(0) Auftakt
Kaffee – aber bitte ohne Koffein! Coca Cola – aber bitte ohne Kalorien! Liberalismus – gerne, aber bitte in leichtverdaulicher Form, sozusagen mit einer erträglichen Dosis Freiheit: Liberalismus light… In unserer virtuellen Welt, deren Begriffe alles und folglich auch das Gegenteil von allem bedeuten, sind alle irgendwie liberal. Das Spektrum reicht von «klassisch liberal» über […]
Kaffee – aber bitte ohne Koffein! Coca Cola – aber bitte ohne Kalorien! Liberalismus – gerne, aber bitte in leichtverdaulicher Form, sozusagen mit einer erträglichen Dosis Freiheit: Liberalismus light…
In unserer virtuellen Welt, deren Begriffe alles und folglich auch das Gegenteil von allem bedeuten, sind alle irgendwie liberal. Das Spektrum reicht von «klassisch liberal» über «grünliberal» bis hin zu «sozialliberal». Einzig «neoliberal» nennt sich kaum jemand freiwillig. Mit diesem Prädikat werden schon eher die besonders verhassten Gegner bedacht.
Die Begriffsverwirrung ist kein neues Phänomen. Der Nationalökonom Ludwig von Mises hat bereits 1956 in seinem Werk «Die Wurzeln des Anti-Kapitalismus» darauf hingewiesen: Die Sozialisten «nannten sich Linksgesinnte und Demokraten, und neuerdings nehmen sie sogar das Attribut ‹liberal› für sich in Anspruch». Wer möchte schon gerne als «illiberal» gelten? Auch diejenigen, die am allumfassenden Staat zimmerten, hatten schliesslich die Freiheit im Sinne und wollten bloss das Beste für die Menschen.
Wir wollen in diesem Heft keine ideologischen Gefechte austragen, die bloss noch in den Köpfen unverbesserlicher Nostalgiker existieren (Kapitalismus versus Kommunismus); und ebensowenig wollen wir die Gegensätze des Common Sense bewirtschaften, als deren Fürsprecher sich manche Journalisten etabliert haben (der «böse» Markt, das Loblied auf das «Soziale»). Wir wollen vielmehr Grundlagenreflexion bieten und zeigen, dass die Besinnung auf die Tradition des Liberalismus überzeugende Antworten auf aktuelle Fragen bereithält. Werte wie persönliche Freiheit, Verantwortung, Eigentum, Markt, Wettbewerb, Vernunft- und Staatsskepsis, freiwillige Solidarität, Bescheidenheit und Neugierde bieten jene Orientierung, die gerade in Zeiten rasanten Wandels unerlässlich ist. Texte liberaler Autoren versprühen einen Optimismus, der Balsam für manche apokalyptisch lädierte Seele sein kann. Dabei ist es wichtig zu sehen, dass der Liberalismus keine Doktrin ist, sondern eine Haltung, die der Zukunft mit Offenheit und Vielfalt begegnet. Zwei Dinge allerdings sind trotz Offenheit verpönt: intellektuelle Unredlichkeit und moralischer Narzissmus. Und damit auch der Liberalismus light. Auf ein Dossier voller Koffein und Kalorien!