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(0) Auftakt

Gibt es das Schweizer Bankgeheimnis noch? Oder ist es zu einem blossen Wort in einem politischen Sprachspiel geworden, zum hohlen Emblem eines fast nur noch rhetorischen helvetischen Widerstandswillens? – Gibt es die helvetische Konkordanzdemokratie noch? Oder ist sie zu einem Zwischenspiel in einem Polittheater verkommen, in dem es jeder auf jeden abgesehen hat? – Kurz, […]

Gibt es das Schweizer Bankgeheimnis noch? Oder ist es zu einem blossen Wort in einem politischen Sprachspiel geworden, zum hohlen Emblem eines fast nur noch rhetorischen helvetischen Widerstandswillens? – Gibt es die helvetische Konkordanzdemokratie noch? Oder ist sie zu einem Zwischenspiel in einem Polittheater verkommen, in dem es jeder auf jeden abgesehen hat? – Kurz, gibt es noch einen politischen Konsens darüber, was das Land eigentlich soll und will?

Die Verwirrung ist gross. Die bürgerlichen Politiker haben die alte Tugend neu für sich entdeckt, dass Schweigen Gold ist. Und die Linken misstrauen offensichtlich zunehmend sich selbst (und wählen lieber einen Vertreter der FDP als einen der CVP in die Landesregierung). So erstaunt es auch nicht, dass sie aus der Stimmung allgemeiner Marktskepsis kaum Kapital zu schlagen vermögen; umgekehrt hat man sich fast schon daran gewöhnt, dass Bürgerliche in etatistischen Aussagen Profilierung suchen.

Die allgemeine Ratlosigkeit wird das Ausland einladen, den Druck auf die Schweiz zu erhöhen (Steuerharmonisierung, Informationsaustausch zwischen Steuerbehörden). Deutschland, Frankreich oder die USA interessieren sich nicht für helvetische Befindlichkeiten; denn sie haben ihre eigenen Probleme: hohe Staatsverschuldung, politische Legitimationsdefizite. Ihre Politiker haben mithin genügend (pseudo-)ökonomische und (populistisch-)politische Gründe, um unsere Standfestigkeit zu testen.

Es ist gegenwärtig leicht, das Schweizer Establishment für sein hilfloses Auftreten und Agieren zu kritisieren. Die «Schweizer Monatshefte» haben ebenfalls Kritik geübt, jüngst in der Sonderpublikation «Ein Land laviert», und sie ist bitternötig. Dabei ist Kritik aber kein Selbstzweck, sondern hat eine läuternde Funktion. Sie öffnet uns die Augen – für unsere Schwächen, aber vor allem für unsere Stärken.

Der Schweizer Historiker Herbert Lüthy hat 1965 in einem Essay für die «Schweizer Monatshefte» davor gewarnt, sich der «lähmenden Mentalität eines unablässigen Rückzugsgefechts gegen die Zeit und die Zukunft» hinzugeben. Was es braucht, ist eine Selbstverständigung über das, was wir sein wollen. Dazu müssen wir uns freilich zuerst wieder dessen bewusst werden, was wir eigentlich sind. Die weltanschaulichen Prinzipien und die gewachsenen Institutionen, die die Schweiz ausmachen, haben viel Zukunftspotential. Nichts hindert uns (ausser wir selbst), es auch zu nutzen.

René Scheu

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