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Abgaben statt Kontingente

Ein EU-kompatibler und umsetzbarer Vorschlag für weniger Zuwanderung

Abgaben statt Kontingente

Gemäss der vom Volk angenommenen Masseneinwanderungsinitiative muss künftig die Zuwanderung gesenkt werden. Die Politik sucht nun immer verzweifelter nach Konzepten für Kontingente und Mengensteuerung. Die ökonomische Vernunft hingegen spricht für eine Preissteuerung der Zuwanderung. Ich schlage deshalb vor, von allen Einwohnern eine angemessene Grundgebühr für Staatsleistungen zu erheben und die Erträge aus dem über Jahrzehnte angesparten Vermögen der Schweiz vermehrt den bisherigen Einwohnern zukommen zu lassen.

Die bisherigen Einwohner der Schweiz scheinen zunehmend an der Sinnhaftigkeit unbeschränkter Zuwanderung zu zweifeln. Weil aber Zuwanderung den bisherigen Einwohnern neben einigen Problemen auch offensichtliche Vorteile bringt – etwa wenn ausländische Professoren zur Verbesserung der Ausbildung und zur Lösung schweizerischer Probleme beitragen –, soll die Zuwanderung nicht minimiert, sondern optimiert werden. Die bisher öffentlich diskutierten Vorschläge sind diesbezüglich wenig hilfreich.

Die Hoffnung, die Zuwanderung reguliere sich von selbst und Zuwanderer kämen nur, solange genug neue Stellen geschaffen würden, ist vergebens. Die Zahl offener Stellen wird weit weniger vom Zuwachs von Arbeitsplätzen geprägt als von natürlichen Fluktuationen durch Jobwechsel und Pensionierungen. So werden auch in schlechten Zeiten jährlich 400 000 Stellen frei, weshalb die Zuwanderung von allein kaum abnehmen wird.

Die bessere Ausnutzung des einheimischen Arbeitspotentials der Frauen und Alten ist zahlenmässig im Vergleich zur Zuwanderung kaum relevant. Zudem würde eine bessere Ausnutzung des vorhandenen Arbeitspotentials die Zuwanderung nur noch anheizen, weil sie die gesamtwirtschaftliche Produktivität steigern und die Schweiz noch attraktiver für Unternehmungen und Zuwanderer machen würde.

Schutzklauseln sind schädlich. Da die zulässigen Grenzwerte unter der heutigen Zuwanderung festgelegt werden müssten, würden sie zuweilen erreicht, was automatisch die Schutzklausel aktivierte. Zuwanderungswillige würden dies antizipieren und möglichst zuwandern, bevor die Schwelle erreicht ist. Weil das viele tun würden, gäbe es ein eigentliches Rennen um frühe Zuwanderung, weshalb die Schutzklausel sehr oft aktiviert werden müsste. So würden dann Zeiten extremer Zuwanderung und starker Abriegelung dauernd abwechseln, was völlig unsinnig wäre.

Schliesslich sind auch Kontingente nicht der richtige Weg. Ganz im Gegenteil: zum einen gibt es keine fixe «richtige» Zahl der Zuwanderung. Sofern es eine solche gäbe, hinge sie von vielen Variablen ab, etwa den Kosten der zuwanderungsbedingten Verknappung etwa von Boden, Infrastruktur und Umweltqualität, den Qualifikationen der Zuwanderer sowie der Nachfrage der Wirtschaft nach zusätzlichen Arbeitskräften. Letztere ist kaum erfassbar, weil die Unternehmungen ihren wahren Bedarf nach ausländischen Arbeitskräften übertreiben, solange sie die Kontingente gratis erhalten. Deshalb werden Kontingente auch systematisch zu hoch festgelegt. Zudem ist die Bearbeitung der Zuwanderungsgesuche für die Wirtschaft und den Staat sehr teuer – und im undurchsichtigen Wettlauf um Bewilligungen setzen sich oft nicht diejenigen durch, die den bisherigen Einwohnern der Schweiz viel bringen. Hinzu kommt folgendes: Je knapper die Kontingente sind, desto wertvoller und gesuchter sind sie und desto schwerer kann der Staat sie richtig zuteilen. Die sorgfältige Behandlung von Gesuchen dauert lange, was für die beantragenden Firmen Gift ist. Störend ist auch die Verteilungswirkung von Kontingenten: Den Inhabern bringen sie Profite, den anderen nur hohe Antragskosten. Der Wettbewerb wird massiv verzerrt, und der Staat wird zum Planer des Arbeitskräfteeinsatzes.

