserste Grenze dessen sei, was Moskau tolerieren würde.

Die von Imre Nagy am 28. Oktober verkündeten Massnahmen implizierten die Erfüllung wichtiger Forderungen. Dennoch waren die Aufständischen nicht bereit, die Waffen niederzulegen. Auch die Arbeiter wollten ihren Streik nicht beenden, solange die bisherigen Errungenschaften nicht wirklich gesichert waren, solange also keine Vereinbarung zustande kam über den Abzug der Sowjettruppen aus dem ganzen Land, über freie Mehrparteienwahlen und die Deklarierung von Ungarns Neutralität. Und so musste Imre Nagy wählen: sollte er auf diese weitergehenden Forderungen eintreten, um zunächst die Lage in Ungarn zu konsolidieren – oder sollte er sich auf die Sowjetarmee stützen und jeden weiteren Widerstand seiner Landsleute mit Gewalt ersticken? Nagy – im Alter von sechzig Jahren noch imstande gewesen, sich vom Kommunisten zum Demokraten zu wandeln – versuchte den erstgenannten Weg.

Am 30. Oktober anerkannte er, dass eine Revolution im Gange war. Unter Aufkündigung des Einparteiensystems bildete er ein Regierungskabinett, an dem vier Parteien beteiligt waren. Zugleich wurde erfolgreich über die Einbeziehung der Aufständischen in eine neu zu bildende Nationalgarde verhandelt, wurde auch die revolutionäre Zerschlagung des zentralen Staatsapparats vorangetrieben. Die Führung der Ministerien wurde von Revolutionsräten übernommen, die sich mit den Zielen des Aufstands voll identifizierten.

Noch während in Ungarn so eine Konsolidierung in Gang zu kommen schien, entschied Chruschtschow, den Aufstand niederzuschlagen. Abgesehen von internationalen Faktoren (Stellungnahme Washingtons, Krieg am Suezkanal, Änderung in der Haltung der chinesischen Führung) hatte ihn insbesondere eine Erkenntnis zu dieser Entscheidung gebracht: ohne militärische Intervention würde das ungarische kommunistische System zusammenbrechen. Im Gegensatz zur Stimmung in Ungarn selbst, wo der Mini-sterpräsident noch immer der kommunistischen Partei angehörte, wo allgemeines Einverständnis darüber herrschte, dass die wichtigsten Errungenschaften seit 1945 (Bodenreform, Verstaatlichung der Banken und der Grossindustrie) bewahrt werden sollten, wo überdies die Aufständischen nicht nur die Möglichkeit einer Rákosi-, sondern auch einer kapitalistisch-bürgerlichen Restauration verwarfen, wo schliesslich auch kein Mensch daran dachte, dass das Land sich dem westlichen Militärbündnis anschliessen sollte – im Gegensatz dazu also stand die Wahrnehmung Chruschtschows. Für ihn waren die Wehrmauern des kommunistischen Systems in Ungarn eingestürzt und er wusste, dass seine eigene Macht gefährdet war, sollte er Stalins Erbe verlieren. Am 31. Oktober schlug er dem Parteipräsidium die Niederschlagung des Aufstands und die Ersetzung Imre Nagys vor. Marschall Schukow wurde mit der Vorbereitung des militärischen Angriffs beauftragt, während Chruschtschow es selbst übernahm, das Einverständnis der Führer der verbündeten kommunistischen Länder einzuholen, unter anderem Gomulkas und Titos, die den Aufstand zumindest anfänglich mehr oder weniger unterstützt hatten. Der zum Chef der Gegenregierung bestimmte János Kádár – Staatsminister im Kabinett Nagy – wurde nach Moskau geholt, wo er die ihm zugeteilte Rolle akzeptierte.