Klar wird: die bisher diskutierten Umsetzungsvorschläge haben verhängnisvolle Mängel. Zum Glück gibt es eine bessere Alternative.

 

Zuwanderungsabgaben: Die 10 Vorteile

Bekanntlich sollten knappe Güter nicht durch staatliche Planerei und politische Entscheidungsträger, sondern durch Knappheitspreise und Märkte zugeteilt werden. Deshalb ist der Staat ungeeignet, Zuwanderungsmengen vorzugeben und zu verteilen. Es gibt aber eine gute marktorientierte Möglichkeit zur Steuerung: Der Staat kann Zuwanderungspreise, also Zuwanderungsabgaben erheben, die die Kosten der Zuwanderung für die Allgemeinheit spiegeln. Folglich müssen solche Preise auch für nicht erwerbstätige Personen gelten und von der Zeit abhängen, die Zuwanderer hier verbringen. Solche Abgaben könnten einfach mit der Einkommens- und Quellensteuer erhoben werden. Sie könnten auch formell den Arbeitgebern belastet werden. Die tatsächliche Belastung würde so oder so zwischen den Arbeitgebern und Zuwanderern je nach Arbeitsmarktsituation überwälzt und aufgeteilt.

Solche Zuwanderungsabgaben sind Kontingenten aus zehn Gründen weit überlegen:

1.
Mit Abgaben kann die Zuwanderung und Besetzung offener Stellen frei, sofort und ohne bürokratische Hürden erfolgen.

2.
Mit Abgaben wandern automatisch diejenigen zu, die davon grosse Vorteile haben oder ihren Arbeitgebern viel nützen.

3.
Abgaben können auch gut auf Kurzaufenthalter und Grenzgänger angewendet werden, für die spezielle Tagessätze gelten können.

4.
Abgaben bringen Staatseinnahmen. Dadurch geht ein Teil der Gewinne aus der Zuwanderung an die bisherigen Einwohner, die die Kosten der Zuwanderung tragen. Das gibt ihnen Anreize, für hohe Standortattraktivität und Offenheit einzutreten.

5.
Abgaben behandeln alle Zuwanderungswilligen gleich und sind fairer als Kontingente. Letztere legen eine Grenze fest, bis zu der Zuwanderung frei erlaubt, darüber hinaus aber verboten ist. Das ist äquivalent zu einer höchst diskriminierenden Abgabe, die für die einen null, für die anderen aber prohibitiv hoch ist.

6.
Es ist einfacher, Abgaben statt Kontingente in richtiger Höhe festzulegen. Für Kontingente müssen die Kosten der Zuwanderung und die Nachfrage der Wirtschaft nach Zuwanderern bekannt sein. Für Abgaben hingegen reicht es, die Kosten der Zuwanderung einschätzen zu können. Den Unternehmungen steht es dann frei, entsprechend ihrer Nachfrage Zuwanderer zu rekrutieren, solange sie oder die Zuwanderer die Abgabe bezahlen und so für die verursachten Kosten aufkommen.

7.
Abgaben wirken zuverlässiger und eignen sich besser als Kontingente, um auch Nichtarbeitstätige zu erfassen. Je höher die Abgabe, desto tiefer ist die Zuwanderung.

8.
Abgaben sind föderalismustauglicher als Kontingente. Weil die Unternehmungen und Kantone ihren «Bedarf» an Zuwanderern übertreiben, müsste für Kontingente ein zentraler Zuteilungsmechanismus eingeführt werden, der nur einzelne Charakteristika der Kantone berücksichtigen kann. Bei Abgaben hingegen braucht es keine zentrale Zuteilung der Zuwanderer auf Unternehmungen und Kantone. Zudem könnten Abgaben auch kantonal differenziert werden.

9.
Abgaben erreichen die Ziele der Masseneinwanderungsinitiative besser als Kontingente. Sie reduzieren die Zuwanderung zuverlässiger, und sie verschaffen den Schweizern automatisch einen gewissen Vorrang. Geradezu ideal erfüllen sie die Forderung der Initiative, die Zuwanderungspolitik sei «auf die gesamtwirtschaftlichen Interessen der Schweiz» auszurichten.

10.
Abgaben sind EU-kompatibler als Kontingente. Die völlige Freizügigkeit in dem Sinne, dass EU-Bürger ohne diskriminierende und zeitraubende Zulassungsverfahren frei in die Schweiz zuwandern können, bleibt erhalten. Die Abgaben können so festgelegt werden, dass die Gesamtbelastung aus Steuern und Abgaben für die allermeisten Zuwanderer kleiner als in ihren Herkunftsländern bleibt. Die Überlegenheit von Preis- gegenüber Mengensteuerung bildet auch die Grundlage der von der EU mitgetragenen Strategie zur Liberalisierung des Welthandels, die auf den Ersatz nichttarifärer Handelshemmnisse (etwa Einfuhrkontingente) durch tarifäre Massnahmen (Zölle) und deren Rückführung auf ein angemessenes Niveau zielt. Aus dem gleichen Grund entwickelt die EU ihre Umweltpolitik von nichttarifären Massnahmen (etwa Emissionsvorschriften) hin zu tarifären Massnahmen (Umweltab-gaben). Schweizer Zuwanderungsabgaben statt Kontingente würden konzeptionell perfekt zu dieser Entwicklung passen. Mit dem Schwerverkehr gibt es auch schon einen Präzedenzfall: Die EU war strikt gegen Schweizer Einschränkungen mit Kontingenten und technischen Vorgaben (28 statt 40 Tonner). Sie war aber bereit, eine Schwerverkehrsabgabe mit ähnlicher Lenkungswirkung zu akzeptieren.

 

Königsweg Kostenwahrheit

Die Höhe der Zuwanderungsabgabe sollte idealerweise die Kosten der durch das hohe Bevölkerungswachstum verursachten Verknappung von Boden, der Mehrbelastung der Infrastruktur sowie höherer Belastung von Energie und Umwelt spiegeln. Weil letztere stark von der Schweizer Raumplanungs-, Verkehrs- und Energiepolitik abhängen, können sie nicht ausschliesslich der Zuwanderung zugerechnet werden. Deshalb schlage ich vor, die Bemessung der Abgabe zu vereinfachen, so dass sie wenigstens einen Teil der wahren Kosten deckt.

Die hohe Zuwanderung ist stark dadurch bedingt, dass die Schweiz hohe Lebensqualität und gute Staatsleistungen bei relativ tiefen Steuern bietet oder, anders gesagt, dass sie schon seit langer Zeit eine nachhaltigere Finanzpolitik als die meisten anderen Länder verfolgt. Dadurch hat sie ein riesiges Vermögen in der Form von Infrastruktur, Immobilien, Reserven im Sozialversicherungssystem und bei der Nationalbank sowie an staatlichen oder halbstaatlichen Unternehmungen aufgebaut, dem im Vergleich zum Ausland nur geringe staatliche Schulden gegenüberstehen. Entsprechend hat die Schweiz ein weit grösseres Nettovermögen pro Einwohner als die allermeisten anderen Länder. Weil die Finanzhaushalte von den Erträgen aus dem Vermögen profitieren und nicht durch die Finanzierung riesiger Schulden belastet werden, ist die Schweiz steuerlich für Einkommen bis rund 250 000 Franken jährlich in Europa fast konkurrenzlos günstig und für Zuwanderer sehr attraktiv.

Die aus dem über Jahrzehnte angesparten Vermögen an die Neuzuwanderer fliessenden Zuwendungen sind gemäss diesen Überlegungen sehr hoch. Die Frage ist: wie hoch?