Zur Vorbereitung der zweiten militärischen Intervention überschritten noch in der gleichen Nacht erste Truppen die sowjetisch-ungarische Grenze. Imre Nagy wurde ins Bild gesetzt. Nachdem er vom sowjetischen Botschafter Andropow keine brauchbare Erklärung erhalten hatte, unternahm er den Versuch, Ungarn mit diplomatischen Mitteln vor dem Angriff zu bewahren. Auf seinen Vorschlag hin kündigte die Regierung die Mitgliedschaft im Warschaupakt, proklamierte Ungarns Neutralität und bat die Grossmächte um deren Garantierung. Ziel dieser Bemühungen war, einer Intervention wenigstens die rechtliche Grundlage zu entziehen.

Am 3. November begannen sowjetisch-ungarische Verhandlungen über den Abzug der sowjetischen Truppen – ein Ablenkungsmanöver. Am Abend wurde die ungarische Regierungsdelegation im sowjetischen Hauptquartier verhaftet, und so wurde die ungarische Armee noch vor dem Angriff enthauptet. Im Morgengrauen des 4. November, einem Sonntag, wurde besagter Angriff dann mit überwältigender technischer und zahlenmässiger Überlegenheit ausgelöst. Rund eine Woche lang setzten die Aufständischen ihren Kampf fort, obschon Widerstand militärisch zwecklos war. Der politische Kampf dauerte an. Das Land anerkannte die neue Kádár-Regierung nicht, sondern hielt zu Imre Nagy, der sich in die Botschaft Jugoslawiens gerettet hatte. Erste Versuche, das alte System zu restaurieren, blieben ohne Erfolg. Kádár und die Sowjets mussten die im Zuge der Revolution eingesetzten Arbeiterräte anerkennen; in der Folge blieben diese die wichtigsten Träger des Widerstands.

Kádár, der bis Anfang Dezember weder über einen staatlichen Verwaltungsapparat noch über ungarische bewaffnete Kräfte verfügte, sah sich gezwungen, mit diesen Arbeiterräten zu verhandeln, war aber zu keinen namhaften Zugeständnissen bereit. Mit sowjetischer Hilfe verhinderte er am 21. November die Gründung eines Arbeiterrats auf nationaler Ebene; tags darauf wurden Imre Nagy und seine Begleiter, nachdem sie die jugoslawische Botschaft auf Zusagen hin verlassen hatten, entführt und nach Snagov in Rumänien deportiert. Es folgten neue Verhaftungen.

Zu einer letzten grossen Konfrontation kam es Anfang Dezember, als die kommunistische Parteiführung die Ereignisse als Konterrevolution deklarierte und Imre Nagys Verantwortung hervorhob. Aus Protest gegen diese Deklaration und fortgesetzte Verhaftungen rief der Zentrale Arbeiterrat von Gross-Budapest für den 11. und 12. Dezember zum Streik auf. In ihrer Reaktion erklärte die Regierung den Arbeiterrat für ungesetzlich, verhängte das Standrecht und richtete Internierungslager ein. Das militärisch besetzte Land, durch Verhaftungswellen und Terror eingeschüchtert und ohne Hoffnung auf ausländische Hilfe, hatte zur Selbstverteidigung keine Kraft mehr. Zehntausende flohen und suchten im Westen eine neue Existenz; auf die zu Hause Verbliebenen wartete eine massenhafte Vergeltung: Internierung, Gefängnis, Hinrichtung, in milderen Fällen der Verlust des Arbeitsplatzes oder Polizeiaufsicht. Im Verlauf der nun einsetzenden Repression erhielten rund 20’000 Personen Freiheitsstrafen – und 230 Menschen bezahlten mit dem Leben dafür, dass sie es gewagt hatten, sich der stalinistischen Diktatur entgegenzustellen.

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(0) Ungarn 1956/2006

Zum Schwerpunkt dieses Hefts gehören nicht nur die hier versammelten Beiträge, sondern auch die Kommentare zur Aussen-, Innen- und Wirtschaftspolitik weiter vorne. Dort wie in den Artikeln am Ende dieses Dossiers geht es um «Ungarn 2006» – um objektive Verhältnisse und subjektive Befindlichkeiten eines Landes, das seit 1989 viele Facetten europäischer Normalität zurückgewonnen hat, gleichzeitig […]

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