Während für die Vermögenswerte nur rohe Schätzungen existieren, ist die Schuldenseite gut dokumentiert. So hat die Schweiz heute eine explizite Verschuldung von rund 40 Prozent des Bruttoinlandsprodukts, die EU-Staaten im Durchschnitt aber 90 Prozent. Noch grösser sind die Unterschiede bei den impliziten Schulden, also insbesondere den ungedeckten staatlichen Versprechungen für zukünftige Renten und Gesundheitsleistungen. Während die Schweiz eine implizite Verschuldung – je nach Schätzung – zwischen minus 90 Prozent und plus 50 Prozent vom Bruttoinlandsprodukt aufweist, betragen die impliziten Schulden der meisten EU-Staaten zwischen 150 und 500 Prozent. So wird das Rentensystem der Schweiz stark durch die Vorsorgegelder aus der zweiten Säule von rund 700 Milliarden und damit über 100 Prozent vom BIP gestützt, wohingegen die meisten anderen Länder, auch Deutschland, nur einen kleinen Bruchteil des BIP angespart haben und die Renten aus laufenden Steuern und Abgaben bezahlen müssen. Egal, wie man rechnet: die Schweiz hat gegenüber den meisten Ländern um 200 bis 500 Prozent tiefere implizite und explizite Staatsschulden.1 Die Unterschiede wären noch grösser, wenn auch die anderen Vermögenswerte berücksichtigt würden. Schon «nur» ein Unterschied der Schuldenlast von 200 Prozent des BIP führt beim heutigen Schweizer BIP von rund 640 Milliarden und der Annahme einer historisch gesehen eher tiefen Verzinsung von 3 Prozent zu einem Finanzierungsvorteil von 38 Milliarden jährlich (200 Prozent * 640 Milliarden * 3 Prozent), also rund 4600 Franken pro Einwohner. Alleine dank der tiefen expliziten und impliziten Verschuldung der Schweiz sind unsere Steuern und Abgaben längerfristig um jährlich wenigstens 4600 Franken pro Einwohner tiefer, als sie bei Verschuldungsverhältnissen des EU-Schnitts wären. Genau genommen ist es erstaunlich, dass die EU der Schweiz nicht vorwirft, sie locke die Zuwanderer mit verbotenen Beihilfen aus ihrem Vermögen an.

 

Dividenden für bisherige Einwohner

Mein Vorschlag ist nun folgender: Die grossen Erträge aus der guten Vermögenssituation der Schweiz sollen nicht mehr vollständig in den allgemeinen Staatshaushalt fliessen und so mit den Zuwanderern geteilt werden, sondern ein Teil soll gezielt an die bisherigen Einwohner der Schweiz fliessen. In Zukunft sollen alle bisherigen Einwohner sowie alle Zuwanderer, die länger als eine bestimmte Zeitdauer, z.B. fünf Jahre, in der Schweiz gewohnt haben, eine Art Dividende aus den Vermögenserträgen erhalten. Aufgrund obiger Überschlagsrechnungen wären jährliche Beträge von 4000 bis 6000 Franken pro Person durchaus angemessen. Zur Kompensation der Dividendenabgänge bedarf der Staat neuer Einnahmen. Dazu soll er von allen Einwohnern – also den langjährigen Einwohnern sowie den noch nicht «dividendenberechtigten» Neuzuwanderern – eine Kopfprämie als Grundbeitrag für die Nutzung der Staatsleistungen erheben. Diese kann leicht tiefer als die Dividende für die bisherigen Einwohner angesetzt werden, weil es dank der Neuzuwanderung mehr Beitragszahlende als Dividendenempfänger gibt. Ein solcher Grundbeitrag von 4000 bis 5000 Franken für die Infrastrukturnutzung dürfte vielen Lesern auf den ersten Blick zumindest ungewohnt erscheinen. Tatsächlich aber wäre er nur etwa so hoch wie die heutige Grundprämie für die allgemeine Krankenkasse, die ja ebenfalls als Kopfprämie erhoben wird.

Ein solcher Grundbeitrag ist nicht diskriminierend, weil er von allen Einwohnern bezahlt werden muss. Trotzdem würde er die heutige Bruttozuwanderung von jährlich rund 150 000 Personen sowie auch die Nettozuwanderung von jährlich rund 80 000 Personen sinken lassen. Unter Berücksichtigung von Zu- und Auswanderung dürften längerfristig wenigstens 500 000 Personen in der Schweiz leben, die weniger als fünf Jahre hier gelebt haben und deshalb nicht dividendenberechtigt wären. Sie würden zusammen einen zusätzlichen Beitrag von jährlich 2 bis 2,5 Milliarden Franken aufbringen. Die bisherigen Einwohner hingegen würden bei einem dank tieferer Zuwanderung deutlich tieferen Bevölkerungswachstum um denselben Betrag entlastet. Zu betonen bleibt, dass das hier vorgeschlagene Modell auch mit anderen Annahmen über Abgaben, Dividenden und Zuwanderungselastizitäten gut funktioniert. Genau so kann es auch auf die Zuwanderung aus Drittstaaten angewendet werden, und es könnte von der EU zur Lösung ihrer eigenen Wanderungsprobleme übernommen werden. Schliesslich dienen Zuwanderungsabgaben der Öffnung und nicht der Abschottung: Sie geben Volk und Regierung beste Anreize, für eine möglichst attraktive und offene Schweiz einzustehen.

 


1 Dazu http://www.stiftung-marktwirtschaft.de/wirtschaft/themen/generationenbilanz.html

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